Die Koalitionsvereinbarungen im Bund und in Berlin enthalten im Bereich Bauen, Wohnen und Miete zum Teil gute Ansätze, aber auch reichlich Augenwischerei und Leerstellen.
In den vergangenen Jahren haben sich vielerorts die Bedingungen für die Wohnraumversorgung breiter Schichten der Bevölkerung deutlich verschlechtert. Ganz besonders auch für die Mieterinnen und Mieter in Berlin. Es gilt, die Menschen vor überzogenen Wohnkosten und dem Verlust der Wohnung zu bewahren. Dazu muss neuer preisgünstiger Wohnraum geschaffen werden – unter der Sicherung der Klimaschutzziele. Schaffen die Koalitionsverträge im Bund und in Berlin eine Basis, um diese Herausforderungen bewältigen zu können?
Mieterschutz vor Neubau
So wichtig eine bedarfsgerechte Erhöhung des Wohnungsangebots durch Neubau auch ist, in bestehenden Mietverhältnissen „spielt die Musik“ – schon mengenmäßig. Knapp 1,7 Millionen Mietverhältnissen in Berlin stehen rund 70.000 neu geschaffene Wohnungen in der vergangenen Legislatur gegenüber. Aber selbst wenn es doppelt so viele Neubauten wären, würde die Bedeutung kaum größer. Man schätzt, dass es in Berlin pro Jahr zwischen 150.000 und 180.000 neue Mietverhältnisse durch Umzüge gibt. Auch das zeigt, dass der Mieter:innenschutz hier einen größeren Stellenwert hat als der Neubau, der ohnehin überwiegend für Haushalte mit höherem Einkommen zur Verfügung steht.
Im Vordergrund für Mieter und Mieterinnen steht daher ein verbesserter Schutz vor Mieterhöhungen und vor dem Verlust der Wohnung.
Mietpreisbremse scharf stellen
Leider bringt uns der Koalitionsvertrag der Ampel hier nicht voran, im Gegenteil besteht wegen des Evaluierungsauftrags sogar das Risiko von Verschlechterungen des Mietrechts. Besonders ärgerlich: Beim Abschluss von neuen Mietverträgen gibt es keine Verbesserung. Die nur mäßig wirkende Mietpreisbremse wird zwar verlängert, aber nicht scharf gestellt. Auch gegen Mietpreisüberhöhungen oder Mietwucher wird es nach dem Willen der Ampel keine Instrumente geben. Lediglich bei den Bestandsmietverhältnissen werden Mieterhöhungsmöglichkeiten in Gebieten mit erhöhtem Wohnbedarf von aktuell 15 auf elf Prozent in drei Jahren beschränkt. Die beabsichtigten Änderungen beim Mietspiegel sind weitestgehend Kosmetik und werden bei den Mieterhöhungen nichts bewirken. Auch beim Kündigungsschutz geht es nicht voran. Außer Prüfungen ist nichts vereinbart.
Es ist bitter festzustellen, dass sich beim Mietrecht die FDP weitreichend durchgesetzt hat. Schließlich sahen die Wahlprogramme von SPD und Grünen recht umfangreiche Mieterschutzregelungen vor. Wir erwarten nun mit Spannung, wie die neue Berliner Landesregierung die im Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und Linken vereinbarten Bundesratsinitiativen zum Mietrecht verfolgt. Immerhin wird darin ein Mietenmoratorium, eine reformierte Modernisierungsumlage und eine Schärfung der Mietpreisbremse sowie des „Wucherparagrafen“ (§ 5 Wirtschaftsstrafgesetz) vorgeschlagen.
Neue Wohnungsgemeinnützigkeit
Lichtblicke aus im Koalitionsvertrag der Ampel sind die Einführung einer neuen Wohnungsgemeinnützigkeit und die Beschränkung von Share Deals. Auch sieht die Vereinbarung der Ampel-Parteien vor, dass 100.000 Sozialwohnungen pro Jahr entstehen sollen. Wie das aber vor Ort umgesetzt werden soll und ob ausreichend Finanzmittel des Bundes und der Länder zur Verfügung stehen, ist nicht ausgemacht. So wird weder am Bodenrecht noch bei den Bodenpreisen irgendein Regulierungsbedarf gesehen, was geförderten Wohnungsbau im Innern der Ballungsräume und Großstädte wohl nahezu unerreichbar werden lässt. Damit dürfte die Zielzahl zwar ehrgeizig sein, aber wenig Aussicht auf Erfüllung bieten.
In der vergangenen Legislatur wurden im Schnitt nicht mehr als 27.000 Sozialwohnungen jährlich bundesweit genehmigt. Wie die neue Bundesregierung nun insgesamt 400.000 Wohnungen pro Jahr neu errichtet sehen möchte, bleibt ihr Geheimnis. Der Mieterverein jedenfalls sieht wie viele andere Expert:innen für 300.000 teure Neubauwohnungen – egal ob sie vermietet oder als Eigentum verkauft werden – keinen Bedarf mehr. Von den negativen Folgen für den Klimaschutz ganz zu schweigen. Für die „bauen, bauen, bauen“-Strategie gibt es keine Berechtigung.
Neubau allein genügt nicht
Umso bedauerlicher, dass sich offenbar auch in Berlin Grüne und Linke dem von der SPD-Spitzenkandidatin Franziska Giffey eingeforderten Neubau-Irrglauben haben einfangen lassen. Dabei steht nach einigen Jahren, in denen der Neubau stets hinter der steigenden Nachfrage zurückblieb, fest: Der Anstieg von Fertigstellungen hat weder auf das Preisniveau bei Wiedervermietung noch auf die Entwicklung der Bestandsmieten einen dämpfenden Effekt gehabt. Die durchschnittliche Angebotsmiete ist nach heftigem Anstieg bei zehn bis elf Euro pro Quadratmeter (netto, kalt) angekommen. Auch in Bestandsmietverhältnissen stiegen die Mieten deutlich, einzig Mietendeckel und Fortschreibungsmietspiegel konnten in den vergangenen zwei Jahren für eine Dämpfung sorgen.
Volksentscheid ernst nehmen
Der erhoffte Anteil von 50 Prozent Gemeinwohlwohnungen am Neubau ist sicher wünschenswert, ja eher noch zu niedrig angesetzt. Bei den extrem hohen Zielzahlen dürfte der gewünschte Anteil für breite Schichten der Bevölkerung wohl kaum zu erreichen sein. Schon in der Vergangenheit konnte der Berliner Senat seine Vorgaben zumindest im sozialen Wohnungsneubau nicht erreichen. Der Abbau bürokratischer Hindernisse und die Verkürzung von Planungsverfahren mögen sinnvoll sein. Dass deshalb aber signifikant mehr Eigentümer investieren wollen, bezweifeln wir.
Ein weiterhin brisantes Thema ist der Umgang mit dem erfolgreichen Volksentscheid zur Vergesellschaftung großer Wohnungsunternehmen. Der neue Senat will zunächst eine Expert:innenkommission einsetzen. Soweit so gut. Allerdings lässt der Zeitplan doch auf eine nicht erforderliche Verzögerungstaktik schließen. Erst 2023 soll es Eckpunkte für einen Gesetzentwurf geben, ein Gesetz selbst könnte dann erst 2024 folgen. Der Berliner Koalitionsvertrag lässt leider überhaupt nicht erkennen, mit welchem Verfahren man die politisch unterschiedlichen Auffassungen unter den Koalitionspartnern ausräumen will. Das Thema wird also zu einem Dauerbrenner.
17.12.2021