21 Millionen private Haushalte leben in Deutschland zur Miete, rund die Hälfte gehört zum unteren Einkommensdrittel. Bislang sieht die Bundesförderung für effiziente Gebäude aber keine Mittel für den vermieteten Bestand vor, einkommensärmere Haushalte bleiben also bei der Sanierung außen vor. Eine neue Studie des Deutschen Mieterbunds und des Öko-Instituts sucht Lösungen.
Die energetische Sanierung kommt nicht voran. Mit einer Sanierungsrate von 0,72 Prozent im Jahr 2023 sinkt die Quote zum dritten Mal in Folge. Nötig wäre eine Sanierungsrate von mindestens 2 Prozent, das DIW Berlin empfiehlt sogar eine schrittweise Steigerung der Quote auf vier Prozent pro Jahr. Deutschlandweit erzeugt der Gebäudesektor etwa 30 Prozent der CO2-Emissionen – in Berlin sogar über 40 Prozent. Das macht den Sektor zu einem bedeutenden Feld für Klimaschutzmaßnahmen. Die neue EU-Gebäuderichtlinie bestimmt, dass Eigentümer:innen bis 2030 die 25 Prozent der Gebäude, die den schlechtesten Zustand aufweisen, sanieren müssen. Bis 2045 soll der gesamte Gebäudesektor klimaneutral werden. Dafür sind erhebliche Anstrengungen und wichtige Reformen nötig.
Der Gesetzgeber hat mit der Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG) zwar Fördermittel für energetische Komplettsanierungen und für Einzelmaßnahmen wie etwa dem Heizungstausch bereitgestellt. Diese adressieren aber nicht konkret vermietete Wohnungsbestände sowie Sozialwohnungen oder auch Quartiere, in denen überwiegend Haushalte der unteren Einkommensgruppen wohnen.
Aus Sicht der Mietenden denken
Doch schon jetzt leiden viele private Haushalte unter hohen Mieten und (verdeckter) Energiearmut. Mietsteigerungen im Vergleichsmietensystem und steigende kalte Nebenkosten haben besonders in den vergangenen Jahren dazu geführt, dass Mieter:innen für energetische Modernisierungen immer weniger Akzeptanz aufbringen. Mieterhöhungen wegen energetischer Maßnahmen belasten einkommensschwächere Haushalte stark. Hinzu kommt: Niemand kann garantieren, dass die anfallenden Kosten für Wärme danach deutlich niedriger sind. Die warmmietenneutrale Sanierung, bei der Einsparungen bei den Energiekosten die Sanierungskosten ausgleichen, sollte zwar das Ziel sein, aber die wenigsten Vermieter:innen streben sie an.
Obwohl die Inanspruchnahme von Fördermitteln die Modernisierungsumlage senken kann, haben vor allem privatwirtschaftliche Wohnungsunternehmen diese Förderungen in der Vergangenheit kaum genutzt. Die Fördermittel bieten aufgrund der reduzierten Modernisierungsumlage nicht genügend Anreize für Vermieter:innen, denn sie werden schlicht an die Mietenden durchgereicht. Daher sind weitergehende Förderzuschüsse nötig. Um einem attraktiven Förderszenario für Wohnungswirtschaft und private Vermieter:innen zu Nachhaltigkeit zu verhelfen, muss aus Sicht des Deutschen Mieterbunds (DMB) dem auch ein „Forderungsszenario“ gegenüberstehen.
Gezielte, höhere Fördermittel bedeuten geringere Mietsteigerungen
Die Studie des Öko-Instituts und des DMB schlägt vor, das Finanzierungsdilemma für den Klimaschutz im Bestand vor allem durch eine stärkere Gewichtung von Fördermitteln zugunsten der unteren Einkommensgruppen zu lösen. Die Annahme: Insbesondere in den Gebäuden mit schlechten Sanierungszuständen und in Großwohnsiedlungen leben überwiegend Haushalte und Familien, die entlastet werden müssen. Eine sozial gerechte Verteilung von Kosten für Klimaschutzmaßnahmen im Wohngebäudebereich muss über höhere staatliche Förderbeträge Vermieter:innen und Eigentümer:innen mehr Anreize schaffen, ihre Bestände energetisch zu sanieren. Zugleich dürfen die Kosten nur in einem bestimmten Maß die Haushalte belasten, um die Akzeptanz für energetische Modernisierungen bei den Mietenden zu steigern und die Sorge vor dem Wohnungsverlust zu mindern. Die Studie schlägt hierfür drei spezifische Fördermodelle vor, von denen wir zwei im Folgenden näher beleuchten.
