Erdwärme eilt der Ruf von Wirtschaftlichkeit und Klimafreundlichkeit voraus. Und längst ist diese Technik nicht mehr nur für Eigenheimbesitzer interessant, sondern auch für große Vermieter. Ob Erdwärme wirklich eine Alternative zu Gas, Kohle oder Heizöl ist, hängt aber von verschiedenen Faktoren ab.
Als Karin und Herbert Ewald im Sommer 2010 die Schlüssel zu ihrer Wohnung bekamen, übernahmen sie mit einer bequemen und gut ausgebauten Wohnung in einem ehemaligen Schwesternheim in Weißensee auch eine Heiztechnik, die für Mehrfamilienhäuser durchaus noch nicht alltäglich ist: Mit Hilfe einer Wärmepumpe wird in ihrer Wohnanlage Erdwärme zum Heizen und für das warme Wasser genutzt. „Uns wurde von Anfang an versichert, das sei viel günstiger so“, erinnert sich der pensionierte Chemiker Ewald. „Aber ich bin da ehrlich gesagt skeptisch …“ Ist Erdwärme, die mit deutlich niedrigeren Heizkosten und klimafreundlicher CO2-Einsparung beworben wird, tatsächlich in jedem Fall günstiger?
Gute Dämmung ist ein Muss
„Ihr Einsatz kann sehr wirksam sein“, bestätigt Energieberater Erhard Bülow. „Allerdings hängt das von mehreren Faktoren ab.“ Zu denen gehört zuallererst die passgenaue Technik: Um die Wärme der Erde zu nutzen, werden entweder horizontale unterirdische Kollektoren verlegt oder – weitaus häufiger – Sonden bis zu 100 Meter tief vertikal in den Boden getrieben. Mit ihrer Hilfe kann die im Verhältnis zur Erdoberfläche höhere Wärme aufgenommen und an das Heizungs- und Warmwassersystem des Hauses abgegeben werden. Für diesen Wärmetausch sind aber auch wieder Strom oder Gas notwendig. Der Energieeinsatz im Verhältnis zur erzeugten Wärme ist dann entscheidend für die Frage, ob es sich lohnt, in eine solche Anlage zu investieren. Ein guter Wert erfordert bestimmte Bodenverhältnisse: Feuchten Böden kann effektiver Wärme entzogen werden als trockenen. Nicht minder wichtig ist der energetische Zustand des Hauses: „Der Standard KFW 70 sollte es schon sein – also ein maximal gedämmtes Haus.“
Am ehesten erfüllt ein Neubau diese Anforderung. Dort sollte auch eine Fußbodenheizung eingebaut sein, weil diese mit einer niedrigeren Vorlauftemperatur arbeitet als herkömmliche Heizkörper.
Ob diese Technik über die Wirtschaftlichkeit hinaus eine vertretbare Emissionsbilanz hat, hängt vom jeweiligen Strommix ab: Je mehr erneuerbare Energien dieser enthält, desto besser für die Umwelt.
Lange haben solche Fragen vor allem Eigenheimbesitzer interessiert. Seit einigen Jahren rüsten auch Vermieter energetisch auf und setzen bei Neubauten auf Erdwärme. Zwei Beispiele: die Berliner Bau- und Wohnungsgenossenschaft von 1892, die in Falkenberg Erdwärme für die Beheizung von 60 Wohnungen einsetzen wird. Und der Beamten-Wohnungs-Verein zu Köpenick, der derzeit in Marienfelde baut und ebenfalls auf Erdwärme setzt. Sie ist hier Teil eines Dreikomponentensystems: Die Erdwärme übernimmt die Grundversorgung. Spitzenlasten im Winter werden durch einen zusätzlichen Gas-Brennwertkessel abgedeckt und mit einem Blockheizkraftwerk (BHKW) wird Strom erzeugt, der unter anderem die Aufzüge bewegt.
Karin und Herbert Ewald aus Weißensee haben sich mit ihrer ersten Heizkostenabrechnung an den Berliner Mieterverein gewandt: „… weil hier alles so wenig transparent läuft und weil wir trotz vieler Auseinandersetzungen bis heute keine durchschaubare Abrechnung in der Hand haben.“ Wie effektiv arbeitet die Erdwärmepumpe in ihrer Wohnanlage?
Der Berliner Mieterverein prüfte ihre Unterlagen – und bescheinigte den Ratsuchenden erst einmal einen günstigen Energieverbrauch und vergleichsweise niedrige Heizkosten. Dass der Wärmepreis dennoch höher ausfällt, als man annehmen sollte, liegt an dem hier beauftragten externen Heizungsbetreiber („Contractor“): „Eine solche Anlage muss natürlich gewartet und repariert werden“, erklärt Energieberater Bülow, „gehört sie einem Wärmelieferanten oder einer Firma, kommt das auf die zu zahlenden Betriebskosten drauf.“
Der Betreiber der Wärmepumpe in der Wohnanlage von Karin und Dr. Herbert Ewald sitzt in Schleswig-Holstein. Wenn von dort Monteure anreisen müssen, kommt das teuer.
Rosemarie Mieder
MieterMagazin 4/13
Eine Pumpe sorgt für den Wärmetausch
Foto: Beamten-Wohnungs-Verein zu Köpenick
Um Erdwärme zu nutzen, werden Sonden in den Boden getrieben
Foto: Bau- und Wohnungsgenossenschaft von 1892
Rat und Tat
Wärme aus Luft und Wasser
Als Wärmequelle können nicht nur tiefer liegende Erdschichten, sondern auch die Außenluft oder das Grundwasser genutzt werden. Grundwasser ist die günstigste Wärmequelle, da es ab 10 Metern Tiefe immer eine Temperatur von etwa 10 Grad Celsius hat. Es ist aber nicht immer und überall in ausreichender Menge und Qualität verfügbar. Luft als Wärmequelle ist am uneffektivsten: Es müssen große Mengen davon umgewälzt werden, die Pumpen laufen nicht geräuschlos – vor allem jedoch ist ihre Heizleistung ausgerechnet im Winter am niedrigsten.
rm
13.12.2015