Für fünf Berliner Quartiere wurden 2014 Konzepte zur energetischen Sanierung mit Fördergeldern des Bundes erstellt. Nun, da sie fertig sind, steht fest: Vier der fünf Konzepte werden wohl in der Schublade landen. Eine Umsetzung ist nicht geplant. Aber warum macht ein Konzept da eine Ausnahme?
Im vergangenen Jahr veröffentlichte das Land Berlin eine groß angelegte Studie: Klimaneutrales Berlin 2050. Mit dem Ziel, in 35 Jahren den CO2-Ausstoß in Berlin erheblich reduziert zu haben, reagiere man wie viele andere internationale Metropolen auf die Gefahren des Klimawandels, ließ damals der Stadtentwicklungssenator mitteilen. Doch wie ernst meint man es eigentlich mit diesem Ziel?
Etwas mehr als zwei Jahre früher, Ende 2011, legte die Kreditanstalt für Wiederbau (KfW) im Auftrag des Bundesbauministeriums ein neues Förderprogramm auf. Deutschlandweit durften sich Kommunen mit Pilotprojekten um Fördergelder bewerben, damit sie für bestimmte Stadtquartiere ein Konzept erstellen konnten, wie diese energetisch saniert werden können. 65 Prozent der Kosten sollte die bundeseigene Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) aufbringen, den Rest die Kommune beisteuern. 63 Stadtquartiere wurden in allen Bundesländern ausgewählt. Berlin war mit fünf dabei: die Südliche Friedrichstadt in Kreuzberg, das Gebiet Frankfurter Allee Nord in Lichtenberg, die Weddinger Müllerstraße sowie das Falkenhagener Feld und die Wilhelmstadt in Spandau. An diesen Projekten beteiligte sich das Land Berlin mit gut 120.000 Euro. Das Bundesbauministerium nannte seinerzeit als Ziel dieser Förderprojekte ein Anstoßen „umfassender Maßnahmen im Quartier in die Energieeffizienz der Gebäude und der Infrastruktur.“
In Berlin machten sich mehrere Stadtplaner mit viel Energie an die Arbeit und fertigten Konzepte an – mit zum Teil erstaunlichen Ergebnissen. „Es zeigt sich, dass die Energieverbräuche und die CO2-Emissionen jeweils um mindestens 42 Prozent gesenkt werden können“, heißt es etwa im Konzept, das für das Falkenhagener Feld erstellt wurde.
Beerdigt statt gefördert
Alle Konzepte waren 2014 fertiggestellt. Nur: Umfassende Maßnahmen, wie sie sich das Bundesbauministerium vorstellte, werden nicht folgen – mit den Konzepten ist auch das Projekt „energetische Stadtsanierung“ abgeschlossen, und zwar in vier der fünf Fälle. „Da wurden gute Möglichkeiten einfach vertan“, ärgert sich der Geschäftsführer des Berliner Mietervereins, Reiner Wild. „Außer in Lichtenberg resultieren aus den Konzepten keine Aktivitäten.“
Der Hintergrund dieser stillen Beerdigung liegt in der Schwierigkeit, die energetische Quartierssanierung wirtschaftlich und zugleich sozial-verträglich umzusetzen. Wie kann garantiert werden, dass die Mieten nicht exorbitant steigen und die Häuser dennoch zügig saniert werden können? Reiner Wild sieht dafür eigentlich nur eine Lösung: Öffentliche Fördermittel. Doch die Stadtentwicklungsverwaltung will davon nichts hören. Dabei schmückte man sich in der Studie „Klimaneutrales Berlin 2050“ noch mit den jetzt ad acta gelegten Projekten: „Bereits heute werden in den Stadtumbau-gebieten Falkenhagener Feld, Frankfurter Allee Nord und Moabit West integrierte Stadtteilkonzepte erarbeitet – Schwerpunkte dabei sind: Energieeffizienz und -einsparung, erneuerbare Energien, Wasser- und Abfallwirtschaft sowie Verkehr. Solche Projekte sollten im Rahmen des Stadtumbaus verstärkt gefördert werden.“
Währenddessen sieht die vom Bund angeleierte Untersuchung von Projekten zur energetischen Quartierssanierung eine zweite Phase vor: Ein Sanierungsmanager soll beauftragt werden, der private und kommunale Eigentümer berät und Baumaßnahmen im Quartier koordiniert. Denn im Unterschied zu einer Einzelsanierung von Gebäuden geht es bei der Quartierssanierung zusätzlich um Verbesserungen, die mehrere Wohnblöcke, wenn nicht gar ganze Straßenzüge betreffen. Da sollen also nicht nur die Fassaden besser gedämmt, sondern da könnten auch mehrere Häuser zu einer gemeinsamen Energieversorgung zusammengeschlossen werden: Nahwärme durch ein Blockheizkraftwerk, der Einsatz von regenerativen Energien wie Fotovoltaik oder eine verbesserte Temperaturregelung bei der Fernwärme. Doch der Senat sagt Stopp. Zwar würde die KfW wieder 65 Prozent der Kosten tragen, aber Berlin will die übrigen 35 Prozent nicht dazugeben. „Die Bezirke können die Anträge direkt an die KfW richten, müssten jedoch die 35-prozentige Kofinanzierung selbst leisten“, sagt eine Sprecherin der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung. Nur, die Bezirke haben das Geld dafür nicht.
