Die Schlachtenbummler rücken an: Über 700.000 Besucher werden zur Fußballweltmeisterschaft in Berlin erwartet. Auch wenn man die Prognose anzweifeln kann, werden im Juni und Juli außergewöhnlich viele Touristen in die Stadt kommen – und die wollen alle untergebracht sein. Viele Hotels sind längst ausgebucht und Internetseiten mit „WM-Zimmer“-Angeboten häufen sich. Doch die private und gewerbliche Vermietung von Ferienwohnungen zieht nicht erst seit dem WM-Boom Kreise. In den Innenstadtbezirken sind schon viele Mietshäuser mit Ferienapartments durchsetzt.
Kurzurlaubstrips für drei, vier Tage nach Rom, Paris oder Berlin liegen im Trend. Und immer mehr Touristen mieten eine private Unterkunft mitten in der Innenstadt. Agenturen und Vermieter haben diese lukrative Marktlücke schon länger erschlossen. Per Internet ist die Vermarktung ein Kinderspiel. Die Wohnungen werden kurz beschrieben, ein Foto dazu gezeigt und der Preis angegeben. Auch die Buchung ist meist elektronisch möglich. Die Preise liegen im Schnitt zwischen 30 und 120 Euro pro Übernachtung und Unterkunft – und oft gibt es nur einen geringen Aufschlag für jede weitere Person. Zu viert in einem Zimmer für 60 Euro, da wird es richtig billig. Und am Hotelportier, der einem scheele Blicke zuwirft, wenn man spätnachts betrunken ins Bett wankt, muss man auch nicht vorbei. Man kann sich ganz wie zu Hause fühlen.
Frank Peters* dagegen kommt sich in dem Haus, in dem er seit über zehn Jahren wohnt, seit etwa einem Jahr zunehmend fremd vor. „Ständig kommen neue Leute ins Haus, die im Hof nicht grüßen, mit ihren Sachen das Treppenhaus blockieren und nach ein paar Tagen wieder verschwinden“, erzählt Peters. Er vermutete daher, dass die Wohnungen um ihn herum als Gästewohnungen genutzt werden. Eine eher zufällige Entdeckung im Internet brachte Gewissheit: Er stieß auf eine Seite, auf der gleich drei Wohnungen aus seinem Aufgang als Ferienwohnungen angeboten wurden. Die Hausnummer war zwar nicht angegeben, aber die Fotos, die die Vorteile der Unterkunft herausstellten, ließen keinen Zweifel: Das Treppenhaus und den Blick in den Hof kannte er schließlich seit Jahren.
Eine lukrative Sache
Der Vermieter hat die Wohnungen also zweckentfremdet. Ein Blick auf die Preisliste zeigt auch warum: Wenn man ein Apartment, das so groß ist wie Peters‘ Wohnung, für nur vier Nächte an zwei Feriengäste vermietet, hat man schon mehr als Peters‘ Monatsmiete eingenommen. Die Touristen nehmen das Angebot an. Wo bekommt man schon mitten in
der Hauptstadt, im szenigen „Prenzelberg“, ein Hotelzimmer für 60 Euro? „Die Wohnungen sind nicht durchgängig belegt“, berichtet Peters, „aber der Vermieter holt im Monat gegenüber einer regulären Vermietung locker das Doppelte raus.“
Wohnen, wo andere Urlaub machen – Frank Peters kann sich dafür nicht begeistern. Manche Gäste wissen nicht, dass man in so einem Altbau Rücksicht nehmen muss. „Wenn die Leute jetzt hier das Treppenhaus vollqualmen, weil sie in der Wohnung nicht rauchen dürfen, hat es gar keinen Zweck, was dagegen zu unternehmen. In drei Tagen sind die weg, und dann kommen die nächsten.“
Peters hat schon Bedenken wegen der nächsten Betriebskostenabrechnung: Weil die Feriengäste einen Pauschalpreis zahlen, haben sie keinen Anreiz zum sparsamen Heizen und Wasserverbrauch. Einen höheren Gesamtverbrauch würden alle Mieter mittragen müssen, denn der Verbrauch der Ferienwohnungen muss vor der Umlage nicht herausgerechnet werden. Nach einem jüngsten Urteil des Bundesgerichtshofs ist dies nur noch bei Gewerbebetrieben nötig, die von ihrer Art her besonders viel verbrauchen (BGH-Urteil vom 8. März 2006 – VIII ZR 78/05). Bei Ferienwohnungen dürfte das nicht so deutlich sein. Wer sich aber wie Frank Peters von den Ferienwohnungen gestört fühlt, hat das Recht, dies als Mangel geltend zu machen und die Miete zu kürzen. Die Höhe der Mietminderung bemisst sich dabei nach dem Grad der Beeinträchtigung. Gegen die Ferienwohnungen an sich vorzugehen, ist dagegen wenig aussichtsreich.
