Als Werner Orlowsky 1981 zum Baustadtrat des Bezirks Kreuzberg gewählt wurde, war er der erste grün-alternative Baustadtrat und deutschlandweit einer der Ersten aus dieser noch jungen Bewegung, der ein politisches Amt übernahm.
Werner Orlowsky, 1928 in Berlin geboren, hatte Geschichte und Philosophie studiert, übernahm aber 1961 in der Dresdener Straße einen Parfümerieladen. Als die Pläne bekannt wurden, im Rahmen der Stadterneuerung den ganzen Straßenzug zu entmieten und abzureißen, engagierte er sich in der Betroffenenvertretung des Sanierungsgebietes Kottbusser Tor. Als Sprecher der Gewerbetreibenden kämpfte er gegen die Kahlschlagsanierung.
Diesen Kampf setzte Orlowsky als Baustadtrat fort. Ohne Verwaltungserfahrung führte er sein Amt auf unkonventionelle Weise: nicht vom Schreibtisch aus, sondern im offenen Gespräch mit den Menschen. Er verhandelte mit Instandbesetzern, Hauseigentümern und Sanierungsträgern, verhinderte Räumungen und Abrisse, sicherte alternative Kultur- und Nachbarschaftszentren und half der Altbau-IBA in die Spur, jenem Zweig der Internationalen Bauausstellung 1984/87, der sich eine sozialverträgliche Erneuerung der bestehenden Häuser auf die Fahnen geschrieben hatte. Er ging Konflikten mit anderen Behörden oder Baugesellschaften nicht aus dem Weg und stand immer auf der Seite der Betroffenen. Deshalb genoss „Orly“ oder „der Dicke“, wie er genannt wurde, großes Vertrauen – auch über Kreuzberg hinaus.
Die Alternative Liste stellte ihn 1985 sogar als Bezirksbürgermeisterkandidat auf. Das klappte nicht, stattdessen geriet seine Wiederwahl zum Baustadtrat zu einem monatelangen Gezerre. Die Bezirks-SPD warf ihm eine inkompetente Amtsführung vor. Stimmen von der CDU verhalfen ihm schließlich zur zweiten Amtszeit.
1989 kandidierte er nach acht erfolgreichen Jahren nicht erneut. Er baute nach dem Mauerfall als „Wanderprediger“ (so hat sich Orlowsky selbst bezeichnet) in den Ostbezirken Mieterberatungen und Verwaltungsstrukturen auf. Mit dem von ihm gegründeten „Stadtforum von unten“ setzte er einen Kontrapunkt zu den erstarrten Debatten im offiziellen „Stadtforum“ des Senats. Werner Orlowsky starb am 16. Februar 2016 im Alter von 87 Jahren.
Jens Sethmann
20.09.2021