Die Kombination aus CO2-Bepreisung und Klimageld sollte ursprünglich die Endverbraucher:innen zum Energiesparen anhalten, ohne dabei kleine Einkommen zu belasten. Doch während die Regierung den CO2-Preis zum 1. Januar 2024 erhöht hat, verschleppt sie die Einführung des Klimageldes.
Kommt es? Kommt es nicht? Kommt es später? Ob und wann die Ampel-Regierung das im Koalitionsvertrag versprochene Klimageld einführen wird, steht in den Sternen. Klar ist: Eigentlich hätte es längst da sein müssen. Durch die jüngste Erhöhung der Abgabe für eine Tonne CO2 von 30 auf 45 Euro steigt auch die Belastung der Verbraucher:innen – besonders für Personen mit kleinen Einkommen. Um die CO2-Bepreisung zu rechtfertigen und nicht als reine Steuer zu gestalten, hatte die Bundesregierung damit geworben, einen Teil der Einnahmen in Form des Klimageldes an die Bevölkerung zurückzuzahlen. Die Verschleppung der Maßnahme unterstreicht nun, was schon bei der verspätet eingeführten und falsch gewichteten Aufteilung des CO2-Preises zwischen Mieter:innen und Vermieter:innen deutlich wurde: Für die ökologische Transformation sollen vor allem die Verbraucher:innen zahlen. Wer viel hat, spürt die Belastung deutlich weniger.
So ist die CO2-Bepreisung seit Januar 2024 geregelt
Die Sektoren Verkehr und Gebäudewärme zählen zu den größten CO2-Emittenten in Deutschland. Seit dem 1. Januar kassiert der Fiskus gemäß dem Brennstoffemissionshandelsgesetz (BEHG) einen CO2-Preis in Höhe von 45 Euro für jede Tonne CO2, die durch die Verbrennung von Erdgas, Heizöl oder Benzin freigesetzt wird. Im Vorjahr waren 30 Euro fällig, bis 2026 wird der Preis voraussichtlich auf 65 Euro pro Tonne steigen. Ab 2027 soll die Bepreisung dann im gemeinsamen europäischen Emissionshandelssystem für Verkehr und Gebäudewärme aufgehen, infolgedessen würde Deutschland keinen separaten CO2-Preis mehr festlegen. Die durch diese Maßnahmen generierten Einnahmen fließen in den Klima- und Transformationsfonds (KTF). Aus diesem Fonds finanziert die Bundesregierung die inzwischen nicht mehr von den Verbraucher:innen getragene EEG-Umlage sowie die Förderung energetischer Gebäudesanierungen.
Das Klimageld als Lenkungsinstrument
Die Ampel-Regierung hatte die geplanten Erhöhungen des CO2-Preises ursprünglich nicht als Steuer, sondern als Lenkungsinstrument zum Energiesparen durch die Verbraucher:innen vermarktet. Ein Teil der Einnahmen aus der CO2-Bepreisung sollte als Klimageld allen Personen in gleicher Höhe zugutekommen – unabhängig von ihrem Verbrauch. Die Kalkulation dahinter: Energiesparende Haushalte sollten ähnlich viel Klimageld bekommen, wie sie zuvor als CO2-Preis bezahlt haben. Wer besonders sparsam ist, sollte unterm Strich sogar mit einem kleinen Plus rausgehen. Wer einen hohen CO2-Ausstoß verursacht, sollte belastet werden.
Progressive Wirkung geplant…
Über die Sinnhaftigkeit von Auszahlungen auch an Wohlhabende lässt sich ebenso streiten wie über die anfallenden Verwaltungskosten. Die Bundesregierung betont jedoch die progressive Wirkung der Kombination aus CO2-Steuer und Klimageld. Zur Erklärung: Eine Steuer ist dann progressiv, wenn höhere Einkommen prozentual höher belastet werden. Die CO2-Steuer ist in ihrer Grundform de facto nicht progressiv, da unabhängig vom Einkommen jede Person denselben Betrag für eine Tonne CO2 entrichtet. In der öffentlichen Diskussion wird jedoch die leicht umverteilende Wirkung dieser Regelung betont. Menschen mit geringerem Einkommen, die statistisch gesehen weniger CO2 ausstoßen, werden durch das Klimageld im Endeffekt nicht stärker belastet, sondern können sogar profitieren. Personen mit höherem Einkommen und einem größeren CO2-Fußabdruck werden dagegen stärker zur Kasse gebeten, was die Regelung in der Praxis progressiver gestaltet.
… regressive Wirkung umgesetzt
Wie so oft kommt nach einer gewonnenen Wahl alles ganz anders: Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts im vergangenen Jahr, das das Sondervermögen des KTF für rechtswidrig erklärte, klafft ein großes Loch im Haushalt. Eingeschränkt von der Schuldenbremse sucht die Bundesregierung nach neuen Wegen, um an Geld zu kommen und die dringend notwendigen Investitionen in den Klimaschutz zu finanzieren. Und was liegt da näher, als die Auszahlung des Klimageldes der nächsten Regierung zu überlassen? Das sind zumindest die Pläne von Finanzminister Christian Lindner (FDP) und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), wobei es im ständigen Hin und Her auch Stimmen gibt, die eine mögliche Auszahlung auch schon ab 2025 in Aussicht stellen.
Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) hat jüngst vorgerechnet, wie viel Klimageld die Bundesregierung auszahlen müsste, um ihren Versprechungen gerecht zu werden: Von 2021 bis 2023 gab es 11,4 Milliarden Euro Mehreinnahmen durch die CO2-Bepreisung. Ein Viertel dieser Summe stammt von Unternehmen, die jedoch die Kosten an die Endverbraucher:innen weitergeben. Aus diesem Grund hält der vzbv direkte Auszahlungen in Höhe von 139 Euro pro Person für angemessen.
