Eine Modernisierung könnte viele bedürftige Mieter des Kosmosviertels aus ihren Wohnungen drängen. Doch wo sollen sie hin? Angemessenen Wohnraum, dessen Kosten auch vom Amt übernommen werden, gibt es in Berlin so gut wie nicht mehr. Die Betroffenen versuchen auszuweichen, so gut es geht. Nicht wenige leben in völlig überbelegten Wohnungen.
Vor 15 Jahren sind Sieglinde und Daniel K. an den südöstlichen Berliner Rand gezogen, ins Kosmosviertel nahe dem Flughafen Schönefeld – „wegen der niedrigen Mieten“, erklärt die Seniorin, die heute mit ihrem Mann von Grundsicherung lebt. Damals hatten sie die amtliche Aufforderung bekommen, sich nach einer kleineren und billigeren Bleibe umzusehen. Sieglinde K. hat dafür Verständnis: „Die Kinder waren ja raus, und wir brauchten keine vier Zimmer mehr.“ Die neue Zweizimmerwohnung kostete anfangs 295 Euro nettokalt.
Dass ihre Vermieterin dafür kaum etwas instand setzte und die zwischen 1987 und 1990 errichteten Plattenbauten regelrecht verkommen ließ, nahm das Ehepaar hin. Aber seit ein paar Wochen haben sie eine Modernisierungsankündigung auf dem Tisch. Geht es nach dem Wohnungsunternehmen „Schönefeld-Wohnen GmbH & Co. KG“, wird sich ihre Nettokaltmiete, die mit den Jahren bereits auf 543 Euro gestiegen ist, noch einmal um 124 Euro verteuern. Dann werden sie deutlich über der Grenze liegen, die als angemessen gilt und bis zu der Kosten für Unterkunft und Heizung (KdU) übernommen werden.
„Aber wo sollen wir dann noch hin?“, fragen sich die beiden verzweifelt. Sie stehen ja schon mit dem Rücken an der Wand. Denn Ausweichmöglichkeiten für Menschen wie Sieglinde und Daniel K. hat die Stadt kaum noch zu bieten, weiß der Sozialwissenschaftler Sigmar Gude vom Stadtplanungsbüro Topos: „Die Quartiere am sprichwörtlichen Berliner Rand sind voll.“ Etwa 12.000 Haushalte von Bedarfsgemeinschaften werden jährlich aufgefordert, ihre Wohnkosten zu senken. Mit einem Umzug in eine billigere Wohnung konnten zuletzt lediglich circa 500 Haushalte dem nachkommen.
Stattdessen beobachtet Gude eine zunehmende „Verdrängung nach innen“: vereinzelt an laute, schmutzige Straßen, in dunkle Erdgeschosswohnungen – vor allem aber in die Überbelegung von Wohnraum.
Etwa 15.000 ALG II-Haushalte gelten nach Untersuchungen von Topos als gravierend überbelegt. Zuallererst trifft das Familien: Etwa 30.000 Kinder unter 18 Jahren – das sind sieben Prozent aller Berliner Kinder – wachsen in extremer Enge auf. Gude: „Wenn eine vierköpfige Familie in zwei Zimmern wohnt, gibt es für die Kinder nicht mal einen Platz, wo sie in Ruhe ihre Hausaufgaben machen können.“
Seine Forderungen: Ausreichend und preiswert bauen, vor allem aber den noch vorhandenen preiswerten Wohnraum erhalten. Außerdem müssten verbindliche Regelungen gefunden werden, um auch für jene die höheren Wohnkosten voll zu übernehmen, die keine Wohnung innerhalb der Angemessenheitsgrenzen mehr finden. Ein Umzug ins preiswertere, noch weiter entfernte Umland ist für viele jedenfalls keine Lösung: „Hier habe ich doch mein ganzes soziales Umfeld – hier wohnen meine Kinder und mein Enkelkind“, sagt Sieglinde K. „Wenn wir hier weg müssten, das würde uns seelisch kaputt machen …“
Rosemarie Mieder
29.01.2018