Von Berlin nach Lübbenau, Eberswalde oder Frankfurt (Oder) braucht es mit der Bahn noch nicht mal eine Stunde. Das lässt manchen mit dem Gedanken spielen, seinen Wohnsitz von der hektischen Metropole in eine beschauliche Umlandgemeinde zu verlegen. Gute Gründe gibt es dafür viele: die Zuteilung eines Studienplatzes in einer der aufstrebenden Brandenburger Universitätsstädte, der Rückzug auf einen ruhigen Alterssitz in einem schön restaurierten Altstadtkern oder ein unwiderstehliches Jobangebot im Nachbarbundesland. Zunehmend veranlasst aber auch der teure und leergefegte Berliner Wohnungsmarkt viele Hauptstädter, sich ein neues Zuhause außerhalb der Stadt zu suchen. Die Zahl der Pendler wächst rasant. Brandenburger Gemeinden machen aus der Not eine Tugend und werben um die Berliner.
Corinna und Robert Sch.* haben lange nachgedacht: Können wir uns Berlin noch leisten? Die vierköpfige Familie brauchte dringend eine größere Wohnung: „Als unser zweiter Sohn geboren wurde, ging das in anderthalb Zimmern wirklich gar nicht mehr“, so Corinna Sch. Nahezu zwei Jahre hatten die Pflegehelferin und ihr Mann, ein Lkw-Fahrer, in Neukölln nach einer passenden und auch bezahlbaren Wohnung gesucht. Sie wären gerne im vertrauten Kiez geblieben, wo der fünfjährige Sohn seine Kita hatte, viele Freunde und Bekannte wohnten und schließlich auch der Arbeitsweg für den Familienvater kurz war. „Wir wollten vier Zimmer, vielleicht 60 bis 70 Quadratmeter und einen Balkon“, erzählt die junge Frau, die gerade noch in der Elternzeit ist und danach erst einmal nur reduziert arbeiten will. Aber mit einem Familieneinkommen von dann höchstens 2200 Euro würde sich kaum etwas für sie Bezahlbares finden: „Wir haben ja gesehen, wie die Mieten in den letzten Jahren geklettert sind“, erklärt sie.
Wie die Mieten geklettert sind, verdeutlicht der gerade erschienene Wohnungsmarktbericht 2016 der Investitionsbank Berlin (IBB): Von 2009 bis 2016 stiegen die Angebotsmieten in der Hauptstadt im Durchschnitt von unter 6 Euro auf 9,07 Euro pro Quadratmeter (nettokalt) – und damit um 68 Prozent. In den Innenstadtbezirken liegen 81 Prozent aller Wohnungsangebote über einem Preis von 9 Euro pro Quadratmeter. Corinna Sch.: „Da können wir doch nur aussteigen und aus Berlin wegziehen.“ Aber wohin? Zurück ins Ruhrgebiet, wo Corinna Sch. herkommt, wollten sie nicht.
Dann kam der Familie eine Idee. Sie hat für die Sommerwochenenden einen Wohnwagen am Briesensee in der Nähe des Spreewalds. Und da stattete man kurzerhand einem Wohnungsanbieter in der Spreewald-Gemeinde Lübbenau einen Besuch ab. Von der Wohnungsbaugesellschaft im Spreewald (WIS), dem größten Vermieter am Ort, kam dann auch sofort ein Angebot. Es war genau das, was die Familie in Berlin vergeblich gesucht hatte – eine Wohnung für rund 500 Euro warm. Corinna Sch.: „Das sind nur etwa 100 Euro mehr im Monat als wir für unsere 45 Quadratmeter in Neukölln zahlen. Dafür haben wir aber jetzt zwei Kinderzimmer, einen Balkon nach Süden und eine gepflegte Wohnumgebung.“
Der fünfgeschossige sanierte Plattenbau, in den die Familie nun einzieht, steht in der Lübbenauer Neustadt. Hier sind die Flächen zwischen den Häusern weit und grün. In den Anlagen blühen gerade noch die Tulpen und schon erste Sommerblumen.
