Die Kreuzberger Wohnanlage Riehmers Hofgarten wurde verkauft. Die neuen Eigentümer wandeln die Wohnungen nach und nach in vollausgestattete Edelapartments für Kurzzeitmieter um. Das vielgerühmte Flair des Wohnensembles geht dabei verloren.
„Riehmers Hofgarten wird radikal verändert, das ist bald kein Wohnquartier mehr“, berichtet Mieter Hans König*. Seit die Wohnanlage im vergangenen Herbst an eine „Fünfte Festland Grundstücks GmbH“ mit Sitz in Kloster Lehnin verkauft wurde, werden keine Wohnungen mehr dauerhaft neu vermietet. „Freiwerdende Wohnungen werden renoviert, möbliert und als Apartments angeboten“, beobachtete König, der seit langem in der Anlage wohnt. Dabei werden auch die Treppenhäuser renoviert – aber nur bis zu dem Stockwerk, in dem die Apartments liegen. Offiziell ist den Mietern über die Vorgänge nichts mitgeteilt worden. Sie sind auf das angewiesen, was sie selbst sehen und was ihnen Handwerker oder Briefträger berichten.
Seit Ende Februar gibt es nun aber eine Internetseite, auf der das Angebot der „Riehmers Hofgarten Apartments“ („Excellence since 1891“) beworben wird. Dort heißt es in schönstem Reklame-Deutsch: „Die voll ausgestatteten klassisch-eleganten Apartments bieten ein repräsentatives Domizil für höchste Wohnansprüche: Hohe Stuckdecken und imposante Wohnungen bieten feinste Wohnkultur innerhalb der historisch einmaligen Kulisse eines einzigartigen Ensembles.“ Von einem „maßgeschneiderten Konzept vom Wohnen auf Zeit“ ist die Rede. Die Apartments sind voll verkabelt sowie mit Flachbildfernseher und komplett eingerichteter Küche ausgestattet. Ein Reinigungsservice ist inklusive.
In einem dreiviertel Jahr sind nach Königs Beobachtungen 19 der rund 200 Wohnungen umgewandelt worden. „Man weiß nicht mehr, wer nebenan wohnt und wer ein und aus geht“, berichtet König. Infolgedessen sei es in jüngster Zeit zu einigen Wohnungseinbrüchen gekommen. Anfragen des MieterMagazin ließ die „Riehmers Hofgarten Apartments“ unbeantwortet.
Nach Auskunft der Bauaufsicht des Bezirks Friedrichshain-Kreuzberg ist über die Umnutzungen in Riehmers Hofgarten nichts aktenkundig. „Es ist schwierig einzuschätzen, ob das genehmigungspflichtig ist“, sagt Frank-Ingo Schalk, Gruppenleiter der Bauaufsicht. Der Begriff „Boardinghouse“ taucht in der Bauordnung nicht auf, eine gewerbliche Zimmervermietung wie bei einer Pension wäre aber genehmigungspflichtig.
Das Wohnen in Riehmers Hofgarten ist schon seit Jahren nicht mehr so idyllisch wie es erscheint. Touristengruppen ziehen in Scharen durch den Block, um die prächtigen Gründerzeitfassaden zu bestaunen. Die 1881 bis 1900 vom Maurermeister Wilhelm Riehmer gebaute Anlage wird zwischen Yorck-, Großbeeren- und Hagelberger Straße von einer Privatstraße erschlossen. Schon bei der denkmalgerechten Sanierung von 1978 bis 1984, die stolze 70 Millionen DM gekostet hat, wurde die Sozialstruktur der Mieterschaft durcheinandergebracht. Nach 1989 hat der alte Eigentümer einige Wohnungen luxusmodernisiert, die zahlungskräftigen Mieter sind aber weitgehend ausgeblieben.
Jens Sethmann
* Name geändert
MieterMagazin 4/07
Der neue Eigentümer von ‚Riemers Hofgarten‘ offeriert Wohnungen zunehmend als ‚Apartments auf Zeit‘
Foto: Christian Muhrbeck
25.04.2019