Vor drei Jahren wurden für Erwerbsfähige Arbeitslosen- und Sozialhilfe zum Arbeitslosengeld II (ALG II) zusammengelegt. ALG II-Empfänger erhalten seitdem für Unterkunft und Lebensunterhalt die gleichen Leistungen wie Empfänger von Sozialhilfe oder von Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung.
Die Frage, wer Arbeitslosengeld II, wer „Hilfe zum Lebensunterhalt“ (Sozialhilfe) und wer „Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung“ bekommt, hängt ab vom Grad der Erwerbsfähigkeit (siehe „Wer hat Anspruch?“ unten auf dieser Seite). Zuständig für ALG II sind die Job-Center, für die beiden anderen Leistungen die Sozialämter.
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Grundlage für die Übernahme der Wohnungsmiete ist für alle gleichermaßen die „Ausführungsverordnung Wohnen“. In ihr sind die „angemessenen Kosten“ für Unterkunft und Heizung festgelegt. Wurden diese als angemessen eingestuft, werden sowohl die Nettokaltmiete als auch die Betriebs- und Heizkostenvorauszahlung in voller Höhe von der Kommune übernommen. Die Heizkostenvorschüsse werden unabhängig von der Heizungsart gezahlt. Wer zum Beispiel noch mit Kohleöfen heizt, kann dafür eine gesonderte Pauschale beantragen. Übernommen werden auch Betriebs- und Heizkostennachzahlungen. Wer auf der Jahresabrechnung allerdings ein Plus stehen hat, ist verpflichtet, dieses Geld zurückzugeben.
Die Beträge wurden angepasst. Informationen dazu in
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360 Euro darf eine Wohnung inklusive Betriebs- und Heizkosten für eine einzelne Person kosten, 444 Euro eine Wohnung für zwei, 542 Euro eine Wohnung für drei Personen und so weiter. Ist die Miete höher, können die Bewohner unter Umständen dazu aufgefordert werden, die Wohnkosten durch Untervermietung oder Umzug zu senken. Dafür hat man in der Regel ein halbes Jahr Zeit. Das kann auch dann passieren, wenn die Miete infolge einer Modernisierung steigt und dann die Grenzen der „Angemessenheit“ überschreitet. In begründeten Einzelfällen dürfen die Wohnkosten bei bestehenden Mietverhältnissen um bis zu zehn Prozent über den genannten Richtwerten liegen. Das gilt insbesondere für Alleinerziehende, für Schwangere, für langjährige Mieter oder auch für diejenigen, bei denen in absehbarer Zeit kostendeckende Einkünfte zu erwarten sind. „Bei einer geringfügig über den Grenzen liegenden Miete sagen die Job-Center bislang erfahrungsgemäß nichts“, weiß Katrin Schwabow, Fachbereichsleiterin Soziale Dienste beim Berliner Beratungsverein „mitHilfe“. Schließlich müssen die Kommunen die Kosten für einen Umzug tragen, wenn sie ihn selbst veranlasst haben. Liegen die Umzugskosten über der Differenz, die zwischen angemessener und höherer Miete innerhalb von zwei Jahren anfällt, kann der Mieter in seiner Wohnung bleiben. „Bezieher der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung werden in der Regel gar nicht zur Senkung der Wohnkosten aufgefordert“, so Ekkehard Hayner, Berater bei der „Gemeinnützigen Gesellschaft zur Betreuung Wohnungsloser und sozial Schwacher“ (Gebewo). Das gilt erst recht für Menschen, die in einer behindertengerechten Wohnung leben und darauf auch angewiesen sind.