Die Großsiedlung war einmal dichter bebaut. Als jedoch in den 1990er Jahren der größte Arbeitgeber, das Braunkohlekraftwerk, schloss, verließ ein Viertel der Bevölkerung die Stadt. „25 Prozent unseres Bestandes musste abgerissen werden“, so WIS-Geschäftsführer Michael Jakobs. Die übrigen Häuser wurden gründlich saniert: „Wir haben Grundrisse verändert, so dass sie heute unterschiedlichen Wohnbedürfnissen entsprechen, Aufzüge und Balkone angebaut und das städtische Umfeld neu gestaltet.“ Heute vermietet die WIS noch 4300 Wohnungen, der Leerstand liegt bei 2 Prozent.
Brandenburger Städte befinden sich im Wandel
Einen solchen Wandel haben viele Brandenburger Städte in den letzten fünf bis sechs Jahren durchlebt, bestätigt Heike Liebmann, Leiterin der Geschäftsstelle des Städteforums Brandenburg. Das kommunale Netzwerk mit Sitz in Potsdam verfolgt seit über 20 Jahren die Entwicklung gerade auch jener Gemeinden mit über 15.000 Einwohnern, die zwar nicht zum Berliner „Speckgürtel“ gehören, aber im weiteren Metropolenraum der Hauptstadt liegen: Städte wie Lübbenau, Frankfurt (Oder), Rathenow, Brandenburg an der Havel, Eberswalde. Ihre Innenstädte sind attraktiver geworden, viele sind günstig ans Berliner Nahverkehrsnetz angebunden – und sie haben massiv begonnen, um Zuzug zu werben.
Das hat zunehmenden Erfolg, wie große kommunale und genossenschaftliche Vermieter vor Ort berichten. Die Neumieter kommen zuallererst aus dem ländlicheren Umland und aus abgelegeneren Dörfern. Viele Ältere suchen die Nähe zu guten Versorgungseinrichtungen und vor allem auch Gesundheitszentren. Aber nach einer Umfrage des Verbandes Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU) vom Juni vergangenen Jahres registrieren bereits 30 Prozent seiner Mitglieder auch eine stärker werdende Nachfrage aus Berlin.
Die einstige Hauptstädterin Corinna Sch. hat keine Angst vor dem Kleinstadtleben. Im Gegenteil, sie freut sich darauf: Alles sei so überschaubar, Einkaufsmöglichkeiten und Kita direkt vor der Tür oder gut mit dem Rad zu erreichen. Außerdem ist nun der Weg ins Wochenende deutlich kürzer geworden. „Was mir an Lübbenau am besten gefällt: Die Stadt ist freundlich, sauber und hat so ein Flair – es ist ein bisschen wie im Urlaub“, schwärmt sie.
Massiver Anstieg der Berliner Berufspendler
Um eine Arbeitsstelle vor Ort macht sich die junge Frau in ihrer Branche keinerlei Sorgen. Ihr Mann wird erst einmal pendeln. Von Lübbenau aus braucht der Regionalexpress bis zum Berliner Alexanderplatz etwas über eine Stunde. Das scheint ihnen machbar – so wie rund 200.000 anderen Brandenburgern, die regelmäßig nach Berlin hinein zur Arbeit fahren. In umgekehrter Richtung pendeln knapp 80.000 Erwerbstätige. Es ist ein Strom, der ständig größer wird: Mit einem Plus von 53 Prozent verzeichnet die Hauptstadt derzeit den stärksten Anstieg der Berufspendler in ganz Deutschland.
Rappelvolle Züge, dichter Verkehr und Staus auf Autobahnen und Bundesstraßen – für Jannik Janßen und Marty Tschammer war genau dies der Grund, aus Berlin und seinem Großraum wegzuziehen. Die beiden Betriebswirte arbeiten für eine Einzelhandelskette in Lübbenau. „Ich war schon mal ein Stück in die Richtung meines Arbeitsortes gezogen“, sagt der gebürtige Berliner Marty Tschammer. Drei Jahre pendelte er von Königs Wusterhausen in den Spreewald: „Immer mit dem Auto – das ging ganz schön ins Geld.“ 500 bis 600 Euro jährlich kostete ihn das ständige Fahren. Außerdem hatte er doch hier seinen sicheren Arbeitsplatz und inzwischen immer mehr Freunde in Lübbenau und Umgebung. Schließlich sprach auch sein Kollege Jannik Janßen vom Umziehen. Der war gerade mit dem Studium in Berlin fertig und wollte auf keinen Fall tagtäglich zwischen Berlin-Wedding und Lübbenau pendeln.
