In einer Privatstraße zu wohnen ist nicht unbedingt ein Privileg. Im Gegenteil. Viele Mieter fühlen sich im wahrsten Sinne des Wortes „abgehängt“.
„Bei uns rasen die Autos durch die Straße, Hunde werden ohne Leine Gassi geführt und ihre Hinterlassenschaften macht niemand weg“, schildert eine Mieterin aus einer Privatstraße in Köpenick die Probleme: Man wisse nicht, welche Rechten und Pflichten gelten und wer eigentlich zuständig ist.
Privatstraßen oder Privatwege sind Straßen, die sich nicht im Eigentum der öffentlichen Hand befinden, sondern Bauherren, Hausbesitzern oder Investoren gehören. Sie sind nicht etwa eine Folge der zunehmenden Privatisierung der Stadt, es gab sie schon zur Gründerzeit. So wurden die Blockinnenräume von Wohnanlagen wie dem Helenenhof in Friedrichshain oder „Riemers Hofgarten“ in Kreuzberg über Privatwege erschlossen. Heutzutage haben viele Neubaugebiete Privatstraßen, häufig sind es Zufahrtswege zu Tiefgaragen oder Grundstücken. Weil sie somit für die Allgemeinheit keinen Nutzen haben, beteiligt sich die öffentliche Hand auch nicht bei den Kosten für Erschließung und Unterhalt. Der Eigentümer ist verpflichtet, sich um den ordnungsgemäßen Zustand zu kümmern, er muss die Kosten für Reinigung, Schneeräumung und Instandhaltung tragen. Dafür steht es ihm aber auch frei, seine Straße ganz oder teilweise für die öffentliche Nutzung zu sperren. Einige Privatstraßen sind ausschließlich Anwohnern vorbehalten, andere lassen auch öffentlichen Verkehr zu.
Wie viele Privatstraßen es in Berlin gibt, vermag die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung nicht zu sagen. „Seit der Änderung des Berliner Straßengesetzes 1999 sind sie sich selbst überlassen, wir beobachten sie auch nicht mehr“, erklärt Hans-Jürgen Frey von der Senatsverwaltung. Vorher wurden die Privatstraßen immerhin von den bezirklichen Tiefbauämtern auf ihren Zustand hin kontrolliert. Bei reinen Privatstraßen, so Frey, hat der Staat mittlerweile keinerlei Handhabe mehr. Sofern der Eigentümer nichts anderes verfügt hat, darf theoretisch beispielsweise kreuz und quer geparkt werden. Bei Privatstraßen mit öffentlicher Nutzung gilt dagegen die Straßenverkehrsordnung. Entsprechende Schilder weisen darauf hin. Verstöße gegen Tempolimits oder Fahren unter Alkohol werden von der Polizei geahndet – nicht anders als bei ganz „normalen“ Straßen. „Der Eigentümer kann aber jederzeit beschließen, den allgemeinen Verkehr wieder zu untersagen“, sagt Frey. Wenn eine Privatstraße wichtig wird, erhält sie eine Widmung und wird somit zur öffentlichen Straße. So waren bis 2003 fast alle Straßen im Wissenschafts- und Technologiepark Adlershof Privatstraßen. Seit sie dem Bezirk übertragen wurden, gelten genau die gleichen Regeln wie im öffentlichen Straßenraum – inklusive polizeilicher Kontrollen.
Straßenbesitz bringt keinen Vorteil
Wohnungsbaugesellschaften und Hausbesitzer sind in aller Regel nicht erfreut darüber, Straßenbesitzer zu sein. „Wir haben keinen Vorteil da-von, die Kosten für Unterhaltung und Instandhaltung gehen ausschließlich zu unseren Lasten“, sagt die Sprecherin des Wohnungsunternehmens Degewo, Erika Kröber.
Die komplizierte Rechtslage führt immer wieder zu Rechtsstreitigkeiten. Die Frage, ob Anlieger von Privatstraßen Straßenreinigungsgebühren zahlen müssen oder nicht, beschäftigte die Berliner Gerichte jahrelang. Letztinstanzlich wurde entschieden: Sie müssen nicht (Kammergericht Berlin, 7. Juni 2007 – 8 U 179/06). Die Berliner Stadtreinigung muss nun rund 15.000 Grundstückseigentümern die seit 2005 kassierten Entgelte zurückerstatten. Für Mieter spielt das indes keine große Rolle. Ob die Reinigung von der BSR oder vom Ver-mieter durchgeführt wird – bezahlt werden muss sie auf jeden Fall über die Betriebskosten.
Birgit Leiß
MieterMagazin 3/09
Viele Privatstraßen in Berlin sind für die öffentliche Nutzung zugelassen
Foto: Christian Muhrbeck
Rechte und Pflichten
Wenn der Vermieter Eigentümer der Privatstraße ist, ist er verpflichtet, sie in Ordnung zu halten und Gefahrenstellen zu beseitigen. Mieter, die sich über mangelnde Saubereit, nicht angeleinte Hunde oder Falschparker ärgern, sollten sich also direkt an ihren Vermieter wenden. Bei Gefährdung, beispielsweise durch Raser, ist die Polizei zuständig. Besucher von Mietern dürfen eine Privatstraße betreten und auch – auf nicht zugewiesenen Parkflächen – parken. Für private Spielplätze in einem Wohnblock müssen die Mieter im Rahmen der Betriebskosten aufkommen, auch wenn sie öffentlich zugänglich sind.
bl
03.05.2019