Wohngemeinschaften haben in Berlin Hochkonjunktur. Studenten suchen auf Internetportalen und über Freunde nach einer günstigen Bleibe in einer angesagten Gegend. Wohnen in einer Gemeinschaft ist eine Alternative für Azubis, Pendler, Geringverdiener, aber auch zunehmend für jene, die ein gemeinschaftliches Leben der Kleinfamilie vorziehen. Ist der Höhepunkt des privaten, abgeschlossenen Wohnens tatsächlich überschritten, wie Wissenschaftler meinen? Gehört dem gemeinschaftlichen Wohnen die Zukunft?
Mitte März – kurz vorm Start des neuen Semesters. Ein Klick auf „wg-suche.de“: 4340 Angebote verzeichnet das Internetportal für Berlin – zuallermeist freie WG-Zimmer. Die Preisschere klafft genauso weit auseinander wie Ausstattung, Komfort, Lage und das Klientel, an das sich die Anzeigen richten. Zwischen 200 und weit über 700 Euro für einen WG-Platz in Französisch Buchholz im Norden, in Siemensstadt am westlichen Rand, in Lichterfelde, Marzahn – vor allem aber in Friedrichshain-Kreuzberg und Neukölln.
„Zwei Monate vor meinem Studienbeginn in Babelsberg habe ich angefangen zu suchen“, erzählt Laura R., die von Dresden nach Berlin kam und erst einmal in das freie Zimmer einer Verwandten gezogen war. „Ich hatte so die Vorstellung: Altbau, abgezogene Dielen, Balkon – das Zimmer sollte wenigstens 18 Quadratmeter haben.“ Aber das Bafög fiel deutlich niedriger aus als erwartet. Von ihrem Traum blieben acht Quadratmeter in einer Wohnung ohne Bad und mit zwei anderen Mitbewohnern. Aber sie haben eine große Wohnküche. Laura zahlt 220 Euro Miete Und immerhin lebt sie nun mitten in Kreuzberg. Ein preiswertes Zimmer im Studentenwohnheim? Oder vielleicht noch kostengünstiger bei der Tante? „Das wäre für mich absolut nicht infrage gekommen“, erklärt die 23-Jährige.
Die Wohngemeinschaft ist die angesagte Wohnform bei Studenten, das hat auch eine Umfrage der Betreiber von wg-suche.de mit dem Marktforschungsinstitut Innofact im vergangenen Jahr ergeben. Danach leben 37 Prozent aller Studenten in Deutschland in Wohngemeinschaften. Fast die Hälfte von ihnen hat das Zimmer über eines der großen WG-Portale im Internet gefunden. Man suchte zwischen zwei und sechs Wochen und ist schließlich in ein Zimmer zwischen 15 und 30 Quadratmeter eingezogen. „Der Markt ist vor allem in den großen Uni-Städten extrem gewachsen“, sagt Carsten Wagner, einer der Begründer von wg-suche.de. Und das ist ja auch kein Wunder: Nach einer Analyse der Datenbank von Immobilienscout24 musste man für eine 30 Quadratmeter große Singlewohnung in Berlin 2014 schon 10,5 Prozent mehr für Warmmiete auf den Tisch legen als noch 2012, wenn man überhaupt eine solche Wohnung findet. „Nach unserer Statistik ziehen vor allem die 16- bis 35-Jährigen in eine WG ein“, sagt Carsten Wagner. Das sind allerdings längst nicht nur Studenten, sondern mehr und mehr auch Berufspendler und Azubis, die sich noch keine eigene Wohnung leisten können, aber daheim raus wollen oder müssen, weil die Lehrstelle in einer anderen Stadt liegt.
