Die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen ist für Immobilienentwickler einträglich – für die Mieter hingegen beängstigend. Das florierende Geschäft erzeugt einen hohen Verdrängungsdruck auf Bewohner und ist ein wahrer Mietsteigerungsmotor. Der Senat könnte diese Dynamik in Milieuschutzgebieten stoppen. Wenn er denn wollte.
„Milieuschutz und Erhaltungssatzungen müssen modernisiert und praxisgerecht weiterentwickelt werden“, heißt es in der Koalitionsvereinbarung von SPD und CDU. Dabei solle auch die Möglichkeit von Umwandlungsverboten geprüft werden. In seinem ersten Jahr ließ der Senat den Worten allerdings keine Taten folgen. Auf einer vom Bezirksamt Pankow veranstalteten Fachtagung zu künftigen Strategien einer sozialen Stadtentwicklung kamen denn aber Argumente für eine Umwandlungsverordnung auf den Tisch, an denen der Senat nicht einfach vorbeigehen kann.
Die Umwandlung von Mietwohnungen in Einzeleigentum schreitet in Berlin mit großen Schritten voran. Zwischen 2001 und 2010 sind über 76.000 Wohnungen umgewandelt worden. Dahinter steckt weniger ein Trend zur Eigentumsbildung für den eigenen Wohnbedarf als vielmehr ein profitables Geschäft. Die wenigsten Wohnungen werden von Selbstnutzern gekauft, in der Regel ist die Wohnung eine reine Kapitalanlage und wird weiter vermietet.
„Mit der Umwandlung geht fast immer eine aktive Entmietung im Vorfeld einher“, sagt Heinz Lochner von S.T.E.R.N., dem Sanierungsbeauftragten in Prenzlauer Berg. Zudem werden dabei oft kleine Wohnungen zusammengelegt. Im Sanierungsgebiet Helmholtzplatz sind so 1000 Kleinwohnungen vom Markt verschwunden. „Das sind Angebotsverluste, die Geringverdienende treffen“, erklärt Christoph Speckmann, Leiter der Pankower Sanierungs- und Milieuschutzstelle. Um beim Verkauf hohe Preise zu erzielen, werden die Wohnungen überdurchschnittlich ausgestattet. Und weil man den Kaufinteressenten oft eine unrealistisch hohe Rendite verspricht, werden in umgewandelten Häusern die Mieterhöhungsspielräume konsequent ausgenutzt.
Deutlich teurere Mieten nach Umwandlung
Dies ist besonders in innerstädtischen Lagen zu beobachten. So sind im Friedrichshainer Milieuschutzgebiet Boxhagener Platz schon 23 Prozent aller Wohnungen in Einzeleigentum umgewandelt worden. In den Sanierungsgebieten Teutoburger Platz und Helmholtzplatz in Prenzlauer Berg sind sogar 40 beziehungsweise 29 Prozent der Wohnungen umgewandelt. Dabei lässt sich bei den vermieteten Eigentumswohnungen ein deutlich höheres Mietniveau ablesen: Hier beträgt die durchschnittliche Nettokaltmiete 6,90 Euro pro Quadratmeter, während sie in den übrigen Mietwohnungen bei 5,88 Euro liegt. Ein Bremsen der Umwandlungstätigkeit würde also auch Druck von den Mieten nehmen.
Seit 1998 erlaubt das Baugesetzbuch den Bundesländern, für Milieuschutzgebiete Verordnungen zu erlassen, mit denen die Eigentumsaufteilung für fünf Jahre genehmigungspflichtig wird. Bisher macht nur Hamburg von dieser Möglichkeit Gebrauch, und zwar mit Erfolg. In den drei Hamburger Milieuschutzgebieten ist im Jahr 2012 nur für ein einziges Haus die Aufteilung in Einzeleigentum genehmigt worden. „Das Ziel der Umwandlungsverordnung ist in vollem Umfang erreicht“, erklärt Klaus Dobbrodt von der Hamburger Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt.
Der Pankower Baustadtrat Jens-Holger Kirchner will sich nun dafür einsetzen, dass der Senat eine vergleichbare Umwandlungsverordnung erlässt. Seit Anfang Januar gelten in den Pankower Milieuschutzgebieten überarbeitete Genehmigungskriterien, die künftig auch die bisherigen Sanierungsgebiete von Prenzlauer Berg erfassen sollen. Um die Eigentumsumwandlung zu stoppen, ist der Bezirk aber auf den Senat angewiesen. Auch Friedrichshain-Kreuzberg fordert die Umwandlungsverordnung. „Die Daten zeigen, dass der Bedarf besteht“, sagt Reiner Wild, Geschäftsführer des Berliner Mietervereins.
Jens Sethmann
MieterMagazin 1+2/13
Entmietung, Sanierung, Verkauf – die drei üblichen Phasen einer Umwandlung
Foto: Christian Muhrbeck
Rat und Tat
Beschränkter Schutz
Der Milieuschutz ist eine städtebauliche Erhaltungsverordnung, mit der die Zusammensetzung der Bevölkerung geschützt werden soll. Er ist also kein Schutzinstrument für den einzelnen Mieter, sondern für die Bewohnerstruktur eines Stadtteils insgesamt. Baumaßnahmen müssen gesondert genehmigt werden. Luxusmodernisierungen können versagt werden. Der „zeitgemäße Ausstattungszustand einer durchschnittlichen Wohnung“ muss aber immer zugelassen werden. Das kann dann aber dazu führen, dass die Herstellung einer solchen Durchschnittsausstattung, etwa der erstmalige Einbau einer Zentralheizung oder eines Bades, so heftige Mieterhöhungen nach sich zieht, dass gerade die schutzbedürftige Bewohnerschaft mit geringem Einkommen überfordert wird.
js
29.05.2018