Manche Preiserhöhungen machen stutzig und lassen vermuten: Die Anbieter der Produkte nehmen, was sie bekommen können. In diesem Verdacht stehen zurzeit einige Gasversorger. Doch mit einem haben sie nicht gerechnet: mit dem Aufschrei der Verbraucher, die sich wehren.
Die Preise der Berliner Gasag stiegen im Dezember für Privatkunden um sechs bis acht Prozent. Für einen Haushalt mit einem Jahresverbrauch von 12.000 Kilowattstunden Gas bedeutet das eine Mehrbelastung von 3,50 Euro pro Monat.
Begründet werden die Erhöhungen mit den gestiegenen Kosten für den Bezug von Gas. Dazu muss man wissen, dass der Gaspreis an den Ölpreis gekoppelt ist. Dies ist aber kein Gesetz, sondern eine Vereinbarung zwischen Wirtschaft und Industrie, um Energiekosten kalkulierbar zu machen. Höhere Ölpreise führen demnach in Abständen von mehreren Monaten zu höheren Gaspreisen Verbraucherschützer hatten es da nicht sonderlich schwer, eine Lawine des Protests loszutreten. Tatsächlich darf ein Versorger seine Preise nicht beliebig erhöhen, sondern Einkaufspreise nur nach „billigem Ermessen“ an seine Kunden weitergeben, leitet etwa der Bund der Energieverbraucher (BdE) aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch ab (§ 315). Und diese Grenze zur Billigkeit sei mit dem jüngsten Gebaren gesprengt.
Billiges Ermessen – teurer Preis
Der BdE startete eine Kampagne und rief dazu auf, einen Teil der Preiserhöhung einfach einzubehalten und dies dem lokalen Versorger schriftlich mitzuteilen. Allenfalls zwei Prozent seien als Erhöhung akzeptabel, und nur die sollte man zahlen – neben dem sowieso fälligen Abschlag, versteht sich. Denn die Gaspreise privater Haushalte seien schon im Jahr 2003 gegenüber dem Vorjahr um 370 Prozent mehr als der Gasimportpreis angehoben worden, errechnete der BdE. Jeder Haushalt zahle „50 Euro jährlich zu viel fürs Gas“, so der BdE-Vorstand Aribert Peters. Die Preise müssten eigentlich sinken. Das Bundeskartellamt leitete mehrere Verfahren gegen Versorger ein.
Auch Verbraucherzentralen und der Deutsche Mieterbund (DMB) rufen auf, sich zu wehren. „Die einseitige Erhöhung der Gaspreise ist nach unserer Auffassung nicht verbindlich“, kritisierte DMB-Direktor Dr. Franz-Georg Rips Ende Dezember.
Allerdings lassen sich zwei Strömungen des Protests feststellen. Die einen – darunter der BdE – meinen, die Erhöhung sollte gar nicht oder der alte Preis nur „zuzüglich eines Sicherheitsaufschlages“ von zwei Prozent gezahlt werden. Die anderen – unter anderem der Berliner Mieterverein (BMV) – raten: Der Rechnungsbetrag solle einschließlich der Erhöhung komplett überwiesen werden, der erhöhte Anteil aber ausdrücklich unter dem Vorbehalt der Rückforderung. Bei Nichtzahlung bestehe „ein nicht unerhebliches Prozesskostenrisiko“, heißt es beim BMV. „Wenn rechtskräftig entschieden ist, dass die Gaspreiserhöhung unangemessen ist, kann der Erhöhungsbetrag zurückgefordert werden“, so Hauptgeschäftsführer Hartmann Vetter. Ein solcher Prozess kann sich indes über Jahre ziehen – sofern er überhaupt grundsätzlich geführt wird, denn die Gasversorger müssten dann ihre interne Kalkulationsbasis öffentlich machen.
Während Direktkunden, etwa bei einer Gasetagenheizung, unmittelbar reagieren können, ist der Weg für Mieter mit zentraler Gasheizung im Haus zeitlich etwas verzögert. Sie erfahren von einer etwaigen Preiserhöhung erst mit der nächsten Abrechnung für Heizung und Warmwasser durch den Vermieter. Allerdings habe hier nach Auffassung des DMB der Vermieter seinerseits „die Preiserhöhung des Versorgers zu prüfen und gegebenenfalls zurückzuweisen“. Bleibt der untätig, laufe er Gefahr, gegen das Gebot der Wirtschaftlichkeit zu verstoßen – was auf einen Rechtsstreit mit dem Mieter hinauslaufen könnte. Dies erkennen offenbar auch die Hausbesitzer: Inzwischen beteiligt sich auch die Organisation „Haus & Grund“ an dem Protest gegen die Erhöhungen.
alo
MieterMagazin 1+2/05
„Preiserhöhung nicht akzeptieren“: DMB-Bundesdirektor Dr. Franz-Georg Rips
Foto: Michael Jespersen
Verbranntes Geld? Gegen die Preiserhöhungen der Gasversorger hagelt es Proteste
Foto: Rolf Schulten
Widerspruch unter Vorbehalt
„Hiermit widerspreche ich Ihrer erhöhten Gaspreisforderung und zahle den geforderten Betrag unter Vorbehalt und ohne Anerkennung einer Rechtspflicht.“
Auszug aus dem Musterschreiben des BMV an den Gasversorger, zu finden im Internet unter
www.berliner- mieterverein.de oder erhältlich in der Hauptgeschäftsstelle.
alo
04.08.2013