Wenn ein Bauherr in Neukölln eine Baulücke schließen möchte oder eine Nachverdichtung im Hof plant, bekommt er nur noch dann eine Baugenehmigung, wenn er 30 Prozent Sozialwohnungen baut.
„An vielen Stellen wird am Bedarf der Neuköllner vorbei gebaut“, sagt Neuköllns Baustadtrat Jochen Biedermann (Grüne). Neubauten mit teuren Wohnungen werden in der Nachbarschaft als Fremdkörper wahrgenommen. Biedermanns Verwaltung hat deshalb das „Neuköllner Modell für kiezverträglichen Wohnungsbau“ erarbeitet. „Damit setzen wir einen Rahmen für bezahlbare und lebenswerte Kieze“, so der Stadtrat.
Bauvorhaben mit mehr als 1000 Quadratmetern Geschossfläche – das entspricht ungefähr einem fünfgeschossigen Haus mit einer innenstadttypischen Breite von 20 Metern – müssen nun mit einem 30-prozentigen Sozialwohnungsanteil gebaut werden. Das heißt: Diese Wohnungen müssen zur Einstiegsmiete von 6,50 Euro pro Quadratmeter an Inhaber eines Wohnberechtigungsscheins vermietet werden. Ob der Bauherr dafür die Förderung des Landes Berlin in Anspruch nimmt, bleibt ihm überlassen. Außerdem muss er sich an der Finanzierung von Kita- und Grundschulplätzen beteiligen.
Solche Auflagen gibt es stadtweit schon seit 2014 als „Berliner Modell der kooperativen Baulandentwicklung“. Das Berliner Modell greift aber erst bei größeren Bauprojekten, nämlich wenn ein Bebauungsplan aufgestellt werden muss, um Baurecht neu zu schaffen.
Bei kleineren Vorhaben gewährt der Baunutzungsplan von 1961 quasi überall in West-Berlin grundsätzlich Baurecht. Allerdings erlaubt er nur eine sehr geringe Baudichte. Daher müssen Bauwillige fast immer eine Befreiung vom Baunutzungsplan beim Bezirksamt beantragen. Diese Befreiung koppelt Neukölln nun an Sozialauflagen. Bezirk und Bauherr schließen darüber einen städtebaulichen Vertrag ab.
Neukölln hat noch Lücken für rund 2100 Wohnungen. Bis zu 700 bezahlbare Wohnungen können mit dem neuen Modell entstehen. Die anderen alten Westbezirke könnten diesen Hebel ebenfalls nutzen. In den Ostbezirken fehlt jedoch der Baunutzungsplan als Eingriffsmöglichkeit. Sofern kein neuerer Bebauungsplan vorliegt, haben dort Bauherren Anspruch auf eine auflagenfreie Baugenehmigung, wenn sich ihr Projekt in die Umgebung einfügt.
Jens Sethmann
27.03.2020