Wichtig ist: Bevor man einen neuen Mietvertrag abschließt, muss man beim Job-Center die Bestätigung einholen, dass die neue Miete angemessen ist und übernommen wird. Wer freiwillig umziehen will, muss das dem Job-Center oder Sozialamt gegenüber gut begründen können. „Schwer haben es hier besonders diejenigen, die aus gesundheitlichen Gründen ihre Wohnung wechseln wollen“, weiß Schwabow. Wer etwa eine feuchte Wohnung als Begründung anführe, müsse eine tatsächliche Gesundheitsgefährdung nachweisen. Schwabow: „Ein freiwilliger Umzug ist bei den Job-Centern ziemlich schwierig durchzusetzen – es sei denn, die neue Wohnung ist günstiger.“ Einfacher ist es, wenn man umziehen will, um eine Tätigkeit außerhalb Berlins aufzunehmen, oder man unzumutbar beengt lebt. 30 Quadratmeter Wohnfläche für zwei Personen werden zum Beispiel als Mindeststandard angesehen. Bei weniger Platz hat man gute Chancen auf Genehmigung eines Umzugs.
„Es hat durch Hartz IV keine Massenumzüge gegeben“, so Schwabow. Laut Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales wurden im vergangenen Jahr von Januar bis September 7234 Menschen zur Senkung ihrer Wohnkosten aufgefordert. 537 Betroffene sind in eine neue, günstigere Wohnung umgezogen, während die Mehrzahl die Kosten meist durch Untervermietung reduziert hat. Möglich ist es theoretisch auch, den Differenzbetrag zur angemessenen Miete aus eigener Tasche zu bezahlen. „Dass die Betroffenen dies aus dem Regelsatz bestreiten, wird von den Behörden allerdings meist nicht akzeptiert, da die Gefahr besteht, dass sich über kurz oder lang Mietschulden auftürmen“, sagt Schwabow. Bessere Chancen haben da ALG II-Empfänger, die zusätzlich einen 1-Euro-Job ausüben und da-durch etwas mehr Geld zur Verfügung haben.
Wurde der Umzug vom Job-Center veranlasst, werden in der Regel auch die Mietkaution oder zu entrichtende Genossenschaftsanteile übernommen. Auch das muss man sich aber vorher vom Job-Center ausdrücklich zusichern lassen. Außerdem müssen alle zur Verfügung stehenden finanziellen Möglichkeiten ausgeschöpft werden – zum Beispiel die Verwendung der Mietkaution, die nach Beendigung des alten Mietverhältnisses ausgezahlt wird. Mietkautionen oder Genossenschaftsanteile werden vom Amt als Darlehen gewährt. In der Vergangenheit mussten Betroffene dieses Darlehen oft in monatlichen Raten an die Job-Center zurückzahlen. „In mehreren Urteilen, zum Beispiel der Landessozialgerichte in Baden-Württemberg und Hessen, wurde diese Praxis jedoch als rechtswidrig und ALG II-Empfängern nicht zumutbar angesehen“, so Schwabow. Die nun häufiger praktizierte Alternative ist eine Abtretungserklärung des Mieters über Kaution oder Genossenschaftsanteile an das zuständige Job-Center.
Wer aufgefordert wird, sich eine günstigere Wohnung zu suchen, hat kein Sonderkündigungsrecht gegenüber dem Vermieter. Eine doppelte Miete wird aber nur im Ausnahmefall durch die Kommune gezahlt. „Diese Regelung ist praxisfern“, moniert Schwabow. Denn ist eine Wohnung frei, legen Vermieter Wert auf schnelle Neuvermietung und warten nicht ab, bis ein Interessent aus seinem alten Mietvertrag heraus ist. Betroffenen bleibt nur die Möglichkeit, ihre Wohnungssuche genau zu dokumentieren und so darzulegen, dass eine doppelte Mietzahlung unvermeidbar ist.