Stephanie Klee, Mediatorin, 62 Jahre alt, passt nicht in das Schema. Die Berlinerin lebt mit 20 anderen Mitbewohnern in der „Spree-WG 1“, einer Gemeinschaft, die sich vor fast fünf Jahren zusammengefunden hat. „Damals bekam ich von einer Freundin eine E-Mail mit der Bitte um Weiterleitung“, erinnert sie sich. Gesucht wurden Interessenten für eine große Wohngemeinschaft. „Ich hatte mich gerade selbst nach einer Wohnalternative umgeschaut und bin einfach zum Casting gegangen.“
Eine abgefahrene Situation war das, findet sie heute. Da saß sie vor einer Gruppe von Leuten, die ihr viele Fragen stellten: „Zu meiner Arbeit als Mediatorin, meiner Wohnsituation, meinen Wohnvorstellungen …“ Damals wuchs gerade der erste Rohbau auf einem Areal zwischen Spreeufer und Köpenicker Straße. Eine neugegründete Berliner Wohnungsgenossenschaft hatte das Grundstück am Deutschen Architektur Zentrum erworben und drei mehrgeschossige Bauten geplant. In jedes Haus sollten auch Wohngemeinschaften einziehen.
Hier geht es nicht um Eigentum
„Ein Glücksfall – allein schon, wenn man sich den heutigen Berliner Wohnungs- und Immobilienmarkt ansieht“, sagt Michael LaFond, amerikanischer Architekt und Stadtplaner, der seit vielen Jahren in Berlin lebt und die Idee von der Spree-WG mitentwickelte. Vor allem aber konnten sich die WGler von Anfang an in Planung und Auswahl zur Ausstattung einbringen und damit auch Einfluss auf den Kostenrahmen der Neubauten nehmen: „Wir sind keine Baugruppe, es geht uns nicht um Eigentum, sondern um bezahlbaren Wohnraum für alle Bewohner“, so Michael LaFond.
Als GbR ist die Spree-WG Mitglied der Genossenschaft, alle haben dafür Genossenschaftsanteile erworben und mit Eigenkapital auch einen Teil der Baukosten mitfinanziert. Seit einem Jahr leben sie zusammen: 21 WGler, unter ihnen zwei Kleinkinder und vier Teenager. Sie bewohnen Zimmer beziehungsweise Apartments zwischen 15 und 60 Quadratmetern und belegen über zwei Etagen eine Gesamtfläche von 800 Quadratmetern. Dafür zahlen sie Miete entsprechend der Größe ihres privaten Wohnraums und ihrem Anteil an den Gemeinschaftsflächen – 7,50 Euro pro Quadratmeter.
Für Michael LaFond ist gemeinschaftliches Wohnen eine Lebensform, die immer bedeutender wird. Dafür gäbe es neben ökonomischen Zwängen vor allem soziale Gründe: „Wir haben als Menschen Jahrtausende in Gruppen gelebt. Wenn sie sich heute vor allem in den Städten umschauen, leben da mehr als 40 Prozent Singles.“ Größere berufliche Mobilität, fehlende Familienstrukturen, demografischer Wandel: „Wir müssen das Miteinander wieder lernen.“
Dass es dafür jedoch nicht nur Zwänge, sondern auch begünstigende Bedingungen braucht – gesellschaftliche wie räumliche – dafür steht die Kreuzberger Nachbarschaft der WG am Spreeufer wie kaum ein anderer Berliner Kiez. In den 70er und 80er Jahren war hier im Schatten der Mauer mehr und mehr Leerraum entstanden, der Platz bot für immer neue Wohnprojekte. „Den berühmten Kreuzberger Mix, die Melange aus Wohnen und Gewerbe, gab es ja immer weniger“, sagt der Soziologe und Stadtforscher Sigmar Gude. West-Berlin war eben trotz Subventionen ein schwieriger Wirtschaftsstandort. Gude: „Ganze Wirtschaftsgebäude standen leer und die Besitzer der Immobilien waren heilfroh, wenn sich Mieter fanden, damit sie Einnahmen hatten.“
