In Tiergarten müssen 57 zum Teil hoch betagte Senioren einem Neubauprojekt weichen. Dass ihr Haus abgerissen werden soll, ist für sie ein Schock.
Das ehemals bezirkliche Seniorenwohnheim in der Lehrter Straße 67, Ecke Seydlitzstraße 21/22 war 2008 vom Liegenschaftsfonds veräußert worden – ohne verbindliche Auflagen zum Schutz der Mieter. Neuer Eigentümer wurde die Berliner Stadtmission, eine selbstständige Einrichtung unter dem Dach der Evangelischen Kirche, die hier ihr „Zentrum am Hauptbahnhof“ mit Gästehäusern und Anlaufstellen für Obdachlose und Haftentlassene betreibt.
Schon kurz nach dem Aufkauf kursierten Gerüchte, dass die Stadtmission an dieser Stelle einen Neubau errichten will. Doch zunächst hieß es, dass die Wohnhäuser erhalten bleiben könnten.
Ende Januar teilte man den Mietern mit, dass sie bis Ende 2010 ausziehen müssen. Auf dem 27.000 Quadratmeter großen Grundstück soll ein „Zentrum für Entwicklung und Diakonie“ entstehen. Bauherr ist die Evangelische Kirche Deutschland, die hier die Diakonie und den Evangelischen Entwicklungsdienst zusammenlegen will.
Der Bezirk Mitte unterstützt die Pläne. Noch wurde kein Bauantrag gestellt – der Abriss ist ohnehin nicht genehmigungspflichtig -, aber das Wettbewerbsverfahren ist schon recht weit fortgeschritten. „Das Projekt tut der Gegend gut, rundherum ist sonst fast nur noch Kommerz“, findet der Bezirksverordnete Thomas Koch (SPD). Das bestehende Seniorenhaus entspräche zudem nicht mehr den heutigen Standards. Nicht akzeptabel sei jedoch der Umgang mit den Bewohnern, so Koch.
Rechtlich dürften Kündigungen nach Einschätzung des Berliner Mietervereins kaum durchzusetzen sein – nach Auskunft der Stadtmission sind auch keine vorgesehen. „Wir wollen uns mit allen Mietern individuell einigen, wir besorgen Ersatzwohnraum, übernehmen den Umzug und bemühen uns, dass Gruppen zusammenbleiben können“, so Sprecherin Andrea Kuper. Ein Teil der Bewohner könne in das benachbarte Seniorenwohnheim in der Lehrter Straße 69 A ziehen. Für einkommensschwache Mieter werde zudem die Differenz zur bisherigen Nettomiete übernommen. „Das muss für alle gelten, schließlich verzichten die Leute freiwillig auf ihre Rechte“, kritisiert Thomas Koch. Völlig unklar ist auch noch, für wie lange das gelten soll und wie mit höheren Betriebskosten und mit Investitionen für vorgenommene Einbauten umgegangen wird. Hier bleiben die Aussagen der Stadtmission bisher sehr vage.
Birgit Leiß
MieterMagazin 4/10
Bis Ende 2010 sollen die Mieter aus der Lehrter Straße 67 ausziehen – es sind vorwiegend Senioren
Foto: Birgit Leiß
03.05.2018