Das Haus in einem beliebten Moabiter Kiez verfällt seit Jahren. Mit rücksichtslosen Bauarbeiten hat sich die Situation für alle, die noch da wohnen, weiter zugespitzt. Das soll vielleicht auch so sein, vermuten diese: Sie stehen nämlich Gewinninteressen im Wege.
Wird mit dem fortlaufenden Verfall eines Moabiter Wohnhauses auf Entmietung und Abriss hingearbeitet? Vor einem Jahr stellte das MieterMagazin in einem Bericht über die Zustände in der Jagowstraße 35 diese Frage. Sie kann inzwischen mit „Ja“ beantwortet werden. Am 8. August 2022 ging beim zuständigen Bauamt Mitte der Antrag auf Abbruch und Neubau des Vorderhauses mit Tiefgarage sowie auf Sanierung des angrenzenden Seitenflügels und Hinterhauses ein. Den Gewinnerwartungen der Eigentümer in Bezug auf die Immobilie scheinen die Mieter:innen des Hauses im Wege zu stehen. Viele sind bereits unter dem Druck der Zustände ausgezogen, das zum Abriss bestimmte Vorderhaus ist nahezu leer. Für die Verbliebenen spitzte sich die Situation zu: So verursachte ein Wasserrohrbruch einen großen Feuchteschaden im Hausflur, schädigte die Bausubstanz des Vorderhauses weiter und stellt durch herabfallende Putzstücke eine Gefahr dar.
„Aber wirklicher Terror waren die Bauarbeiten“, erklärt eine Mieterin. Sie zogen sich über Monate hin. Ohne Rücksicht auf die dort Wohnenden wurde entkernt, Böden und Schüttungen entfernt, Balken freigelegt. „Krach und Dreck waren unerträglich“, erinnert sich die Mieterin.
Die bezirkliche Bau- und Wohnungsaufsicht unternahm nichts gegen diese Zustände und Belastungen, entsprochen wurde dagegen dem Antrag der Eigentümer auf eine Zweckentfremdungsgenehmigung für 16 leerstehende Wohnungen. Denn nach den Bauarbeiten waren die nun tatsächlich unbewohnbar. Bis Ende 2024, so die Auflage, sollen die Sanierungsmaßnahmen durchgeführt und der Wohnraum wieder hergestellt sein.
„Aber weder wurde bisher in dem entkernten Bereich saniert noch wurden uns Austauschwohnungen für die Zeit der Bauarbeiten in unseren Wohnungen angeboten“, so besagte Mieterin. Offensichtlich spekuliere man darauf, dass alle erschöpft aufgeben und ausziehen. Denn eine Aufteilung zwecks Umwandlung in Wohneigentum ist bereits Ende 2020 erfolgt. Sind die leeren Wohnungen in Seitenflügeln und Hinterhaus saniert, können sie leerstehend sofort für einen hohen Preis verkauft werden.
Der Eigentümer habe glaubhaft dargelegt, dass die Modernisierungsmaßnahmen erforderlich sind, wurde der Grünen-Politikerin Katrin Schmidberger auf ihre Anfrage im Berliner Abgeordnetenhaus mitgeteilt. In Bezug auf Abriss und Neubau des Vorderhauses seien die Prüfungen aber noch nicht abgeschlossen. Jedoch: „Werden alle erforderlichen Kriterien erfüllt, ist die Genehmigung zu erteilen“, heißt es in der Antwort.
Rosemarie Mieder
24.03.2023