Wer in Berlin eine Mietwohnung sucht, muss tief in die Tasche greifen. Laut Wohnungsmarktbericht der Investitionsbank Berlin (IBB) sind die Angebotsmieten so stark angestiegen wie noch nie. Der Berliner Mieterverein (BMV) verlangt wirksame Regulierungen. Der Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU) präsentiert hingegen ganz andere Zahlen und sieht Mieterhöhungen als unumgänglich.
Im letzten Jahr sind dem IBB-Wohnungsmarktbericht 2023: Regulierungen des Wohnungsmarktes dringend erforderlich! zufolge die Angebotsmieten um 21 Prozent auf 13,99 Euro pro Quadratmeter nettokalt gestiegen. „In der Innenstadt finden Sie kaum noch Angebote unter 18 Euro“, sagt Studienleiter Arnt von Bodelschwingh. Wer aufgrund des knappen Angebots gezwungen ist, eine möblierte Wohnung anzumieten, muss alles inklusive über 24 Euro pro Quadratmeter hinlegen, nettokalt noch fast 20 Euro. Erstmals gab es 2023 mehr Inserate für möblierte Wohnungen auf Zeit als für reguläre Mietverhältnisse.
„Das ist eine alarmierende Entwicklung“, sagt BMV-Geschäftsführerin Ulrike Hamann-Onnertz. Der BMV warnt den Senat davor, weiterhin allein auf den Neubau zu setzen. Bei Mieten von knapp 20 Euro pro Quadratmeter im freifinanzierten Neubau würden keine bezahlbaren Wohnungen entstehen. Die aktuellen Fertigstellungszeiträume von 28 Monaten bringen auch keine schnelle Lösung. Stattdessen fordert der BMV, dass der Senat über das Baurecht auf die Schaffung leistbarer Wohnungen hinwirkt, die Mietpreisbremse stärker kontrolliert und das möblierte Wohnen transparent reguliert.
Dem BBU sind die Berliner Mieten hingegen zu niedrig. Laut BBU-Marktmonitor sind von Mitte 2022 bis Mitte 2023 die Nettokaltmieten in den Beständen der Mitgliedsunternehmen um 1,4 Prozent auf 6,59 Euro pro Quadratmeter gestiegen. Die Neuvertragsmieten waren mit 8,03 Euro nur 0,9 Prozent höher als im Vorjahr. Die Neubaumieten sind demnach sogar um 0,3 Prozent auf 10,95 Euro gesunken.
„Diese Zahlen werden Berliner Mieter:innen sicher freuen“, meint BBU-Vorständin Maren Kern. „Aber die Mieten sind nicht mehr investitionsdeckend.“ Angesichts der Kostensteigerungen fehlten den Wohnungsunternehmen die nötigen Mittel für Instandsetzung, Modernisierung und Neubau. „Das kann nicht gutgehen“, so Kern. „Deshalb werden unsere Unternehmen nachdrücklicher als bisher von den gesetzlichen Möglichkeiten zur Anpassung ihrer Mieten Gebrauch machen müssen.“
Der BMV weist darauf hin, dass gerade die BBU-Mitgliedsunternehmen mit den höchsten Mietsteigerungen – private Konzerne wie Vonovia und Covivio – sehr wenig in Neubau und Instandsetzung investieren. „Wie hoch sollen denn eigentlich die Mieten noch steigen, damit endlich bezahlbare Wohnungen entstehen?“, fragt Ulrike Hamann-Onnertz. Sie warnt davor, die Mieter:innen noch weiter zu belasten. Für Katrin Schmidberger, Mietenexpertin der Grünen, ist der BBU-Vorstoß „eine Kampfansage an die Mieter:innen“.
Jens Sethmann
Immobilienhandel bricht ein
Der vorläufige Bericht des Gutachterausschusses für Grundstückswerte zeigt, dass sich der Immobilien-Hype in Berlin stark abschwächt. Wie schon im Jahr 2022 ließ der Handel mit Grundstücken, Häusern und Eigentumswohnungen 2023 weiter deutlich nach. Die Zahl der Kauffälle ging um 19 Prozent auf 17 451 zurück, der Gesamt-Umsatz sank um 29 Prozent auf 12,4 Milliarden Euro. Die mittleren Kaufpreise gingen bei Wohn- und Geschäftshäusern um 24 Prozent zurück, bei reinen Mietshäusern um 14 Prozent. Der Gutachterausschuss hat daher die Bodenrichtwerte je nach Lage um durchschnittlich 15 bis 30 Prozent gesenkt. Bauen und Wohnen kann dadurch preiswerter werden.
js
IBB-Wohnungsmarktbericht 2023:
www.ibb.de/wohnungsmarktbericht
BBU-Marktmonitor:
www.bbu.de/publikationen
Gutachterausschuss für Grundstückswerte:
www.berlin.de/gutachterausschuss
30.03.2024