Das im September von der Bundesregierung eingeführte Baukindergeld soll Familien zu Wohneigentum verhelfen. Die Probleme auf dem Wohnungsmarkt werden damit nicht gelöst. Der Zuschuss wird zudem hauptsächlich in strukturschwachen Regionen in Anspruch genommen – also genau dort, wo es keinen Wohnungsmangel gibt.
„Das milliardenteure Baukindergeld hat mit Wohnungspolitik nichts zu tun“, sagt Lukas Siebenkotten, Direktor des Deutschen Mieterbundes. „Es hilft allenfalls Familien mit Durchschnitts- oder sogar höheren Einkommen beim Vermögensaufbau und der Alterssicherung – sozial gerecht ist das nicht.“ Statt den Wohnungsneubau anzukurbeln, hat das Baukindergeld vor allem einen Mitnahmeeffekt: „Es greifen nur diejenigen Baukindergeld ab, die sowieso bauen wollten“, so Siebenkotten.
Den Mitnahmeeffekt bestätigt eine Umfrage des Finanzportals Elterngeld.de: Unter 1000 Interessenten für das Baukindergeld wurden nur neun Prozent speziell durch den Zuschuss zum Eigenheimerwerb bewegt. Der große Rest will sich beim ohnehin schon geplanten Hausbau oder -kauf mit dem Baukindergeld eine größere Immobilie leisten oder den Kredit schneller zurückzahlen.
Das Baukindergeld wird sich regional unterschiedlich auswirken. In Städten mit hohen Bauland- und Wohnungspreisen bietet der feststehende Förderbetrag von 1200 Euro pro Kind und Jahr einen viel geringeren Vorteil als auf Wohnungsmärkten mit niedrigen Preisen. Das Immobilienportal immowelt.de hat für die Städte und Landkreise ausgerechnet, welchen Anteil das Baukindergeld für Haushalte mit einem Kind beim Erwerb einer familiengerechten Wohnung mit mindestens vier Zimmern und 80 Quadratmetern zu den ortsüblichen Angebotspreisen ausmacht. In Hamburg deckt das Baukindergeld nur 2,7 Prozent der Erwerbskosten ab. In den stark nachgefragten Großstädten München, Köln, Frankfurt am Main, Stuttgart, Düsseldorf und Hannover liegt der Wert unter fünf Prozent. In Berlin sind es 3,8 Prozent.
Attraktiv wirkt die Förderung jedoch in Regionen mit niedrigen Immobilienpreisen. So macht im thüringischen Kyffhäuserkreis das Baukindergeld 23,9 Prozent des Kaufpreises aus. Es sind vor allem ländliche Kreise in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen, in denen Bauwillige einen hohen prozentualen Vorteil aus dem Baukindergeld ziehen können.
Ein Sonderfall ist Bayern: Hier stockt die Staatsregierung das Baukindergeld um 300 Euro auf 1500 Euro pro Kind auf. Zudem kann dort jeder eine einmalige Eigenheimzulage von 10.000 Euro beantragen. Das führt dazu, dass in strukturschwachen Landkreisen wie Hof oder Wunsiedel fast 30 Prozent der Baukosten über den Staat finanziert werden.
Kaufkindergeld statt Baukindergeld
Das Baukindergeld gibt also gerade dort den größten Anreiz zu bauen, wo Wohnungen am wenigsten benötigt werden. In den Großstädten verfehlt es sein Ziel. Es sind sogar eher negative Wirkungen zu erwarten, weil dort die Zulage vor allem ein „Kaufkindergeld“ ist. Es entsteht ein neuer Anreiz, noch mehr Mietwohnungen in Einzeleigentum umzuwandeln. Die Engpässe auf dem Mietwohnungsmarkt werden so noch verschärft.
Bis Dezember 2018 haben 47.741 Menschen das Baukindergeld beantragt. Am meisten Anträge wurden in Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg, Niedersachsen und Bayern gestellt, am wenigsten in den Stadtstaaten Berlin, Hamburg und Bremen. Berlin ist mit 206 Baukindergeldanträgen pro Million Einwohner absolutes Schlusslicht.
In 87 Prozent aller Fälle wurde das Geld nicht zum Bau, sondern zum Kauf einer Immobilie eingesetzt. Das Baukindergeld ist also vor allem ein Kaufkindergeld.
Jens Sethmann
2,7-Milliarden-Geschenk für Häuslebauer
Das Baukindergeld gilt rückwirkend ab dem 1. Januar 2018. Familien mit Kindern, die sich erstmalig Wohneigentum anschaffen – sei es durch Bauen oder Kaufen – bekommen zehn Jahre lang pro Kind einen jährlichen Zuschuss von 1200 Euro. Die Einkommensgrenzen sind weit gefasst: Bis zu 90.000 Euro im Jahr darf ein Haushalt mit einem Kind verdienen, für jedes weitere Kind kommen 15.000 Euro hinzu. Die Förderung zielt also nicht auf Bedürftige, sondern eher auf Gutverdiener mit einem Monatseinkommen von bis zu 7500 Euro. Obwohl der Bund für das Baukindergeld in dieser Legislaturperiode die stattliche Summe von 2,7 Milliarden Euro zur Verfügung stellt, reicht das für höchstens 225.000 Familien.
js
23.02.2019