Besonders schwer zu beantworten ist nach den Erfahrungen der Beratungsstellen die Frage, ob Mietschulden vom Job-Center ausgeglichen werden. Das ist grundsätzlich nur für eine als angemessen eingestufte Wohnung möglich und auch dann lediglich in Ausnahmefällen: etwa wenn Wohnungslosigkeit droht und eine drohende Räumung abgewendet werden kann. „Die Praxis in Berlin ist uneinheitlich“, hat Hayner beim Thema Mietschulden oft festgestellt. Ein Teil der Job-Center kooperiert systematisch in allen Einzelfällen mit den sozialen Wohnhilfen der Bezirksämter. Die Hilfesuchenden würden hier in der Regel adäquat unterstützt. Doch das ist nicht überall der Fall. Zwei Beispiele: In Friedrichshain-Kreuzberg würden in vier von fünf Fällen die Mietschulden übernommen, in Reinickendorf sei das Verhältnis umgekehrt. Hayner: „Der Senat muss hier dringend einheitliche Regeln erlassen, damit nicht ausschlaggebend ist, wo man wohnt.“ Wenig zufriedenstellend ist die Situation in Neukölln, wie mehrere Beratungsstellen bestätigen. Wer dort Mietschulden hat, dem wird zum Schuldenausgleich eine Frist von zwei Monaten gesetzt. „Bis in Neukölln ein Antrag auf Schuldübernahme überhaupt bearbeitet wird, vergehen teilweise schon zwei bis drei Monate. Dann sitzen die Leute schon auf der Straße“, so Schwabow. Mietschulden sind ein wachsendes Problem. Claus Richter von der Landesarbeitsgemeinschaft Schuldner- und Insolvenzberatung Berlin: „Wir merken einen deutlichen Anstieg bei der Kurz- und Krisenberatung, wo es in erheblichem Maße um Mietschulden und den drohenden Verlust der Wohnung geht.“
Dass die Zusammenarbeit mit den Job-Centern oftmals schwieriger ist als die mit den Sozialämtern, hat mehrere Gründe: „Während die Angestellten in den Sozialämtern in der Regel auf jahrelange Erfahrung zurückgreifen können, sitzen in den Job-Centern häufig Mitarbeiter, die berufsfremd sind und auch nicht ausreichend geschult wurden“, so Schwabow. Außerdem sind die Job-Center nun für die Mehrzahl der Hilfeempfänger zuständig und entsprechend überlastet. Alkohol- und suchtkranke Menschen sind ebenso wie Obdachlose plötzlich in deren Zuständigkeitsbereich gelandet, obwohl sie oft nicht auf dem Arbeitsmarkt zu vermitteln sind. „Die Mitarbeiter in den Job-Centern sind häufig mit der Fülle der Bestimmungen überfordert“, hat Katrin Schwabow erlebt. Deshalb begleitet sie ihre Klienten immer wieder mit dem Gesetzbuch und den Ausführungsvorschriften unterm Arm zum Job-Center. Ihr Fazit: „Selbst dann ist es manchmal schwierig, zu seinem Recht zu kommen.“
Kristina Simons
Wer hat Anspruch?
Arbeitslosengeld II kann beantragen, wer kein Geld von der Arbeitslosenversicherung (Arbeitslosengeld I) bekommt, zwischen 15 und 65 Jahre alt ist, mindestens drei Stunden täglich arbeiten, aber seinen Lebensunterhalt nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen bestreiten kann. Es kann auch ergänzend zum ALG I oder zu einem niedrigen Einkommen gezahlt werden. Im Jahr 2005 – neuere Zahlen liegen nicht vor – lebten in Berlin 404517 ALG II-Empfänger. Zuständig für sie sind die Job-Center: Arbeitsgemeinschaften aus einer Agentur für Arbeit und der Kommune. Rechtsgrundlage ist das Sozialgesetzbuch (SGB) II.
Auf Hilfe zum Lebensunterhalt, also Sozialhilfe im engeren Sinn, haben seit 2005 nur noch zeitweise Erwerbsunfähige, Vorruheständler mit niedriger Rente, längerfristig Erkrankte und hilfebedürftige Kinder von nicht hilfebedürftigen Eltern Anspruch. Im Jahr 2006 waren das 22980 Berliner. Die Sozialhilfe ist eine Notstandshilfe. Andere Leistungen, zum Beispiel Unterhalt, haben grundsätzlich Vorrang und werden auf die Sozialhilfe angerechnet.
Wer hingegen über 18 Jahre ist und dauerhaft weniger als drei Stunden arbeiten kann oder wer älter als 65 ist, hat Anspruch auf „Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung“. 2006 betraf das in Berlin 51922 Menschen. Diese Grundsicherung ist eine bedarfsorientierte Leistung, durch die die Zahlung von Sozialhilfe vermieden werden soll. Anders als bei der Sozialhilfe wird das Einkommen von Kindern oder Eltern nicht angetastet.
