In seiner Ausgabe 4/10 berichtete das MieterMagazin unter der Überschrift „Bewohner müssen Kirchenzentrum weichen“ über die Entmietung eines ehemaligen Seniorenwohnhauses in Moabit. Nachdem nun ein Großteil der Mieter ausgezogen ist, wurden die Neubaupläne abgesagt. Für den Bezirk Mitte ist das ein peinlicher Vorgang, denn er hatte den Auszug mit einem Sozialplanverfahren unterstützt.
Mittlerweile wohnen nur noch 16 von ehemals 57 zum Teil hochbetagten Senioren in der Lehrter Straße 67/Seydlitzstraße 21/22. Das ehemals bezirkliche Seniorenwohnhaus war 2008 an die Berliner Stadtmission verkauft worden. Anfang 2010 erfuhren die geschockten Bewohner, dass ihr Haus abgerissen wird und sie bis Ende des Jahres ausziehen mussten.
Das Diakonische Werk und der Evangelische Entwicklungsdienst planten, gemeinsam mit der Stadtmission auf dem Grundstück ein „Evangelisches Zentrum für Entwicklung und Diakonie“ zu errichten. Ein Bauantrag war zwar noch nicht gestellt worden, doch der Bezirk befürwortete das Bauvorhaben direkt hinter dem Hauptbahnhof. Um den Zwangsauszug wenigstens sozial abzufedern, entschied sich das Bezirksamt, einen Sozialplan aufzustellen. Die Mieter wurden bei der Wohnungssuche unterstützt, die Stadtmission übernahm die Umzugskosten sowie die Differenz zur bisherigen Miete. Doch im November letzten Jahres wurde das 17-Millionen-Projekt abgesagt, mittlerweile wurde ein anderer Standort in der Invalidenstraße gefunden. Zur Begründung heißt es bei den beteiligten Organisationen, dass der Zeitplan nicht einzuhalten gewesen sei. Offenbar war die Entmietung nicht schnell genug vorangegangen. „Das ist sehr unglücklich gelaufen“, räumt Sozialstadtrat Stephan von Dassel (Die Grünen) ein. Forderungen nach Schadensersatz oder einem Rückzug der Mieter will der Bezirk Mitte trotzdem nicht nachkommen. „Viele Senioren haben sich verbessert und konnten in barrierefreie Wohnungen in der Lehrter Straße 69 A ziehen“, meint der Bezirksstadtrat.
Susanne Torka vom Betroffenenrat Lehrter Straße sieht das etwas anders: „Die Ängste und die Aufregung über den Umzug waren sehr groß, viele schätzten auch die vormals gute Hausgemeinschaft und wollten nicht weg.“
Die Stadtmission hält unterdessen an den Abrissplänen fest. „Wir wollen mit den noch verbliebenen Mietern bis zum Sommer Vereinbarungen erzielen“, erklärt Geschäftsführer Martin Zwick. Kündigungen würden aber nach wie vor nicht ausgesprochen. Nähere Angaben zur künftigen Nutzung will Zwick aber nicht machen. Man müsse sich erst einmal neu orientieren.
Birgit Leiß
MieterMagazin 1+2/11
Wegen Neubauplänen wurde dieses Seniorenwohnhaus fast komplett entmietet – jetzt sind die Pläne hinfällig
Foto: Christian Muhrbeck
03.05.2018