Die neun Häuser in der Gleditschstraße 49 bis 69 in Schöneberg, zwischen 1958 und 1960 erbaut, waren lange Jahre Vorzeigeobjekte des Wohnungsunternehmens Gagfah. Nach diversen Eigentümerwechseln gehören sie zu einem Fonds der Hamburger Immobilienfirma IntReal. Jetzt sollen die Häuser aufwendig modernisiert werden. Die rund 250 Mieter, viele davon Erstbezieher und heute Rentner, befürchten eine Verdrängung aus dem Kiez.
Dachaufstockungen, eine energetische Sanierung der Fassade, der Anbau neuer Balkone, ein Aufzug und diverses mehr stehen auf dem Programm. Die Miete soll um 2,40 Euro pro Quadratmeter steigen. Bisher betragen die durchschnittlichen Nettokaltmieten je nach Wohnungstyp 5,64 bis 6,41 Euro. Die Mieter schlossen sich darauf zu einer Mietergemeinschaft zusammen und wandten sich an die Bezirksverordnetenversammlung, um eine sozialverträgliche Lösung zu finden. Denn für die Häuser mit ihren 117 Ein-, Zwei- und Dreizimmerwohnungen gilt seit September 2014 eine soziale Erhaltungsverordnung (Gebiet Barbarossaplatz/Bayerischer Platz).
In Gesprächen zwischen dem Bauherrn und dem Bezirksamt wurde dann vereinbart, die Mieterhöhung auf 1,95 Euro pro Quadratmeter zu beschränken. Die Mieter der Erdgeschosswohnungen müssen nicht für die Aufzüge und deren Betriebskosten zahlen. Die Erneuerung und Vergrößerung der Balkone bleibt umlagefrei. Bei Wohnungen, die bisher keinen Balkon haben, entscheiden die Mieter über den Anbau.
Unter diesen Prämissen wird das Bezirksamt dem Bauvorhaben zustimmen, eine überzogene Sanierung liegt nach Meinung von Sibyll Klotz, Stadträtin für Gesundheit, Soziales, Stadtentwicklung, nicht vor. Sie bestätigt, dass das Bezirksamt mit dem Bauherrn über alle „erhaltungsrechtlich beantragten Modernisierungsmaßnahmen“ eine öffentlich-rechtliche Vereinbarung treffen wird. Matthias Freutel, Sprecher der Firma Industria Wohnen, die das Haus verwaltet, will sich nicht festlegen: „Wie hoch die Modernisierungsumlage schlussendlich sein wird, hängt von den tatsächlichen Kosten ab.“
Die Mietergemeinschaft hat inzwischen ein Gegenkonzept vorgelegt, das die Kosten um 500.000 Euro senken würde: Fenster und Heizungsanlage könnten instandgesetzt und die Kellergeschoss- und oberste Geschossdecke gedämmt werden. Mithilfe eines Bauphysikers hat man zahlreiche Fehler im Bauantrag nachgewiesen. So seien die Nachweise, die laut Energiereinsparverordnung die Wirtschaftlichkeit der energetischen Maßnahmen belegen müssen, unvollständig und inakzeptabel.
Der Bauherr halte sich nicht an die gesetzlichen Vorschriften. Des Weiteren habe er es abgelehnt, die zusätzlichen Belastungen für jede Mietpartei im Einzelfall zu prüfen. Auch wenn das Bezirksamt vollmundig verkündet: „Soziale Erhaltungsverordnung ist mehr als ein Papiertiger!“ – letztendlich bleiben die Mieter mit ihren Ängsten allein. „Bei Härtefällen wird das Bezirksamt nach Einzelfalllösungen suchen, die den Mietern den Verbleib im Kiez ermöglichen“, verspricht Sibyll Klotz. Mal sehen.
Rainer Bratfisch
03.03.2018