Ein Bauprojekt in Aschersleben zeigt, wie moderne Technik energetische Sanierungen mit Umwelt- und Kostenvorteilen vereint. Die Ascherslebener Gebäude- und Wohnungsgesellschaft mbH (AGW) hat zwei von drei Plattenbauten in energieautarke Mehrgenerationenhäuser umgewandelt.
Im Mittelpunkt unserer neuen Best-Practice-Rubrik steht die Frage, ob sich energetische Sanierungen für Mieter:innen lohnen. Wie wurden sie in die Planung einbezogen? Welche Auswirkungen hat die Sanierung auf die Betriebskosten? Wir haben bei der Wohnungsbaugesellschaft nachgefragt, welche Rolle der soziale Anspruch bei der Sanierung spielte.
Zum Auftakt unserer Best-Practice-Reihe schauen wir auf ein innovatives Bauprojekt in Aschersleben, Sachsen-Anhalt. Hier wandelte das kommunale Wohnungsunternehmen, die Ascherslebener Gebäude- und Wohnungsgesellschaft mbH (AGW), zwei WBS 70 Plattenbauten in energieautarke Mehrgenerationenhäuser um. Ziel der Sanierung war – neben einer hohen Energieeffizienz und fossilfreien Beheizung der Wohnungen – die Häuser mit barrierefreien und familiengerechten Wohnungen auszustatten.

Vor Projektbeginn standen die Gebäude zur Hälfte leer. Ein geregelter Leerzug ermöglichte den Mieter:innen den Umzug innerhalb des Wohngebiets, bevor die Sanierung startete. Aus vielen kleinen Zweiraumwohnungen wurden zeitgemäße Zwei- bis Fünfraumwohnungen, teils barrierearm. Im Mittelpunkt des Sanierungsprojekts stand die großflächige Photovoltaikanlage (PV-Anlage) mit einer Leistung von 184 Kilowatt peak (kWp), die auf dem Dach sowie an drei Fassaden des Gebäudes installiert wurde. Um die Sonnenenergie optimal für das Autarkiekonzept zu nutzen, meigten die Planer das Dach in Richtung Sonne. Dafür mussten sie zwei Wohnetagen zurückbauen, schufen jedoch ein neues Dachgeschoss unter dem Pultdach.
Energieflatrate: Heizen und Strom inklusive
Die PV-Anlage liefert nicht nur den Strom für die Mieter:innenhaushalte, sondern auch für die Infrarotheizungen, die die Wohnungen mit Wärme versorgen. Gleichzeitig ermöglicht das Konzept eine Inklusivmiete mit Energieflatrate, die den Bewohner:innen Planungssicherheit bei den Energiekosten bietet. Die Inklusivmiete ist für fünf Jahre festgeschrieben. 60 Prozent des Bedarfs werden selbst erzeugt und 40 Prozent als Ökostrom von den Stadtwerken bezogen. Auch ein Car-Sharing-Elektroauto der Siedlung wird inzwischen mit dem Strom betrieben.
Für die Effizienz sorgt ein ausgeklügeltes Speicherkonzept. Photovoltaik-Akkus speichern den tagsüber erzeugten Strom für die Nutzung in der Nacht, während Warmwasser-Boiler und die Gebäudesubstanz selbst als zusätzliche Wärmespeicher dienen. Diese Maßnahmen ermöglichen es den Mieter:innen, während der Sommermonate nahezu vollständig unabhängig von externen Energiequellen zu leben.
Betonwände als Speicher
Infrarotheizungen bieten dank ihrer Effizienz und Wartungsfreundlichkeit eine langfristige Lösung für die Wärmeversorgung. Sie nutzen direkt den PV-Strom und bieten im Vergleich zu herkömmlichen Heizsystemen mehrere Vorteile: keine aufwendigen Rohrleitungen, geringere Montagekosten und eine nahezu wartungsfreie Nutzung.
Ein zentraler Aspekt des Konzepts ist die Speichermasse des Gebäudes: Die dichten Betonwände der WBS-70-Platte sind ein idealer Langzeitspeicher, sie geben die Wärme schrittweise in die Räume ab.
Allerdings ist die sogenannte Sanierungstiefe in der Fachwelt umstritten. Um ein maximal effizientes Energiesystem zu gewährleisten, sind umfassende Maßnahmen erforderlich – etwa die Dämmung der Gebäudehülle mit recyclefähigen Materialien sowie der Einbau von Iso-Fenstern. Nur wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind, kann ein Infrarotheizsystem in Kombination mit einer PV-Anlage wirtschaftlich und sinnvoll betrieben werden, da sowohl die Photovoltaik als auch die Heiztechnik mit vergleichsweise hohen Investitionskosten verbunden sind.
Ökologische und soziale Aspekte vereint
Das Projekt ist ein gutes Beispiel für nachhaltige Stadtentwicklung und zeigt, wie innovative Technologien und durchdachte Konzepte nicht nur die Energiekosten für Mieter:innen senken, sondern zugleich einen Beitrag zum Klimaschutz leisten können.
Im ersten fertiggestellten Haus zahlen die Mietenden 11,50 Euro pro Quadratmeter (mit Aufzug 12 Euro pro Quadratmeter). Zusätzlich fallen lediglich Kosten für Müllabfuhr, Internet und Telefonie an.
Sollte sich das Konzept bewähren, könnte es als Blaupause für weitere Sanierungen dienen, die ökologische und soziale Aspekte intelligent miteinander verbinden. Ob jedoch Photovoltaik und Infrarotheizungen auch für die Berliner WBS-70-Plattenbauten eine tragfähige Lösung für Energieautarkie darstellen, lässt sich pauschal nicht sagen. Fest steht: Inklusivmieten zwischen 11,50 und 14 Euro pro Quadratmeter sind auch für die Hauptstadt erstrebenswert – zumal die mittleren Angebotsmieten hier bereits zwischen 15 und 20 Euro – ohne Strom und Wärme – liegen.
fs
12.03.2025