In der eigenen Wohnung zu arbeiten, ist für viele Berliner Alltag, auch die Tendenz dazu ist steigend. Zu beachten sind dabei neben mietrechtlichen Fragen auch Aspekte des sozialen Lebens und der Alltagsorganisation.
Als Karsten noch studierte, reichte ihm die Einzimmerwohnung völlig aus: Er schlief, wohnte und arbeitete im selben Raum. Nach dem Examen setzte er beruflich fort, was zuvor nur ein Nebenverdienst gewesen war: seine Arbeit als Übersetzer. „Eigentlich hat sich ja nicht viel geändert, ich verdiene mein Geld vom heimischen Schreibtisch aus“, so der Freiberufler. „Aber mir wurde klar, dass ich früher oder später ein gesondertes Arbeitszimmer brauche.“ Karsten hat sich eine größere Wohnung gesucht. Heute kann er eine Tür schließen, die seinen privaten Wohnraum vom Büroraum trennt.
Einpersonenunternehmen nehmen zu
So wie Karsten organisieren sich immer mehr Berliner. Genaue Zahlen, wie viele Menschen zu Hause arbeiten, gibt es nicht. Aber die Entwicklung der Beschäftigungsverhältnisse deutet auf einen solchen Trend hin: Der Anteil von Selbstständigen, die keine Angestellten haben, wird im Vergleich zu jenen, die Mitarbeiter beschäftigen, aber auch zu Angestellten, Arbeitern und Beamten kontinuierlich größer. Hartmut Häußermann, Stadtsoziologe an der Humboldt-Universität Berlin, bestätigt diese Entwicklung: „Freiberufler und Menschen in prekären Beschäftigungsverhältnissen nehmen schon seit vielen Jahren deutlich zu.“ Nicht alle Einpersonenunternehmer arbeiten in der eigenen Wohnung. Bürogemeinschaften können eine Alternative zur Heimarbeit sein. Doch für viele sind die damit verbundenen Kosten zu hoch.
Inwieweit eine Wohnung überhaupt als Arbeitsplatz genutzt werden darf, ist eine regelmäßig auftretende Streitfrage zwischen Mietern und Vermietern. Juristisch wird grundsätzlich zwischen erlaubnisfreier Heimarbeit und erlaubnispflichtiger teilgewerblicher Nutzung unterschieden. Maßgeblich ist hierbei die Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 14. Juli 2009 (Az.: VIII ZR 165/08): „Geschäftliche Aktivitäten des Mieters in der Wohnung, die nach außen in Erscheinung treten, muss der Vermieter grundsätzlich nicht ohne entsprechende Vereinbarung dulden. Er kann jedoch nach Treu und Glauben verpflichtet sein, die Erlaubnis zur teilgewerblichen Nutzung zu erteilen, wenn es sich um eine Tätigkeit ohne Mitarbeiter und ohne ins Gewicht fallenden Kundenverkehr handelt; hierfür trägt der Mieter die Darlegungs- und Beweislast.“ (Bundesgerichtshof, Wohnungswirtschaft und Mietrecht 2009, Seite 517)
Der Trend zur Heimarbeit hat laut Häußermann verschiedene Konsequenzen: „Erstens wird der Wohnungsbedarf erhöht.“ Wer zu Hause arbeitet, braucht in der Regel nicht nur Platz für einen Schreibtisch. In vielen Fällen, wie auch bei Karsten, ist irgendwann ein gesondertes Arbeitszimmer gefragt. Häußermann weiter: „Außerdem konzentriert sich die Nachfrage dieser Menschen vor allem auf innerstädtische Wohnungen.“ Wer berufliche Netzwerke pflegt, profitiert im Zentrum von kürzeren Wegen und besserer Verkehrsanbindung. Diese Nachfrage hat Auswirkungen auf den Wohnungsmarkt zentrumsnaher Bezirke.
„Auch die hohe Quote junger Familien mit Kindern, wie etwa im Prenzlauer Berg, steht in Zusammenhang mit der Heimarbeit“, erläutert der Stadtsoziologe. „Gleichberechtigte Paare, beide Akademiker, die ihre Arbeit am Computer von zu Hause aus erledigen können, suchen diese Wohnlage, um ihr privates und berufliches Leben dort ohne weite Wege in Einklang bringen zu können.“
Innenstadt bevorzugt
Diese sogenannte Work-Life-Balance lässt sich im Zentrum besser und günstiger verwirklichen als am Stadtrand: Dort ein Haus zu kaufen, wie es früher bei vielen Jungakademikern Praxis war, übersteigt das Budget all jener ohne festen Arbeitsvertrag oder volle Stelle. Und wer am Stadtrand wohnt, braucht zudem noch in der Regel ein Auto, um alles erledigen zu können. Langfristig kann der Trend der „Heimarbeiter in die Innenstadt“ auch bedeuten, dass der Pendelverkehr zurückgeht, so Häußermann.
