Der im Auftrag des Senats erstellte Wohnungsmarktbericht 2010 der Investitionsbank Berlin (IBB) bescheinigt den Berlinern eine geringere Mietbelastung als den Bewohnern anderer Großstädte. Der Berliner Mieterverein (BMV) hält die Aussage aufgrund veralteter Zahlen jedoch nicht für stichhaltig.
Wer ein Haushaltseinkommen von 1000 Euro hat, muss in Berlin 35 Prozent davon für die Bruttokaltmiete ausgeben. Bei einem Einkommen zwischen 2000 und 3200 Euro sind es noch 20 Prozent. Die Mietbelastungsquote unterscheidet sich damit nur wenig von den Städten, die im Bericht der IBB zum Vergleich herangezogen wurden: In Köln ist sie nahezu gleich, Hamburg hat eine um wenige Prozentpunkte höhere Mietbelastung, in Dresden liegt sie geringfügig darunter. Nur in München ist die Mietbelastung je nach Einkommen um fünf bis zehn Prozentpunkte höher als in Berlin.
„Wir sind weit entfernt vom Niveau anderer Großstädte“, sagt dennoch Annamaria Schwedt vom Institut „empirica“, das den Wohnungsmarktbericht für die IBB erstellt hat. „Die Mietbelastung ist in Berlin relativ niedrig.“
Der Berliner Mieterverein hält diese Schlussfolgerung hingegen für „unzulässig und nicht durch aktuelle Daten belegt“, so BMV-Geschäftsführer Reiner Wild. Der Bericht beruht auf Zahlen von 2006. Die danach rasant angestiegenen Mieten bei Neuvermietungen sind darin also gar nicht erfasst.
Die Mieten steigen nicht mehr nur in einzelnen Marktsegmenten, sondern auf breiter Front und in fast allen Bezirken. Besonders seit 2009 schießen die Neuvermietungsmieten steil nach oben. Die Studie geht davon aus, dass die Arbeitseinkommen im gleichen Maße angestiegen sind, obwohl daran gezweifelt werden darf. „Es drängt sich der Verdacht auf, dass man mäßigend auf die Diskussion über die Berliner Mietenentwicklung Einfluss nehmen will, ohne die Verhältnisse wirklich zu kennen“, kritisiert Reiner Wild.
Dass der Wohnungsmarkt immer enger wird, zeigt die Bevölkerungsentwicklung: Heute leben in Berlin 165000 Haushalte mehr als im Jahr 2000. Im IBB-Wohnungsmarktbericht wird deshalb ein verstärkter Wohnungsneubau angeregt. Der Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU) sieht dadurch seine Neubauforderungen bestätigt: Bis 2020 müssten laut BBU 60 000 neue Wohnungen gebaut werden.
Für den Mieterverein sind die wiederholten Neubauforderungen eine „Scheindebatte“. Wegen seiner hohen Mieten ab zehn Euro pro Quadratmeter könne der Neubau keine Lösung der Berliner Wohnungsmarktprobleme sein. Viel wichtiger sei es, den vorhandenen Bestand an preisgünstigen Mietwohnungen weiterhin bezahlbar zu halten. „Wir benötigen dringend ein Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum in Gewerbe oder Ferienwohnungen, die konsequente Verfolgung von spekulativem Leerstand und den Ausschluss von Umwandlungen in Eigentumswohnungen in Milieuschutzgebieten“, fordert Reiner Wild vom Berliner Senat.
Jens Sethmann
MieterMagazin 4/11
Quelle: empirica
03.03.2018