Vom Charme bröckelnder Altbauten ist in Mitte und Prenzlauer Berg nicht viel übriggeblieben. Nur in der Schwedter Straße, Ecke Kastanienallee steht noch ein Überbleibsel aus vergangenen Zeiten. Der Eigentümer des unsanierten Hauses hat daraus ein lukratives Geschäftsmodell entwickelt: Er vermietet die spröde Immobilie für Dreharbeiten.
Das Maß ist voll, finden die Bewohner. Seit Jahren dient ihr Haus immer wieder als Filmkulisse. In einem Aushang machten sie kürzlich ihrem Ärger Luft. „Unser Eingangsbereich sieht unmöglich aus. Unsere Mülleimer stehen seit Wochen auf offener Straße. Unser Hauseingang ist euer Raucherbereich, das Trottoir sieht aus wie eine Müllhalde.“ Oft wird der Strom unangekündigt abgedreht oder Fahrräder weggestellt. Tagelang werde die Hausnummer überklebt, so dass Pakete nicht zugestellt werden können, und im Treppenhaus stolpere man über Kabel. Manchmal werde den Mietern sogar der Zugang zum Haus verwehrt. Sie vermuten, dass ihr Vermieter ganz bewusst Instandhaltungsarbeiten unterlässt, damit das Haus besonders authentisch wirkt – authentisch heruntergekommen.
Viele Wohnungen stehen leer. Nach Angaben des Bezirksamts Mitte hat der Eigentümer bereits 2018 den Abriss für den gesamten Gebäudekomplex beantragt, zu dem auch die Kastanienallee 67/68 gehört. Doch die bereits erteilte Genehmigung wurde widerrufen, weil der Antrag auf einen Neubau negativ beschieden wurde. Das Widerspruchsverfahren läuft noch. Offenbar ist die Vermietung an Filmfirmen eine „kreative“ Zwischennutzung.
Birgit Leiß
29.01.2022