Aber nicht alle, die zu Hause arbeiten, sind Akademiker, die sich im mittlerweile schick gewordenen Prenzlauer Berg eine Altbauwohnung leisten können. Wer in irgendeiner Form von staatlicher Unterstützung lebt, sollte sich im Vorfeld informieren, inwiefern Teile der eigenen Wohnung als Arbeitsbereich zulässig sind. Beispiel Sozialwohnung: Neben den normalen mietrechtlichen Voraussetzungen benötigt der Sozialmieter auch die Genehmigung des zuständigen bezirklichen Wohnungsamtes zur teilgewerblichen Nutzung seiner vier Wände. Dabei darf maximal die Hälfte der Wohnungsfläche gewerblich genutzt werden.
Auch wer ALG II bezieht und in der eigenen Wohnung einer selbstständigen Tätigkeit nachgeht, muss bei seinem Jobcenter vorstellig werden. Zu unterscheiden ist, wie viele Quadratmeter privat und wie viele beruflich genutzt werden. Die rein privaten Mietkosten werden vom Staat übernommen. Die Kosten für den gewerblichen Anteil der Wohnung können als Ausgaben bei der selbstständigen Tätigkeit abgesetzt werden. Wichtig ist die Trennung insbesondere für die Anerkennung des angemessenen Wohnraums. „Ein ALG-II-Empfänger hat zum Beispiel in Räumlichkeiten eine Kindertagespflege betrieben, in denen er auch wohnte“, berichtet Uwe Mählmann, Sprecher der Agentur für Arbeit in Berlin. „Von Vorteil war, dass im Mietvertrag genau definiert war, welche Fläche als private Wohnung und welche zur Kindertagespflege genutzt wird.“ So konnte problemlos errechnet werden, welcher Mietanteil für die private Wohnung gezahlt wird.
Versicherungsrechtlich zwei Paar Schuhe
Klar getrennt wird auch beim Berliner Mieterverein (BMV) zwischen privatem Wohnbereich und gewerblich genutzten Flächen: „Der räumliche Schutz unserer Rechtsschutzversicherung erstreckt sich auf die selbstbewohnte Wohnung einschließlich einer mietvertraglich mitvermieteten Garage„, erläutert Frank Maciejewski, Rechtsexperte des BMV. Dabei muss es sich um selbstbewohnten Wohnraum handeln. Im Gegensatz dazu stehen gewerblich genutzte Räume. „Problematisch wird es dann, wenn Verträge eine gemischte Nutzung vorsehen“, so Maciejewski. „Mietrechtsschutzversichert wird dann nur derjenige Teil, der zum Wohnen genutzt wird.“ Dies liegt daran, dass die gewerbliche Nutzung in der Regel weit höhere Risiken finanzieller Art birgt.“
Lars Klaaßen
MieterMagazin 3/10
Foto: Maik Jespersen
Foto: Sabine Münch
Immer mehr Menschen machen ihre Wohnung zum Arbeitsplatz – aus unterschiedlichen Gründen
Foto: Fotolia
In seinem Buch „Die Psychologie des Wohnens“ erklärt der Einrichtungsexperte Uwe Linke anhand vieler Beispiele aus seiner Beraterpraxis, wie sich jeder den Wohnraum schaffen kann, der ihm wirklich entspricht.
Uwe R. Linke: Die Psychologie des Wohnens.
Vom Glück, sich ein authentisches Zuhause zu schaffen.
Nymphenburger Verlag 2010,
136 Seiten, 16,95 Euro
Zum Thema
Klare Verhältnisse
„Wer in der eigenen Wohnung arbeitet, sollte darauf achten, dass Privates und Berufliches klar getrennt werden“, rät der Wohnpsychologe Uwe Linke. „Andernfalls ist man nie wirklich zu Hause und nie wirklich bei der Arbeit.“ Ein separates Arbeitszimmer macht es leichter, die Bereiche zu trennen. Auch beim Zeitmanagement ist Disziplin gefordert: „Zu bestimmten definierten Uhrzeiten mit der Arbeit zu beginnen und Feierabend zu machen, schützt davor, permanent an die Arbeit zu denken oder umgekehrt nicht richtig in die Arbeit hineinzufinden“, so Linke. „Eine wichtige Voraussetzung für Heimarbeit ist es, sich gut konzentrieren zu können. Wer das nicht kann, verzettelt sich.“ Ein weiteres Risiko: Sozialer Umgang entfällt und kann zur Vereinsamung oder Eigenbrödlerei führen. Auf der anderen Seite bietet die Arbeit in der eigenen Wohnung auch Vorteile: Fahrten entfallen, was unter anderem auch Zeit erspart. Zudem entfällt der Zwang, sich formell zu kleiden. Linke betont: „Wer gelernt hat, mit seiner Freiheit umzugehen, kann außerdem den Alltag sehr flexibel gestalten und ihn besser dem eigenen Rhythmus anpassen.
lk
02.06.2018