Seit Menschengedenken hat man ohne Beanstandung das Auto im Hof geparkt, schon immer im Hausflur das Fahrrad abgestellt, vor Jahren auf dem Balkon eine Satellitenschüssel installiert – und plötzlich möchte der Vermieter das verbieten. Können Mieter sich dabei auf ein Gewohnheitsrecht berufen?
Meist geht es um die Nutzung der Gemeinschaftsflächen. Flure, Treppenhäuser und Höfe stehen allen Mietern gleichermaßen zur Verfügung. Grundsätzlich dürfen Mieter nur die Flächen in Beschlag nehmen, die sie auch zum alleinigen Gebrauch angemietet haben. Gemeinschaftsräume gehören jedoch nicht zur Mietsache. Man kann also nicht einfach so als Erdgeschossmieter einen Teil des Hofes als seine alleinige Terrasse ansehen oder gar einzäunen, wenn man dafür keine ausdrückliche Genehmigung vom Vermieter hat. Auch das Aufstellen von Regalen oder eines Schuhschranks vor der Wohnungstür ist in der Regel nicht erlaubt.
Selbst wenn solche Nutzungen über Jahre hinweg vom Vermieter geduldet wurden oder der Vermieter vor langer Zeit einmal eine mündliche Erlaubnis gegeben hat, entsteht kein Gewohnheitsrecht daraus. Wer sein Auto immer im Hof abstellt oder den Dachboden seit ewigen Zeiten zum Wäschetrocknen nutzt, ohne dass es darüber eine schriftliche Vereinbarung gibt, muss jederzeit damit rechnen, dass der Vermieter ihm dies für die Zukunft verbietet. „Ein mietrechtliches Gewohnheitsrecht gibt es in der Regel nicht“, erklärt Stefan Schetschorke, Leiter der Rechtsabteilung des Berliner Mietervereins.
Das musste auch eine Berliner Mieterin erfahren, die vom Vermieter die Erlaubnis bekommen hatte, dass ihre Kinder ihre Fahrräder im Hof abstellen dürfen, da sie noch nicht kräftig genug waren, um sie in den Fahrradkeller zu tragen. Nach einigen Jahren widerrief der Vermieter die Erlaubnis, weil die Kinder mittlerweile ohne Mühe den Keller benutzen konnten. Zu Recht, meinte das Landgericht Berlin, denn eine solche aus Gefälligkeit erteilte Erlaubnis könne aus sachlich gerechtfertigtem Grund auch wieder entzogen werden (LG Berlin vom 26. Mai 2011 – 67 S 70/11).
Ein Rechtsanspruch entsteht nur dann, wenn eine sogenannte konkludente Vertragsergänzung zustande gekommen ist – also wenn sich Vermieter und Mieter so verhalten haben, als hätten sie über das fragliche Nutzungsrecht eine mietvertragliche Vereinbarung geschlossen. Den Beweis dafür muss der Mieter erbringen. Er muss nachweisen, dass der Vermieter davon Kenntnis hat, die Nutzung trotzdem über eine längere Zeit geduldet hat und durch sein Verhalten gezeigt hat, dass er nicht dagegen vorgeht. „Das wird in aller Regel schon an der Beweisführung scheitern“, sagt Stefan Schetschorke.
Steht der Keller im Mietvertrag?
Die Argumente, dass es schon immer so gehandhabt wurde und auch anderen Mietern solche Nutzungen erlaubt sind, reichen nicht aus. Generelle Regelungen, in welcher Form und wie lange ein Vermieter einen Zustand geduldet haben muss, damit man Chancen hat, sich auf das Gewohnheitsrecht zu berufen, gibt es nicht. „Das ist immer einzelfallbezogen“, so Schetschorke.
Selbst die Kellernutzung ist nicht immer gesichert. In vielen Mietverträgen wird kein mitvermieteter Kellerraum genannt, dennoch bekommt der Mieter meist mündlich einen Kellerverschlag zugewiesen. Wenn der Vermieter später dem Mieter den Keller wieder entziehen will, kann der Mieter nicht mit dem Gewohnheitsrecht argumentieren. Hier handelt es sich um eine „unentgeltliche Leihe“ – und die kann der Vermieter jederzeit beenden.
Wer also sicher gehen will, sollte sich das Nutzungsrecht schriftlich vom Vermieter bestätigen lassen.
Jens Sethmann
Gebrauchsrechte können nicht entzogen werden
Die Nutzung von Fluren, Treppenhäusern und Höfen gehört zum Gebrauchsrecht des Mieters, auch wenn darüber nichts im Mietvertrag steht. Das gilt nicht nur für alle Mitglieder des Mieterhaushalts, sondern auch für Besucher. Man kann also auch mit Freunden im Hof sitzen, sofern man die Mitmieter nicht stört und nicht gegen die Hausordnung verstößt. Strittig wird es, wenn man einen Teil der Gemeinschaftsfläche dauerhaft besetzt und andere Hausbewohner in ihrem Nutzungsrecht einschränkt. Eine Fußmatte vor die Wohnungstür gilt aber als allgemein üblich und bei schlechtem Wetter dürfen dort vorübergehend auch mal nasse Schuhe abgestellt werden, doch Schuhregale oder andere Einrichtungsgegenstände im Treppenhaus muss der Vermieter nicht dulden.
js
28.09.2018