Vier versteckte Kameras sollten die Mieter eines Hauses in Friedrichshain insgeheim überwachen. Der Zweck war klar: Die Vermieterin suchte Kündigungsgründe. Doch ein Richter erkannte in diesem Vorgehen eine schwere Persönlichkeitsrechtsverletzung und fällte ein Urteil mit Vorbildcharakter.
Drei kleine Stromverteilerdosen zur Straße vorm Hauseingang? Ein Sirenenkasten nach hinten zum Hof? Was die Mieter eines Hauses in der Friedrichshainer Bödikerstraße im November 2008 entdeckten, machte sie misstrauisch. Sie untersuchten die Anlagen näher, die da gerade von der Vermieterin ohne jegliche Information montiert worden waren. „Was sie dabei entdeckt haben, war schon eine ziemliche Dreistigkeit“, stellt der Rechtsanwalt Max Althoff fest. Denn unter jedem Plastikgehäuse steckte eine Überwachungskamera. Die Mieter machten sie erst einmal mit Klebestreifen funktionsuntüchtig – und erwirkten umgehend eine einstweilige Verfügung zu deren Entfernung.
„Die Gesetzeslage ist ja eindeutig“, so der Rechtsanwalt. Das Montieren von Videokameras in einem Mietshaus, mit denen Bewegungen und Aktivitäten von Bewohnern und Besuchern überwacht werden können, ist ungesetzlich. „Auch ein Einbruch im Haus oder die Verschmutzung mit Graffiti rechtfertigen solche Maßnahmen nicht“, erläutert Althoff. Selbst Videokamera-Attrappen, die der Abschreckung dienen sollen, dürfen nicht so einfach angebracht werden. Das hatte bereits im Januar 2008 das Lichtenberger Amtsgericht entschieden. Seine Begründung: Selbst die Androhung ständiger Beobachtung stelle „eine Beeinträchtigung der allgemeinen Handlungsfreiheit“ dar, denn sie setze die Mieter „einem permanenten Überwachungsdruck“ aus (Az. 10 C 156/07).
Mit der Demontage war es nicht getan
Druck hatte der Vermieter seit dem Erwerb des Hauses immer wieder auf seine Bewohner ausgeübt. „Mal kritisierte er die Vielzahl der Räder auf dem Hof, mal eine Verschmutzung der Wände – es gab ständig neue Anschuldigungen“, sagt Althoff. Die richteten sich vor allem gegen Mieter des Seitenflügels: einstige Hausbesetzer, die der Eigentümer gern raus haben wollte. Erste Kündigungen seien schon wenige Monate nach dem Erwerb des Hauses durch seinen jetzigen Besitzer, einem Unternehmen in Österreich, eingetroffen.
Doch mit der geheimen Überwachung seiner Mieter musste das Unternehmen nun eine herbe juristische Niederlage einstecken, denn mit der Demontage der versteckten Kameras war es nicht getan. Anwalt Althoff hatte im Namen einer Mieterin des Hauses Klage auf Schmerzensgeld beim Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg eingereicht – berechtigt, wie die Richter am 1. März dieses Jahres entschieden.
Wegen schwerer Persönlichkeitsrechtsverletzung wurde der Vermieter zu einer Zahlung von 650 Euro Schmerzensgeld verpflichtet. In seiner Urteilsbegründung benannte das Gericht das Grundrecht auf Schutz der Persönlichkeit, wie es in den Artikeln 1 und 2 des Grundgesetzes verankert ist: Dies umfasst auch den Schutz vor unerwünschter Überwachung und der Fertigung von Videoaufnahmen durch Dritte.
Ein Urteil mit Vorbildcharakter nennt es der Jurist Althoff. Das Gericht hatte seiner Begründung noch hinzugefügt: „… die Geldentschädigung soll eben nicht nur der Genugtuung des Betroffenen dienen, sondern auch präventiven Charakter entfalten.“
Rosemarie Mieder
MieterMagazin 5/12
Bei versteckten Kameras des Vermieters müssen Sie keinen Spaß verstehen
Foto: Christian Muhrbeck
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Videoüberwachungsanlage
AG Tempelhof-Kreuzberg
vom 1.3.2012 – 25 C 84/12 –
Rat und Tat
Nur bei 100 Prozent Zustimmung
Erlaubt ist die Installation von Überwachungskameras nur unter ganz bestimmten Bedingungen. Alle Mieter eines Hauses müssen vor dem Anbringen der Kameras vom Vermieter genau informiert werden – etwa über den Standort der Anlage, den Überwachungsbereich, die Überwachungszeit. Nur wenn danach die Einwilligung aller Mieter vorliegt, dürfen Kameras angebracht werden. Auch von jedem neu einziehenden Mieter muss diese Genehmigung eingeholt werden. Gibt es auch nur einen Mieter, der die Beobachtung nicht wünscht, darf keine Anlage angebracht werden. Nach § 6 b des Bundesdatenschutzgesetzes ist es auch in jedem Fall deutlich sichtbar anzuzeigen, dass eine Videoüberwachung erfolgt und von wem sie vorgenommen wird.
rm
13.12.2018