Lichtenberg: Weg der kleinen Schritte
Die energetische Sanierung eines ganzen Stadtquartiers ist kein leichtes Unterfangen. Bereits die Erstellung der Konzepte brachte erhebliche Schwierigkeiten mit sich. Jedes Quartier hat seine eigene Struktur. Mal sind die Wohnungen größtenteils in der Hand einer großen kommunalen Wohnungsbaugesellschaft, wie auf dem Falkenhagener Feld, mal sind verschiedene private Wohnungsbaugesellschaften involviert, und mal teilen sich die Häuser und Wohnungen in den Quartieren auf viele Einzeleigentümer auf. So konnten in manchen Quartieren gar nicht überall verlässliche Daten zum Energieverbrauch und CO2-Ausstoß erhoben werden, weil die Eigentümer oftmals aus Datenschutzgründen nicht ermittelt werden konnten. Teile der Konzepte beruhen auf Hochrechnungen und Schätzungen, sagt eine Mitarbeiterin aus der Verwaltung.
Zwar ist auch in Lichtenberg die Datengrundlage nicht besser, doch hat sich der Bezirk vorgenommen, speziell für zwei Wohnblöcke seines Sanierungsgebiets nun ein ökologisches Sanierungsmodell zu erarbeiten. Warum also geht es dort und nur dort weiter?
Schon bevor die KfW mit ihrem Förderprogramm auf den Plan trat, legte Lichtenberg bei seinem Stadtumbaugebiet Frankfurter Allee Nord besonderen Wert auf eine ökologische Ausrichtung. Und die führt es jetzt weiter fort. Mittlerweile ist der Bezirk dabei, einen konkreten Sanierungsplan zu erarbeiten. Das geht von der Einregulierung von Heizungen über kleinere Baumaßnahmen an den Häusern bis zur Beratung beim Verbraucherverhalten.
Das sind keine großen Schritte, aber kleine Schritte sind allemal besser als keine.
Wiebke Schönherr
Brandenburgs Vorzeigeprojekt
Auch Potsdam hat sich mit einem Pilotprojekt bei dem KfW-geförderten Programm zur energetischen Stadtsanierung beteiligt, und zwar mit dem Umbau seiner südöstlichen Großwohnsiedlung Drewitz. Es wurde ein „Masterplan Gartenstadt Drewitz“ entworfen, in den ein Energie- und Klimaschutzkonzept integriert wurde. Die ersten Ideen dazu entstanden bereits im Jahr 2003. Teile des Quartiers, das in Fünf-Geschosser-Bauweise in den 1980er Jahren hochgezogen wurde, sind bereits saniert worden. Sobald die ganze Siedlung fertiggestellt ist, soll sie der erste emissionsfreie Stadtteil Potsdams werden. Für einige Wohnungen soll der Mietpreis 5,50 Euro nicht übersteigen. 2014 wurde das Projekt mit dem Deutschen Förderpreis ausgezeichnet.
ws
07.07.2019