Für Sozialhilfe und „Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung“ sind die Bezirksämter und hier in der Regel die Sozialämter zuständig. Rechtsgrundlage ist für beide Leistungen das SGB II.
Vergünstigungen bei TV und BVG
Wer ALG II, Sozialhilfe oder Grundsicherung erhält oder in einer Bedarfsgemeinschaft mit einer solchen Person lebt, kann bei der Gebühreneinzugszentrale (GEZ) eine Befreiung von den Rundfunkgebühren beantragen. Antrag und weitere Informationen im Internet unter
https://www.rundfunkbeitrag.de/buergerinnen_und_buerger/formulare/befreiung_oder_ermaessigung_beantragen/index_ger.html.
Der gleiche Personenkreis kann sich vom Job-Center beziehungsweise Sozialamt eine Kundenkarte („Berlin-Ticket S“) für den öffentlichen Nahverkehr ausstellen lassen. Eine Wertmarke für den jeweils gültigen Monat gibt es bei den Verkaufsstellen von BVG und S-Bahn. Dieses Sozialticket gilt nur für den Tarifbereich AB und kostet 33,50 Euro im Monat. Mit dem Berlin-Ticket S gibt es außerdem vergünstigten Eintritt zum Beispiel im Theater oder im Schwimmbad.
Neue Wände, neue Möbel
Renovierungskosten oder Schönheitsreparaturen zählen nicht zu den Leistungen für die Unterkunft. Nur wer als Erwerbsfähiger nachweisen kann, dass eine Renovierung unbedingt notwendig ist, kann dafür ein Darlehen beantragen. Die Renovierungsarbeiten muss er allerdings in der Regel selber durchführen. Empfänger von Sozialhilfe oder „Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung“ haben es leichter: Bei ihnen wird eher davon ausgegangen, dass sie eine Renovierung nicht in Eigenleistung erbringen können. Sie können die Arbeiten durch eine Fachfirma erledigen lassen und dafür eine einmalige Beihilfe von der Kommune beantragen.
In Einzelfällen übernehmen Job-Center oder Sozialämter die Erstausstattung für eine Wohnung, also für Möbel, Haushaltsgeräte oder auch Gardinen. Das gilt insbesondere für junge Menschen, die die erste eige-ne Wohnung beziehen. Auch nach einem Wohnungsbrand werden die Kosten meist übernommen.
„Warmwasserregelung“
Für Strom und Warmwasser wird eine Energiepauschale angesetzt, die in dem monatlichen Regelsatz für den Lebensunterhalt enthalten ist. Bei einem Alleinstehenden sind das zum Beispiel 9 Euro. Wird das Warmwasser jedoch über eine zentrale Versorgungsanlage erzeugt, für die es ja im Rahmen der Unterkunftskosten Geld gibt, können diese 9 Euro vom monatlichen Regelsatz – derzeit 347 Euro – abgezogen werden.
Hilfreiche Internetadressen:
https://www.berlin.de/sen/soziales/
Informationen der Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales
www.arbeitsagentur.de/
Informationen der Agentur für Arbeit
www.tacheles-sozialhilfe.de
Viele Informationen und Adressverzeichnis über Beratungsstellen, Rechtsanwälte und Initiativen zum Arbeitslosen- und Sozialhilferecht
www.sozialgesetzbuch-bundessozialhilfegesetz.de
Texte sämtlicher Sozialgesetzbücher
www.sozialgerichtsbarkeit.de
Sozialrechts-Urteile
www.schuldnerberatung-berlin.de
Kostenlose Online-Beratung der Landesarbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung Berlin e.V.
Leitfaden für ALG II/Sozialhilfe von A-Z:
Bestellungen ausschließlich über die AG TuWas
per E-Mail: agtuwas@web.de
oder per Fax: 069-15332633
Preis: 8 Euro inklusive Versand
MieterMagazin 1+2/08
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Foto: Christian Muhrbeck
Wer Sozialhilfe oder Grundsicherung beantragen will, ist bei den Bezirksämtern an der richtigen Adresse.
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26.01.2020