Die beiden Männer beschlossen, sich eine WG-geeignete Wohnung zu suchen. Die fanden sie in einem schön sanierten Fachwerkhaus: Vier Zimmer, 90 Quadratmeter, knapp 1000 Euro Warmmiete. Jannik Janßen; „Wir hätten das hier vor Ort auch billiger haben können. Aber wir wollten nicht in einen Plattenbau, sondern in die Altstadt.“ Nun blicken sie auf eine kleinstädtische Silhouette: spitze Dächer, verwinkelte Häuser und der Kirchturm von Lübbenau.
Das Angebot da draußen vor den Toren Berlins kann sich tatsächlich sehen lassen: Nach Schätzungen des BBU stehen allein bei seinen Mitgliedsunternehmen, die etwa die Hälfte des gesamten brandenburgischen Mietwohnungsbestandes ausmachen, im weiteren Metropolenraum um Berlin kurzfristig etwa 15.000 Wohnungen für den Zuzug zur Verfügung. Die Unterschiede zu Berliner Neuvertragsmieten sind dabei so beträchtlich, dass sich jährlich zwischen 2500 Euro in Ludwigsfelde und 3300 Euro in Wittenberge einsparen lassen. „Den Druck auf dem Markt bekommen längst die näher an Berlin liegenden Orte wie Bernau, Oranienburg, Falkensee und Erkner zu spüren“, sagt Heike Liebmann vom Städteforum. „Aber im weiteren Metropolenraum ist die Hitze des Berliner Marktes bisher noch nicht angekommen.“
Was wissen Hauptstädter eigentlich über die Städte in Brandenburg? „Die wissen nix, die Berliner“, erklärt Jan Eckardt. Der Geschäftsführer der Wohnungswirtschaft Frankfurt (Oder) kann das mit einer Umfrage belegen, die das Unternehmen vor einiger Zeit durchführte: Da wird beispielsweise die Entfernung zur Metropole auf durchschnittlich 200 Kilometer geschätzt (tatsächlich: 87 Kilometer). Für Berliner ist das „jwd“ – janz weit draußen. Dabei lohne es durchaus, so der Wohnungswirtschaftler, mal die Regionalbahn zu nehmen – die braucht keine Stunde bis Frankfurt (Oder).
„Bei uns verbinden sich die Vorzüge einer Kleinstadt mit der Infrastruktur einer Großstadt“, wirbt Jan Eckardt. Er hat selbst lange in Berlin gelebt, wollte dann mit Frau und zwei Kindern mehr ins Grüne und zog in ein Dorf nach Mecklenburg. Gerade ist er dabei, die Rückkehr der ganzen Familie in die Stadt vorzubereiten – den Umzug nach Frankfurt (Oder). Er zählt auf, was ihn bewogen hat, das tägliche Pendeln zum Arbeitsort endlich aufzugeben: In der Oderstadt gibt es ausreichend Kitas und vielseitige Schulangebote, von guten Grundschulen über bestens ausgestattete Gymnasien bis hin zu Privatschulen. Die Wege sind kurz, selbst Kinder können sie bald allein mit Rad oder Straßenbahn bewältigen und müssen nicht immer von den Eltern chauffiert werden. Dazu kommt ein vielseitiges kulturelles Angebot, mit Słubice eine lebendige polnische Stadt auf der anderen Seite der Grenze und da ist natürlich die Viadrina, die Europa-Universität mit 5000 Studenten.
Günstige Mietpreise – gemessen an Berlin
Die circa 400 freien Wohnungen, die der kommunale Vermieter derzeit im Angebot hat (Leerstandsquote: 6 Prozent), liegen fast durchweg im niedrigen Preissegment (bis 5 Euro pro Quadratmeter nettokalt). Nur einige besonders gut ausgestattete Wohnungen sind teurer (etwa 6,50 Euro nettokalt). „Aber die sind sehr nachgefragt“, wendet Eckardt ein.