Mieter wie Rolf Krenz: „Allein wohnen hatte ich nach dem Auszug von zu Hause ausprobiert. Das war nichts für mich.“ Schon als 24-Jähriger zog der gelernte Fernmeldemechaniker in den 70er Jahren in seine erste WG in Charlottenburg, zu sieben anderen Mitbewohnern: einer Lehrerin, einem Krankenpfleger, Azubis und Studenten. Krenz wollte anders leben als die Eltern, die sich für Schrankwand, Auto und Italienurlaub abrackerten, auch wenn deren Generation Wohnprojekte wie seines mit Misstrauen sahen. Wohngemeinschaften standen im Verruf, exotisch, revolutionär oder gar subversiv zu sein. Rolf Krenz: „Für so manchen waren wir Halb-Kriminelle.“
Mit und ohne Ideale
Anfang der 1980er Jahre zog er mit vier Gleichgesinnten in seine nächste WG. Sie hatten eine Fabriketage in der Kreuzberger Schlesischen Straße gefunden und gemeinsam ausgebaut. „Wir haben zu fünft auf 250 Quadratmetern gewohnt und hatten neben unseren Zimmern wirklich großzügige Gemeinschaftsflächen“, schildert Krenz heute die komfortable Wohnsituation, in der er mit Anfang 30 lebte: eine geräumige Küche, Schränke im Flur, Platz für Fahrräder und Schreibtische im Gemeinschaftsraum, sogar eine Kaminecke gab es. Und das zu einem Mietpreis, den alle gemeinsam sich leisten konnten. „Wenn es bei einem mal nicht klappte, weil er vielleicht keine Arbeit hatte, dann wurde ihm unter die Arme gegriffen und die Miete ausgelegt“, betont der einstige WGler. Gemeinsamkeit und Solidarität wurden in der Schlesischen Straße groß geschrieben.
Ganz ähnlich wie hinter so manchen Türen wenige Kilometer ostwärts, jenseits der Mauer. Auch wenn die Gründe, warum junge Leute in Ost-Berlin zusammenlebten, mehr mit dem volkseigenen Wohnungsmarkt zu tun hatten als mit Idealen: „Ick wollte einfach zu Hause raus!“ Michael Gohlkes WG-Erfahrung begann 1987. „… eine eigene Wohnung? Da hätte ich ja gar keinen Anspruch drauf gehabt, da gab es überhaupt keine Chance.“
Also zog der gelernte Betonfacharbeiter zu einem Kumpel, der sich in einer leerstehenden Wohnung in der Pankower Florastraße eingenistet hatte. „Die war nicht gerade gut in Schuss, aber erstaunlich groß.“ Und es interessierte im Grunde niemanden, wenn da alle möglichen Leute zum Übernachten kamen. Heruntergekommene und oft leerstehende Hinterhofwohnungen in Ost-Berlin luden zu illegalen Besetzungen geradezu ein. Dass Dächer nicht dicht waren, die Treppengeländer fehlten und das Klo im kalten Hausflur eine Treppe tiefer lag – wen störte das? Die oft nicht mehr oder nur schwer vermietbaren Wohnungen lagen ja mitten in der Stadt: in der Linien- und Wilhelm-Pieck-Straße (heute Torstraße), am Kollwitz- oder Husemannplatz.
„Der Mauerfall hat die Situation vollständig verändert“, so Sigmar Gude – hüben wie drüben. „In Kreuzberg beispielsweise stieg die Nachfrage nach Gewerberäumen wieder an – und das war auch das Aus für viele Wohngemeinschaften, die ja oft nur Zeit- oder Gewerbemietverträge hatten.“ Die Fabriketage in der Schlesischen Straße, in der Rolf Krenz 18 Jahre lang mit anderen wohnte, ist heute ein Tonstudio. Aber die Ex-WGler treffen sich noch immer regelmäßig. Es wird gegessen, getrunken, geredet. Wie damals. Nur, dass die Treffen heute reihum in den privaten abgeschlossenen Wohnungen eines jeden von ihnen stattfinden.
