Erneut nennt der Verband der Berlin-Brandenburgischen Wohnungsunternehmen die aktuelle Mietenentwicklung „moderat“. Auch der Prozess einer „weiteren sozialen Ausdifferenzierung“ sei für eine Metropole wie Berlin normal. Der Berliner Mieterverein findet diese Wohnungsmarkteinschätzung zynisch. Es sei keineswegs akzeptabel, dass einkommensschwache, bisher in den Innenbezirken angesiedelte Haushalte bei einer Wohnungssuche an den Stadtrand gedrängt werden.
Alljährlich zum Jahresende veröffentlicht der Verband der Berlin-Brandenburgischen Wohnungsunternehmen (BBU) seinen „Marktmonitor“. Dieser beinhaltet die Mietenentwicklung in rund 550.000 Wohnungen von Berliner BBU-Mitgliedsunternehmen.
Der Verband hat eine Erhöhung der Bestandsmieten um 2,3 Prozent im Mittel (Vorjahressteigerung: 1,9 Prozent) festgestellt. Die Durchschnittsmiete bei BBU-Wohnungsunternehmen beträgt 4,92 Euro pro Quadratmeter (Vorjahr: 4,81 Euro). Am teuersten wohnt es sich in Charlottenburg-Wilmersdorf (5,35 Euro), Steglitz-Zehlendorf (5,27 Euro) und in Friedrichshain-Kreuzberg (5,13 Euro). Auffällig: die Entwicklung der Neuköllner Bestandsmieten, die um 2,8 Prozent nach oben gingen und dem Bezirk Platz zwei im Mietenteuerungs-Ranking einbringen.
Bei den Neuvertragsmieten zeige der Vergleich der Werte, dass die Mieten gegenüber den beiden Vorjahren „etwas schneller gestiegen“ seien: Für die gleiche durchschnittliche BBU-Wohnung, die im Vorjahr noch für 5,27 Euro zu haben war, nimmt der Vermieter nunmehr 5,48 Euro, ein Plus von 4 Prozent, rund 5 Prozent über den Mietspiegelwerten.
Dass Mittelwerte indes ein nur unscharfes Bild von der kleinräumlichen Situation in den Bezirken zeichnen und Ausstattungsmerkmale, Gebäudetypen, Infrastruktur und „Beliebtheit“ eine wichtige Rolle spielen, belegt der Umstand, dass der Durchschnittswert von 5,48 Euro eine Spanne von Neuvertragsabschlüssen zu 11,25 Euro pro Quadratmeter in einem Gebäude in Pankow bis hinab zu einem Euro pro Quadratmeter in einer Marzahn-Hellersdorfer Plattenwohnung umfasst.
Mittelwerte sind trügerisch
An der prinzipiellen Feststellung, dass sich das Preis-Karussell schneller dreht, kommt indessen auch der BBU nicht vorbei, doch er malt ein optimistisch stimmendes Bild: „Die Mieten spiegeln das Prosperieren der Stadt.“ Eine Analyse der Sozialindikatoren zeige eine positive Berliner Entwicklung: weniger Arbeitslosigkeit, höhere Einkommen – vor allem in den Innerstadt-Quartieren.
Vorstandsmitglied Maren Kern nennt auch die drei auffälligsten Faktoren in diesen Gebieten: „Der starke Zuzug von Neu-Berlinern, der überdurchschnittliche Rückgang der Zahl von ALG-II-Haushalten und eine sehr deutliche Aufwärtsentwicklung der Haushaltseinkommen.“ Sie verschweigt aber, dass sie damit die Wesensmerkmale eines galoppierenden Gentrifizierungsprozesses beschreibt: der Wegzug einkommensschwacher Haushalte und ALG-II-Bezieher an den Stadtrand und das Nachrücken gutverdienender Neuberliner in die innerstädtischen Wohngebiete.
„Diese sogenannte Wanderung ist keine“, so der Geschäftsführer des Berliner Mietervereins, Reiner Wild, „denn sie geschieht nicht freiwillig.“ Die betreffenden Haushalte könnten sich das Wohnen in der Innenstadt einfach nicht mehr leisten oder finden dort keinen Wohnraum zu den den Hartz-IV-Empfängern auferlegten Mietobergrenzen. Wild: „Das ist nichts anderes als eine Verdrängung.“ Der Prozess sei auch in der von BBU-Vorstandsmitglied Maren Kern als „besonders erfreulich“ wahrgenommenen „überdurchschnittlichen Einkommensentwicklung in Neukölln“ erkennbar. Eine Studie des Senats zu den sozialen Umwälzungen in den Nord-Neuköllner Quartieren wird ihr möglicherweise Ursache und Wirkung verdeutlichen – wenn der neue Stadtentwicklungssenator Michael Müller das bislang unveröffentlichte Werk denn freigibt.
Udo Hildenstab
MieterMagazin 1+2/12
Nord-Neukölln zieht mit großen Schritten bei den Mietpreisen nach: Hinterhof-Moschee in der Reuterstraße
Foto: Sabine Münch
BBU-Marktmonitor im Internet
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Andere Zahlen – gleicher Trend
Auch der Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen (GdW), größter Dachverband der Branche, legte eine Analyse der Lage des Wohnungs- und Immobilienmarktes in Deutschland vor. Bei Erst- und Wiedervermietung in den großen Städten steigen die Mieten dem Bericht zufolge jährlich um 2,5 bis 3,6 Prozent – aus Sicht der Immobilienunternehmen ein „Positivtrend“. In Berlin stiegen die Bestandsmieten im Berichtszeitraum jährlich um 1,4 Prozent. Der BBU spricht in seinen Beständen von 2,3 Prozent im Jahr 2010.
rb
17.12.2015