Mitten in der Altstadt und ganz nahe der Oder steht der Preis-Ausreißer nach unten: Ein vierstöckiger Plattenbau mit DDR-Charme und buntem studentischem Outfit, der sich deutlich von den inzwischen sanierten Innenstadthäusern ringsum absetzt. „Eigentlich sollte die Forststraße 3-4 schon vor über zehn Jahren abgerissen werden“, erzählt Milena Manns, in der Wohnungswirtschaft Frankfurt (Oder) für das Sozialmanagement zuständig. Schließlich standen 2006 in der Stadt 6000 Wohnungen leer.
„Aber dann entstand die Idee vom selbstverwalteten Studentenhaus – und wir arrangierten einen Deal.“ Das Haus blieb im Bestand der Wohnungswirtschaft – um alles Weitere würden sich die Studenten selbst kümmern, die hier einziehen: vom Putzen über Reparaturen bis hin zum Abrechnen der Miete und der Betriebskosten. Mit Berliner Preisen sind die Unterkunftskosten nicht vergleichbar: Die Zimmer zwischen 10 und 24 Quadratmetern in 2er und 3er Wohngemeinschaften kosten zwischen 80 und 200 Euro – inklusive aller Nebenkosten und Internetzugang.
Judith R., die in Frankfurt (Oder) Osteuropawissenschaften studiert, wohnt seit Semesterbeginn im „Fforst-Verbündungshaus“. „Ich hab wirklich lange überlegt, ob ich von meiner Berliner WG hierher wechsle“, erzählt sie. Aber das ständige Pendeln sei anstrengend und zeitraubend gewesen. Das Wohnprojekt, in dem Studenten aus vielen verschiedenen Ländern zusammenwohnen, habe sie gereizt. Und nicht zuletzt: Sie hat hier auch die Möglichkeiten der sehr viel kleineren Stadt entdeckt und die sind – zumindest für eine Zeitlang – verlockend. Erst einmal will die Studentin aber die nächsten Monate abwarten und dann entscheiden, ob sie bleibt oder nicht doch lieber in die quirlige Hauptstadt zurückzieht.
Das Berlin-Brandenburg-Ticket hat sie ohnehin in der Tasche, genau wie die Studenten, die von Berlin nach Eberswalde fahren, einem weiteren wichtigen Bildungsstandort in Brandenburg, der Hochschule für nachhaltige Entwicklung. Lisa Bansamir und auch Fabian Kipsch haben sich entschieden, für ihre Studienzeit nicht in Berlin, sondern in Eberswalde zu wohnen. Zum einen nerven sie die Baustellen und Verspätungen auf der Strecke. Wer pünktlich beim Seminar vor Ort sein wolle, müsse in der Regel einen Zug eher nehmen. „Und außerdem ist es im Sommer hier wirklich schön“, ergänzt Fabian Kipsch. Eberswalde liegt am Rand der Schorfheide und am Barnim, die Gegend zählt zu den landschaftlich schönsten in Brandenburg.
Die meisten ihrer Mitstudenten allerdings setzen andere Prioritäten. Sie ziehen die Großstadt der Idylle vor. Und entsprechen damit auch den Untersuchungsergebnissen einer Studie des Berlin-Institutes für Bevölkerung und Entwicklung über Wanderungsbewegungen und deren Einfluss auf die demografische Landkarte Ostdeutschlands. Die Autoren stellten fest, dass es junge Bildungswanderer eher aus den ländlichen Regionen fort und in die großen Städte zieht.
In Eberswalde tut man viel dafür, einen Teil der circa 2000 Studenten auch nach Seminarende in der Stadt zu behalten: mit einem großen Begrüßungsfest zum Beginn des Herbstsemesters, mit Begrüßungsgeld sowie einer kleinen Aufbesserung des Studienbudgets für all jene, die in Eberswalde wohnen. Dass man hier bei der Unterkunft im Gegensatz zu Berlin bis zu 100 Euro sparen kann, kommt hinzu.