Zwei Bausteine für die sozialgerechte Wärmewende
- Förderbonus für zehn Jahre bezahlbare Mieten
Die BEG richtet sich bereits an Eigentümer:innen mit ihrer Förderung für Komplettsanierungen von Wohngebäuden sowie Einzelmaßnahmen. Sie schlägt in diesem Förderrahmen einen zusätzlichen Förderbonus von 15 Prozent der Baukosten für Vermieter:innen vor, die sich an eine Mietpreisobergrenze binden. Voraussetzung ist also, dass die Miethöhe für zehn Jahre nach der Modernisierung mindestens zehn Prozent unterhalb der ortsüblichen Vergleichsmiete verbleibt. Diese Förderung zielt damit insbesondere auf Wohnungsbestände mit derzeit noch bezahlbaren Bruttokaltmieten sowie auf gemeinwohlorientierte Vermieter:innen ab. Eine zusätzliche Förderung wäre an Übermittlungspflichten und regelmäßige Kontrollen zu den geförderten Mietbeständen geknüpft. Das Modell könnte immerhin für die kommenden zehn Jahre den bezahlbaren Bestand sichern oder möglicherweise sogar bezahlbare Wohnungen schaffen. Bei Veräußerung der Wohnungen würden die Förderbestimmungen auf die neuen Eigentümer:innen übergehen
Unser Fazit: Mit Blick auf Berlin schätzen wir das Modell zunächst mit Skepsis ein. Zu groß ist die Ähnlichkeit mit den städtebaulichen Sanierungsprogrammen der Nachwendezeit. Die Auswirkungen der in den 1990er und 2000er Jahren geschlossenen Förderverträge mit 20 bis 30 Jahren Mietpreis- und Belegungsbindungen bekommen Mieter:innen in Berlin seit einigen Jahren schmerzhaft zu spüren. Die Bindungen laufen aus, Mietsprünge, Umwandlungen in Eigentumswohnungen und Verkäufe der Wohnungen sowie die dann häufig folgende Eigenbedarfskündigung führen zum Wohnungsverlust. Die Ausgestaltung der Förderverträge wird daher entscheidend sein. In Städten wie Berlin könnten vor allem die Genossenschaften und die landeseigenen Wohnungsunternehmen die Förderungen sowie den Förderbonus in Anspruch nehmen. Beide Akteursgruppen halten rund 500.000 Wohnungen in der Hauptstadt.
- Bestände des sozialen Wohnungsbaus mit zielgenauen Bundesmitteln ausstatten
Die Studie schlägt vor, in einer Verwaltungsvereinbarung „VV Energetisch Sanierter Wohnraum“ zusätzliche zweckgebundene Bundesmittel für die energetische Sanierung von Sozialwohnungen bereitzustellen. Neben der Bundesförderung für den Neubau von Sozialwohnungen soll das zielgenaue Förderprogramm den Bestand der Sozialwohnungen sichern und die Sozialbindungen verlängern. Möglich ist auch, Wohnungen ohne Sozialbindung im Rahmen der Verwaltungsvereinbarung als neue Sozialwohnungen zu vereinbaren. So könnten alte Sozialbindungen erhalten bleiben und neue Sozialwohnungen könnten entstehen.
Unser Fazit: Grundsätzlich sind Förderprogramme für die energetische Sanierung im sozialen Wohnungsbau dringend notwendig. Die Studie zeigt nach gründlicher Analyse der bestehenden Förderkulisse, eine Lücke im Fördersystem auf, die dringend geschlossen werden muss. Eine Objektförderung für den bestehenden Sozialen Wohnungsbau zielt passgenau auf die Entlastung der unteren Einkommensgruppen ab. Den Bestand von Sozialwohnungen zu erhalten und neuen zu schaffen, ist der einzig richtige Weg. Wünschenswert wäre allerdings, dass dauerhafte Mietpreis- und Belegungsbindungen das Ziel der Verwaltungsvereinbarung Energetisch Sanierter Wohnraum sind. In einer weiterentwickelten Version des vorgeschlagenen Fördermodells könnte die Neue Wohngemeinnützigkeit eine zentrale Rolle spielen. Umgekehrt könnten die zusätzlichen Bundesmittel der Neuen Wohngemeinnützigkeit helfen, für Akteure der Wohnungswirtschaft attraktiver zu werden.
Analyse der Förderlandschaft
Die Studie des Öko-Instituts analysiert zunächst die bestehenden Förderprogramme sowie die hier eingesetzten Mittel – von sozialer Förderung für selbstnutzende Eigentümer:innen mit kleinen Einkommen bis zu den häufigsten Förderempfänger:innen – rund 45 Prozent der oberen Einkommensgruppen. Die Autoren schlagen vor, dass eine Umschichtung bestehender Fördermittel sowie Gelder aus dem EU-Klimasozialfonds die vorgeschlagenen Programme finanzieren könnten. Öko-Institut und DMB beziffern die Höhe für die benötigten Mittel auf fünf Milliarden Euro. „Überschaubar“ heißt es in der Studie. Auch wir halten diese Summe für notwendig. Die neue EU-Gebäuderichtlinie verlangt übrigens eine stärkere Fokussierung auf vulnerable Bevölkerungsgruppen. Bis Mai 2026 soll die Richtlinie auch in nationales Recht umgesetzt werden.
Franziska Schulte
15.08.2024