Eine Ferienwohnung gilt baurechtlich als gewerbliche Nutzung und die Umnutzung einer Mietwohnung ist eine Zweckentfremdung. Doch die Berliner Zweckentfremdungsverbotsverordnung, die die Wohnnutzung schützen sollte, ist 2002 vom Oberverwaltungsgericht gekippt worden. Das Gericht vertrat die Meinung, in Berlin herrsche seit 2000 ein entspannter Wohnungsmarkt, ein spezieller Schutz des Wohnens sei deshalb nicht mehr gerechtfertigt. Durch den Ferienwohnungsboom werden hunderte innerstädtische Wohnungen ganz legal dem Wohnungsmarkt entzogen. Vor allem in den von Touristen geschätzten Bezirken wie Mitte, Prenzlauer Berg, Schöneberg und Charlottenburg sind schon viele Mietshäuser mit Ferienwohnungen durchsetzt. Auf einer einzigen Internetseite gibt es zum Beispiel rund 200 Angebote für den Bezirk Mitte, für Prenzlauer Berg werden rund 150 gelistet. Lediglich in Sozialwohnungen ist eine Zweckentfremdung von Wohnraum klar verboten. Ansonsten kann nur die Bauaufsicht eingreifen, wenn die Grenze zum Hotel überschritten wird: Eine Hotelnutzung wäre planungsrechtlich in Wohngebieten nicht zulässig und erforderte auch eine Baugenehmigung. Nach der Berliner Bauordnung können an Beherbergungsstätten besondere Anforderungen gestellt werden, etwa Brandschutzvorkehrungen und Fluchtwege – allerdings greift das erst bei mehr als zwölf Betten. Doch ist es für die Bauaufsicht schwierig nachzuweisen, dass Wohnungen als Hotel genutzt werden. Selbst ein Fall wie in der Wilhelmstraße in Mitte, wo über 40 Wohnungen als Ferienapartments angeboten werden und an den Türen Nummern statt Namen stehen, ist nicht eindeutig.
Rechtlich eine Grauzone
„Es ist sehr schwierig, die gewerbliche Vermietung von der privaten Vermietung rechtlich abzugrenzen“, sagt auch Jürgen Benad, Rechtsanwalt des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (DeHoGa). „Von einer Privatvermietung kann man aber nicht mehr ausgehen, wenn zur Überlassung von Wohn- und Schlafräumen zusätzliche Dienstleistungen hinzutreten – wenn zum Beispiel im Erdgeschoss ein Aufenthaltsraum existiert oder alle zwei Tage die Bettwäsche gewechselt wird.“
Auf den verschiedenen Internetplattformen werden Ferienwohnungen, Apartments oder Zimmer über eine Agentur von privat vermietet, der Beherbergungsvertrag wird ausschließlich zwischen Gast und „Vermieter“ abgeschlossen. Die Agentur übernimmt lediglich die Vermittlung, wofür sie eine Provision kassiert. Bedenken über die Rechtmäßigkeit der Vermietung werden mitunter beiseite gewischt. Eine Anfrage bei einer Privatzimmervermittlung in Berlin, ob die Erlaubnis des Vermieters vorliegen müsse, wenn man als Mieter ein Zimmer seiner Wohnung an Feriengäste vermietet, war aufschlussreich: Prinzipiell ja, aber praktisch sei das Blödsinn, so die Auskunft. Denn erstens kriege das niemand mit, und zweitens könne einen der Vermieter nicht rausschmeißen, sondern lediglich die Unterlassung fordern. Sollten finanzielle Gründe für die Vermietung ausschlaggebend sein, könne es einem erst recht nicht verboten werden. Verlassen sollte man sich darauf lieber nicht. Der Berliner Mieterverein sieht die Rechtslage nicht ganz so locker (siehe Kasten).
Karla Thiele
* Name geändert
Mehr Informationen zum Thema "Zweckentfremdung von Wohnraum" (Mai 2016):
MieterMagazin 5/06
Im Trend: Immer häufiger werden in Berlin Mietwohnungen als Feriendomizil angeboten
alle Fotos: Kerstin Zillmer
Alles was Recht ist: Die Welt zu Gast bei Mietern
Rechtlich spricht grundsätzlich nichts dagegen, Feriengäste in seiner Mietwohnung aufzunehmen. Der Empfang von Besuch gehört zum vertragsgemäßen Gebrauch der Wohnung. Dabei ist unerheblich, ob der Mieter von seinen Gästen dafür Geld erhält oder nicht. Bei einer Besuchsdauer bis sechs oder acht Wochen gibt es keine Probleme. Bei einem längeren Aufenthalt kann von einer dauerhaften Aufnahme einer weiteren Person in der Wohnung oder von einer Untervermietung ausgegangen werden. Dies muss vom Vermieter genehmigt werden. Voraussetzung ist aber, dass der Mieter selbst da ist oder zumindest in seiner Wohnung übernachten kann. Die gesamte Wohnung den Gästen zur Verfügung zu stellen, ist eine „Gebrauchsüberlassung an Dritte„, für die man die ausdrückliche Genehmigung des Vermieters benötigt. Bei unerlaubter Untervermietung oder Gebrauchsüberlassung begeht der Mieter eine Vertragsverletzung und riskiert die fristlose Kündigung. Und: Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung muss man bei der Einkommensteuererklärung angeben.
kth
26.10.2017