Wo Studenten und Senioren sich einig sind
Auf jeden Fall tun die Studenten, die mit dem Campus das Zentrum Eberswaldes bevölkern, der Kleinstadt gut. Die ist nach der Wende von 52.000 Einwohnern auf 40.000 geschrumpft und – im Durchschnitt gesehen – stehen die Eberswalder mit 61 Jahren kurz vor der Rente. Auch die Mietanfragen, die beispielsweise die Wohnungsbaugenossenschaft Eberswalde-Finow erreichen, so erklärt Genossenschaftsvorstand Volker Klich, kämen zur Hälfte von Älteren, die kurze Wege zum Einkaufen wollten – und vor allem auch die Nähe zum Eberswalder Krankenhaus suchten. Er schaltet den Computer ein, schaut ins Portal mit den Mietanfragen: Unter den 89 Interessenten, die da gerade nach einer Wohnung suchen, kommen aber immerhin schon 10 Anfragen aus Berlin.
Rosemarie Panier ist schon vor über zwei Jahren aus Berlin-Reinickendorf in eine Wohnung der Eberswalder Genossenschaft gezogen. „Dass wir hierher wollten, hatte ich noch mit meinem Mann besprochen.“ Im Alter raus aus der Großstadt, in ein grünes, ruhigeres Umfeld, von dem aus Berlin gut zu erreichen ist. Beide sind in West-Berlin aufgewachsen und haben ihr gesamtes Berufsleben dort verbracht, ihre Familienwurzeln liegen jedoch in Brandenburg. „Dann wurde mein Mann von einem Tag auf den anderen ein Pflegefall“, erzählt die Seniorin. Die ehemalige Verwaltungsangestellte hielt an ihrer beider Plan fest: Sie suchte für ihren Mann ein Pflegeheim in Eberswalde und für sich eine Wohnung.
„Als ich diese Wohnung hier gesehen habe, war ich sofort überzeugt: Die nehme ich.“ Zweieinhalb Zimmer, 61 Quadratmeter, für 450 Euro warm in einem fünfgeschossigen Plattenbau mit Aufzug. Mit ihren Nachbarn hat sie sich sofort angefreundet, sie lädt ihre Berliner Freunde ein, geht am Finow-Kanal wandern, besucht Vorträge, Ausstellungen und fährt regelmäßig am Samstag zu „Guten Morgen Eberswalde“ ins Zentrum. Da treffen sich seit Jahren viele Eberswalder Familien zu einem kleinen Vormittagskonzert, einem Puppenspiel oder irgendeiner anderen Vorstellung.
„Das ist es, was wir uns wünschen“, sagt Friedhelm Boginski, der Eberswalder Bürgermeister, „dass jene, die zu uns ziehen, sich auch mit unserer Stadt identifizieren.“ Die soll nämlich nicht einfach Schlafstadt für Berlin-Pendler werden. Für Rosemarie Panier ist Eberswalde das nicht, sie fühlt sich hier zu Hause. Und Berlin liegt ja direkt vor der Tür.
Rosemarie Mieder
Wer kommt denn da?
Es ist von verschiedenen Faktoren abhängig, wer als Zuzügler ins weitere Umland einer großen Metropole wie Berlin kommt: Von der Lage und Größe einer Gemeinde, von ihrer Erreichbarkeit – aber eben auch vom Alter derjenigen, die sich auf Wanderschaft begeben. Junge Leute gehen eher weiter fort, Ältere bleiben lieber in einem näheren Umfeld.
In der Studie „Im Osten auf Wanderschaft“ des Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung unterscheiden die Autoren zwischen Bildungswanderern (18- bis 24-Jährige) und Berufswanderern (25- bis 29-Jährige), die es in die großen Städte zieht. Ausnahmen mag es geben, aber in der Regel können kleinere Städte und Gemeinden oder gar ländliche Regionen die jungen Leute nicht halten. Dafür aber zieht es immer wieder Familien (mit Kindern bis zu 18 Jahren) aus den Ballungsräumen hinaus ins Grüne. Ruhestandswanderer (ab 65 Jahre) wiederum haben eine Vorliebe für Kleinstädte, die ihnen eine gute Versorgungsstruktur bieten können.
rm
Dichtere Netze, höhere Taktzahl
Mit einer „Mobilitätsstrategie 2030“ will das Brandenburger Ministerium für Infrastruktur und Landesplanung auf die anwachsenden Pendler- und Besucherströme nach und von Berlin reagieren. