Die Bundesregierung hat ein Gesetzespaket angekündigt, mit dem das Mietrecht verbessert und der Wohnungsbau angekurbelt werden soll. Doch ein erster Gesetzesentwurf von Justizministerin Katarina Barley (SPD) ist dem Deutschen Mieterbund und dem Berliner Mieterverein viel zu zaghaft. Mehr Zuspruch von deren Seite bekommt die Bundesratsinitiative des Landes Berlin für einen besseren Mieterschutz.
Von der Zugspitze herab verkündeten Anfang Mai die Fraktionsspitzen der Regierungsparteien CDU, CSU und SPD, noch vor der Sommerpause ein wohnungspolitisches Gesetzespaket auf den Weg zu bringen. Vier Wochen später hat Bundesjustizministerin Barley einen Referentenentwurf für Mietrechtsänderungen vorgelegt.
Demnach wird die Mietpreisbremse insofern verschärft, dass ein Vermieter, dessen Vermietungsangebot die Preisgrenze der Mietpreisbremse überschreitet, die Gründe dafür nennen muss. Die seit 2015 geltende Mietpreisbremse begrenzt die Miete bei einer Wiedervermietung auf zehn Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete. Es gelten allerdings zahlreichen Ausnahmen – zum Beispiel wenn die Wohnung umfassend saniert worden ist oder die Miete des Vormieters schon höher lag. Da neue Mieter von solchen Umständen in der Regel nichts wissen, können sie nicht einschätzen, ob die verlangte Miete rechtens ist. Daher geht kaum ein Mieter gegen mutmaßlich überhöhte Mietforderungen vor.
Des Weiteren will die Bundesregierung die Mieterverdrängung durch teure Modernisierungen erschweren, indem die Umlage der Modernisierungskosten von elf auf acht Prozent abgesenkt wird. Die modernisierungsbedingte Mieterhöhung soll zudem nicht mehr als drei Euro pro Quadratmeter und Monat betragen.
Der Deutsche Mieterbund (DMB) begrüßt zwar die Auskunftspflicht des Vermieters, kritisiert aber, dass von einer Verschärfung der Mietpreisbremse keine Rede sein kann. „Auch künftig wird die Mietpreisbremse nicht flächendeckend in Deutschland gelten, werden diverse Ausnahmebestimmungen und Sonderregelungen die Wirkung der Mietpreisbremse einschränken und relativieren“, bemängelt DMB-Bundesdirektor Lukas Siebenkotten. „An der eigentlichen Problematik der Mietpreisbremsen-Regelung ändert sich nichts.“
Die Einschränkungen der Modernisierungsmieterhöhungen gehen dem DMB nicht weit genug. „Auch eine achtprozentige Umlage führt bei umfassenden Modernisierungsmaßnahmen zu Mietsteigerungen, die für viele Haushalte nicht bezahlbar sind“, so Siebenkotten. Die Kappungsgrenze von drei Euro bedeute für viele Mieter immer noch eine Mieterhöhung um 50 Prozent.
Das Spiel beginnt von vorn
Entgegengesetzte Kritik kommt aus der CDU. Der Berliner Bundestagsabgeordnete Jan-Marco Luczak greift Justizministerin Barley scharf an, weil ihr Gesetzentwurf „weit über das hinausgeht, was CDU/CSU und SPD verabredet haben“. Das Spiel, das schon in der vergangenen Großen Koalition zur wirkungslosen Mietpreisbremse geführt hat, geht also von vorne los: Die Union bekämpft weiterhin auch die allerkleinsten Schritte zu mehr Mieterschutz.
Eigentumswillige Familien will die Bundesregierung hingegen mit einem Baukindergeld beglücken – ein Herzensprojekt der CSU. Wer ein Eigenheim baut oder eine Eigentumswohnung erwirbt, bekommt zehn Jahre lang pro Kind einen jährlichen Zuschuss von 1200 Euro. Vorgesehen ist eine Einkommensgrenze von 75.000 Euro im Jahr plus 15.000 Euro pro Kind. Das Baukindergeld soll rückwirkend zum 1. Januar dieses Jahres eingeführt werden.
„Das Baukindergeld kostet Milliarden, leistet aber keinen Beitrag zur Lösung der bestehenden Wohnungsprobleme“, kritisiert Lukas Siebenkotten. Wer sich den Bau eines Eigenheims nicht leisten kann, wird selten mit einem Gesamtzuschuss von 12.000 Euro pro Kind dazu in die Lage versetzt. Wer aber ohnehin ein Haus bauen will, nimmt das Geschenk natürlich gerne mit. Weil das Baukindergeld auch für den Kauf einer Eigentumswohnung gezahlt werden soll, kann dies den Trend zur Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen noch weiter befeuern. „Insbesondere in den Städten wird das Baukindergeld von vornherein eingepreist, das heißt, Wohneigentum wird noch teurer“, prophezeit Siebenkotten. Mieter müssen sich dabei auf Modernisierungen, Mieterhöhungen und Eigenbedarfskündigungen gefasst machen.
Berliner Senat will das Mietrecht wieder sozial machen
Auch der Berliner Senat ist mit dem Gesetzespaket der Bundesregierung nicht zufrieden. Wie im April angekündigt, wurde im Mai eine Bundesratsinitiative auf den Weg gebracht, um alle Mieter wirkungsvoll vor rasant steigenden Mieten zu schützen. „Kein Mieterhaushalt soll zukünftig mehr wegen steigender Mieten seine Wohnung verlieren“, sagt Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher (Linke). Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) ergänzt: „Mit der Bundesratsinitiative wollen wir dem Mietrecht seinen sozialen Charakter wieder zurückgeben.“ Mit dem Gesetzentwurf soll die Mietpreisbremse auch bei höherer Vormiete und bei umfassend sanierten Wohnungen gelten. Um die Umgehung mit möblierten Wohnungen zu verhindern, wird ein Möblierungszuschlag fest definiert. Die Begrenzung der Mietpreisbremse auf fünf Jahre wird gestrichen, und Verstöße werden als Ordnungswidrigkeit verfolgt.
Die Kappungsgrenze für Mieterhöhungen im Bestand soll reduziert werden und zukünftig 20 Prozent beziehungsweise 15 Prozent in fünf Jahren, und nicht wie bislang in drei Jahren betragen, allerdings nur in angespannten Wohnungsmärkten. Bei der Erstellung von Mietspiegeln sollen künftig nicht mehr nur die geänderten Mieten der letzten vier Jahre betrachtet werden, sondern die der letzten zehn Jahre. Wo ein qualifizierter Mietspiegel vorliegt, soll dieser als einziges Begründungsmittel für Mieterhöhungen dienen.
Der Berliner Initiative zufolge sollen nur noch energetische Modernisierungen und barrieremindernde Maßnahmen auf die Miete umgelegt werden, und zwar nicht mehr elf, sondern sechs Prozent der Kosten, und nur so lange, bis sich die Investition bezahlt gemacht hat. Die Modernisierungsmietsteigerung wird zudem für acht Jahre bei zwei Euro pro Quadratmeter gekappt, bei angespanntem Wohnungsmarkt bei einem Wert von zehn Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete. Haushalte, die mehr als 40 Prozent ihres Einkommens für das Wohnen ausgeben müssten, brauchen als Härtefall die Modernisierungskosten nicht voll tragen.
Außerdem möchte Berlin den Kündigungsschutz bei Zahlungsverzug verbessern. Mieter sollen zukünftig auch eine ordentliche Kündigung wegen Zahlungsrückstands heilen können, wenn sie diesen rechtzeitig ausgleichen.
Der Berliner Mieterverein (BMV) ist im Großen und Ganzen mit den Vorschlägen der Bundesratsinitiative zufrieden, hält aber zwei Regelungen für unzureichend. Die Kappungsgrenze für Mieterhöhungen sollte mit zwei Prozent pro Jahr beziehungsweise sechs Prozent in drei Jahren für Mieterhöhungen auf angespannten Märkten deutlich schärfer gefasst werden. „Es gibt keine Begründung dafür, dass den Vermietern mehr als die allgemeinen Lebenshaltungskostensteigerungen zugestanden werden“, so BMV-Geschäftsführer Reiner Wild.
Des Weiteren müsse die Mieterhöhung nach Modernisierung stärker begrenzt werden. „Im Prinzip könne die Kostenabwälzung ganz entfallen und sich stattdessen eine Mieterhöhung nach dem Mietspiegel richten“, erklärt Wild. Solange dies nicht der Fall ist, muss die Mieterhöhung auf jährlich vier Prozent der Modernisierungsinvestition gesenkt werden.“
Jens Sethmann
Noch Überzeugungsarbeit notwendig
Die Erfolgsaussichten der Berliner Bundesratsinitiative sind ungewiss. Sollten sich die rot-grün, rot-rot oder ror-rot-grün regierten Länder Hamburg, Bremen, Brandenburg und Thüringen hinter den Berliner Vorstoß stellen, wären das 18 von 69 Stimmen. Die schwarz oder schwarz-gelb regierten Länder Bayern und Nordrhein-Westfalen, von denen eine Ablehnung zu erwarten ist, haben zusammen aber nur 12 Stimmen. Da für einen Beschluss die absolute Mehrheit mit 35 Stimmen notwendig ist, kommt es darauf an, in jenen neun Ländern, in denen das ablehnende Lager aus CDU und FDP mit den eher mieterfreundlichen Parteien SPD und Grünen koaliert, für die Berliner Initiative zu werben. Sind sich Landesregierungen intern uneins, enthalten sie sich in der Regel. Sollte es gelingen, die Mehrheit im Bundesrat vom Berliner Vorschlag zu überzeugen, würde der Gesetzentwurf anschließend in einem Vermittlungsausschuss aus Bundesrat und Bundestag verhandelt werden.
js
28.03.2022