„Das Wohnerlebnis in Deutschland: Konstanz und Wandel in den letzten 20 Jahren“, so lautet der Titel einer Studie, die die Leibnitz-Universität Hannover im Jahr 2012 vorstellte – und die es so ähnlich schon einmal zwei Jahrzehnte zuvor gegeben hat. Sie dokumentiert einige interessante Entwicklungen: „Es ist durchaus noch immer so, dass die private abgeschlossene Wohnung von den allermeisten Menschen favorisiert wird“, sagt die Soziologin Annette Harth, eine der beiden Autorinnen der Studie. „Selbst wenn es heute mehr Räume sind und mehr Quadratmeter, auf denen wir wohnen, ist die Wohnung nach wie vor der Ort des Rückzuges, der Zusammengehörigkeit, der Selbstverwirklichung und der Freizeit.“ Allerdings werden mehr und mehr Menschen von zu Hause aus aktiv: Sie kaufen im Internet ein, pflegen dort ihre Kontakte und erledigen immer öfter ihren Job vom heimischen Computer aus. Das Wohnzimmer – nach wie vor für die meisten klarer Mittelpunkt der Wohnung – scheint sich nach außen zu öffnen: Singles und Paare empfangen mehr Gäste, erwachsen werdende Kinder bringen Freunde ins Haus, Patchworkfamilien treffen sich in unterschiedlicher Besetzung am Esstisch oder vor dem Flachbildschirm. „Die Kleinfamilie ist längst nicht mehr das vorherrschende Modell“, so schlussfolgert Annette Harth aus den Umfrageergebnissen. „Und in einem sind sich heute viele Wissenschaftler einig: Der Höhepunkt des privaten, abgeschlossenen, intimen Wohnens ist überschritten.“
Routiniert in Alltag und Konfliktlösung
Für Clara S. war das Alleinwohnen nie eine erstrebenswerte Lebensform: „Ich fände das ganz einfach langweilig“, sagt die 36-jährige Freiberuflerin. Gemeinschaftliches Wohnen dagegen gebe ihr Anregungen, fordere sie heraus: „Ich finde, es ist das beste Training für meinen Alltag und für meinen Beruf.“ Dieses Training absolviert sie seit ihrer Studentenzeit. Seit fünf Jahren wohnt sie nun schon mit fünf Mitbewohnern im Gartenhaus eines ruhigen Kreuzberger Hinterhofes: Bad und Waschküche im Keller, eine geräumige Wohnküche, zu den einzelnen Zimmern führt eine schmale Treppe nach oben. Die alten Holzbalken, die unendlich vielen Dosen und Gläser mit Gewürzen, Tees und anderen Vorräten, unterschiedlichste Tassen und Teller, die abgenutzten schwarzen Ledermöbel in der Sitzecke, Zeitungen, Kinderspielzeug – das Gartenhaus scheint schon ewig Wohngemeinschaft zu sein. Der Alltag ist eingespielt, das WG-Leben gut organisiert: Jeder zahlt in die gemeinsame Kasse. Daraus werden Miete und wenn nötig Betriebskosten nachgezahlt. Das Geld muss für notwendige Reparaturen und einige Grundnahrungsmittel reichen. „Wir treffen uns alle 14 Tage am Mittwochabend und besprechen aktuelle Probleme“, sagt Clara S.: Organisatorisches, Probleme mit dem Vermieter, die defekte Waschmaschine, der nächste Putzplan.
„Sauberkeit, Ordnung und Lautstärke sind die Hauptkonfliktpunkte beim Zusammenwohnen“, sagt Iris Altheide, Mediatorin beim Studentenwerk Berlin. Dazu kommen unterschiedliche Vorstellungen über das Gemeinschaftsleben: „Manche sehen eine WG nur als eine günstige Mitwohnmöglichkeit – andere möchten gerne öfter etwas zusammen machen.“ Iris Altheide rät, sich vor dem Einzug in eine WG so gut wie möglich kennenzulernen, über gegenseitige Erwartungen und Vorstellungen vom Zusammenleben zu sprechen.