Die Frage, ob und wann das Klimageld kommt, bleibt derzeit offen. Aktuell ist die CO2-Bepreisung eine reine CO2-Steuer, welche regressiv wirkt: Menschen mit niedrigerem Einkommen zahlen pro Tonne C02 einen viel größeren Anteil ihres Einkommens als wohlhabendere Menschen. Mit der von Finanzminister Christian Lindner (FDP) angekündigten Absage zum Klimageld werden die Kosten für die energetische Transformation daher vor allem auf den Schultern der Normalverbraucher:innen.
Wirkung des Marktmechanismus fraglich
Eine solche Regelung nach Marktmechanismen bedeutet im Klartext: Menschen mit geringem Einkommen werden durch Preiserhöhungen zu Einschränkungen gezwungen, während Besserverdienende sich entscheiden können, ob sie bei ihren Gewohnheiten bleiben oder nicht. Selbst mit der Einführung des Klimageldes wäre es fraglich, zu wie viel Einsparung es führt und ob Geringverdienende tatsächlich nicht mehr belastet würden: Für ärmere Haushalte ist Energiesparen ohnehin schon immer eine pure Notwendigkeit. Die Preisexplosion der letzten Jahre inklusive der exorbitanten Nachzahlungsforderungen zwingt viele zum Heizen unter ihrem Bedarf.
Eine Studie des Sachverständigenrats für Verbraucherfragen (SVRV) und Forsa hat ergeben, dass die 20 Prozent der Haushalte mit dem geringsten Einkommen im Schnitt 16 Prozent ihres Haushaltseinkommens für Energiekosten aufwenden, 87 Prozent von ihnen geben mehr als zehn Prozent für Energie aus. Die einkommensstärksten 20 Prozent wenden dagegen im Schnitt nur vier Prozent für Energiekosten auf. Unabhängig vom Einkommen zahlen 43 Prozent der Haushalte mehr als zehn Prozent für Energie. Bevor jemand in einer kalten Wohnung sitzt oder nicht mehr mit dem Auto pendeln kann, schränkt er sich oft zunächst an anderer Stelle ein. Das schwächt wiederum die Wirtschaft. Menschen mit mehr Geld sind zu solchen Einschränkungen nicht direkt gezwungen, obwohl gerade bei ihnen aufgrund ihres höheren Energieverbrauchs das größte Potenzial für Einsparungen liegt.
Mieter:innen sind die falschen Adressaten
Dass die Bundesregierung für die Kosten der energetischen Transformation nicht diejenigen zur Kasse bittet, die genug Geld haben und eine Entscheidung für energiesparende Sanierungen treffen können, hat schon die Einführung des Stufenmodells für die Teilung des CO2-Preises in Mietverhältnissen gezeigt. Bei der Einführung rühmte man sich damit, eine faire Verteilung zwischen Vermieter:innen und Mieter:innen herzustellen: In Häusern mit bester Energiebilanz tragen die Mieter:innen 100 Prozent des CO2-Preises beim Heizen. Mit jeder Effizienzklasse stuft sich der Anteil ab, bis die Mieter:innen in den schlechtesten Klassen nur noch für fünf Prozent des CO2-Preises aufkommen. So hätten Vermieter:innen von schlecht sanierten Gebäuden einen Anreiz, diese zu sanieren und Mieter:innen hätten weiterhin einen Nachteil, wenn sie viel heizen.
Soweit die Theorie. Die Praxis allerdings sieht ganz anders aus: Eine Analyse der neuesten Zahlen des Energiedienstleisters Techem aus dem Jahr 2022 zeigt, dass aufgrund der Verteilung der Effizienzklassen (A bis H) der Bestandsgebäude die Mieter:innen über die Hälfte (57 Prozent) des durch das Heizen anfallenden CO2-Preises tragen. Allein bei der Heizungsart Gas zahlen 86 Prozent der Mieter:innen mehr als 50 Prozent (Gebäudeklasse E) des CO2-Preises. Selbst wenn man die Daten von Techem auf den gesamten Wohnungsbestand in Deutschland hochrechnet, ändert sich an diesem Umstand nichts. Hinzu kommt, dass einkommensschwächere Haushalte häufiger zur Miete und in schlecht isolierten Wohnungen leben. Damit zahlen sie zwar weniger Anteil am CO2-Preis, müssen aber mehr heizen. Über energetische Sanierungen und die Wahl des Heizsystems können sie nicht selbst entscheiden.
An den großen Stellschrauben drehen
Die Verschleppung des Klimageldes zeigt, wie unzureichend die Koalition den Herausforderungen der Energiewende in sozialer Hinsicht gerecht wird. Zweckgebundene Mittel werden missbraucht, um Haushaltslöcher auf Kosten der Normal- und Geringverdienenden zu stopfen. Finanzpolitisch folgt die Regierung dem Dogma der Schuldenbremse und brockt sich damit die schlechteste wirtschaftliche Performance der großen Industrienationen ein, statt Investitionen in zukunftsweisende soziale Infrastruktur zu tätigen und die Bereiche der Daseinsvorsorge zu stärken. Am Ende ist die CO2-Bepreisung für die Vermietenden insgesamt auf einem Level, das keinen Anreiz für wichtige Investitionen in den energetischen Zustand von Wohngebäuden schafft.
Die Ampel-Regierung muss an den großen Stellschrauben drehen, statt die Lösung vergeblich in Veränderungen des Konsumverhaltens einzelner zu suchen.
Eine Position von Moritz Lang
28.10.2024