„Eigentlich kommen gar nicht so viele Streitfälle bis zu uns“, so Iris Altheide. Dabei ist die Mediation im Rahmen der Sozialberatung des Studentenwerkes kostenfrei, selbst dann, wenn nur ein WG-Bewohner Student ist. Dafür landen immer öfter Anfragen auf ihrem Tisch, die sie an die Rechtsberatung beispielsweise des Berliner Mietervereins weiterreichen muss. Wie der Fall von Josefine St.: Seit 2013 lebt die Studentin mit fünf Mitbewohnern zusammen. Als einer auszog wollten sie wie immer gemeinsam einen Nachfolger suchen. Doch diesmal bremste die Hausverwaltung, der Vermieter habe mit dem Zimmer anderes vor. Seit Dezember vergangenen Jahres lebt nun ein 56-jähriger Frührentner in der Studenten-WG. Am Gemeinschaftsleben hat er keinerlei Interesse, er sagt kaum Guten Tag – dafür dringt aus seiner Zimmertür Zigarettenrauch und zieht in den Flur und die Gemeinschaftsküche. „Ich hab mich erkundigt, aber ich fürchte, wir können nichts machen“, klagt Josefine St. Alle haben ihren eigenen Mietvertrag mit dem Vermieter und möglicherweise will er sie so aus der immer noch günstigen WG herausdrängen, um dann teurer zu vermieten. „Sobald ich einen festen Arbeitsvertrag habe, suche ich mir etwas anderes“, hat Josefine St. für sich beschlossen. Leicht werden dürfte auch das nicht.
Konkurrenz für die Familie
„Wir beobachten seit einiger Zeit, wie der Anteil großer studentischer Wohngemeinschaften wieder ansteigt“, erklärt der Stadtforscher Sigmar Gude. Während Studenten früher vor allem Einzimmerwohnungen anmieteten, ist das heute auf dem Wohnungsmarkt kaum noch möglich. „Aber wenn sie ihre geringen Mittel zusammentun, können sie sich immer noch eine große Wohnung leisten, die für viele Familien unbezahlbar geworden ist.“ Studenten-Wohngemeinschaften sind damit zu Konkurrenten auf dem Wohnungsmarkt geworden. Dabei verändern sie die Quartiere und die Marktbedingungen. So zeigen Gudes Untersuchungen, dass nach Nord-Neukölln in den letzten Jahren immer mehr Studenten gezogen sind. Und ihre Haushalte werden größer. Nur noch 10 Prozent von ihnen wohnen allein. Die Hälfte wohnt zu zweit und bereits 40 Prozent zu dritt oder mit mehr Personen in einer WG. Auch im teuren Kreuzberg, einst Keimzelle alternativer und kollektiver Lebensformen, ist der Anteil großer Wohngemeinschaften wieder am Wachsen.
Rosemarie Mieder
Mietverträge für Wohngemeinschaften: Vor- und Nachteile
In der Wohngemeinschaft stellen sich mietrechtlich besondere Fragen: Wie komme ich aus einem gemeinsamen Mietvertrag wieder heraus? Kann der Vermieter einen Wechsel bei den Mitgliedern einer WG blockieren? Wer haftet für Schäden? Volker Hegemann, Rechtsberater beim Berliner Mieterverein: „Für die Beantwortung dieser Fragen ist die Form des Mietvertrages von entscheidender Bedeutung.“
Variante 1: Alle werden Hauptmieter
Wenn alle WG-Mitglieder den Hauptmietvertrag unterschreiben, dann haben auch alle dem Vermieter gegenüber die gleichen Rechte und Pflichten. Das bedeutet jedoch, dass unter Umständen jeder Einzelne dem Vermieter gegenüber haftet – sowohl für die Miete, die ein anderer nicht zahlen kann, als auch für Schäden, die ein anderes WG-Mitglied in der Wohnung anrichtet. Will einer ausziehen, so muss er sich darüber sowohl mit den anderen Mitbewohnern als auch mit dem Vermieter einigen, denn er braucht für den Ausstieg aus dem Mietvertrag ihre Zustimmung. Die kann allerdings ein Vermieter nicht so ohne Weiteres versagen. Das wurde in zurückliegenden Jahren immer wieder von Gerichten entschieden: „Wer eine Wohnung an eine Wohngemeinschaft vermietet“, so beispielsweise das Landgericht Berlin 2013 (65 S 78/13), „der muss das sich daraus ergebende Wechselrecht … in Kauf nehmen, wenn das nicht ausdrücklich vertraglich ausgeschlossen ist.“
Variante 2: Ein Hauptmieter, mehrere Untermieter
Diese Variante setzt erst einmal die Erlaubnis des Vermieters zur Untervermietung voraus. Dann jedoch hat derjenige, der den Hauptmietvertrag unterschrieben hat, das Sagen. Aber er trägt dafür auch das volle Risiko: Er zahlt die Kaution, ist für pünktliche Mietzahlung verantwortlich und haftet für Schäden. Wird ihm gekündigt oder kündigt er selbst, müssen in aller Regel auch die anderen ausziehen.
Hierzu der Mietrechtstipp: Selbst wenn nur einer den Mietvertrag unterschreibt, lohnt es sich, darin die Gründung einer WG festzuhalten. Denn daraus lässt sich ein Wechselrecht bei einzelnen Mitbewohnern ableiten.
Variante 3: Einzelmietverträge für die WG-Zimmer
Jeder Vermieter kann die Zimmer einer Wohnung auch einzeln vermieten. In diesem Fall ist jeder in der Wohngemeinschaft nur für sich selbst zuständig und kommt wieder aus dem Mietvertrag heraus, ohne dass er dabei von den anderen abhängig ist. Der gravierende Nachteil: Der Vermieter kann bestimmen, wer in ein leer gewordenes WG-Zimmer einzieht – und das muss nicht im Sinne der anderen sein. Volker Hegemann: „Hier sollte man auf ein Gewohnheitsrecht pochen, wenn der Vermieter beziehungsweise die Hausverwaltung das bisher immer der WG überlassen haben.“
Und noch eins rät der Mietrechtsexperte: Steht ein Wechsel in der Wohngemeinschaft an, sollte das dem Vermieter oder der Hausverwaltung immer mitgeteilt werden.
rm
WG-Portale und Tipps:
www.wg-gesucht.de
Das älteste deutsche Portal im Netz für die WG-Suche. Verfügt über die meisten Angebote.
www.wg-suche.de
Zeigt mehr Informationen über potenzielle Mitbewohner als die anderen Portale.
www.wgcompany.de
Vor allem in den Städten Berlin, Hamburg, München präsent.
www.studenten-wg.de
Hier auch Informationen zum Studienplatztausch.
Mediation bei Streitfällen in studentischen WGs über das Studentenwerk in Berlin:
mediation@studentenwerk-berlin.de
Die WG als Wohnform wird längst nicht nur in Deutschland von Studenten bevorzugt. Laut „Eurostudent Reports“ teilen sie diese Vorliebe mit ihren slowakischen Kommilitonen (44 Prozent) und den Iren (36 Prozent). Dagegen kennen nur 16 Prozent der italienischen Studenten das WG-Leben – 75 Prozent wohnen noch bei ihren Eltern. Die meisten Einzelgänger dagegen leben in Frankreich (37 Prozent), in Finnland (36 Prozent) und in Österreich (30 Prozent).
rm
07.10.2018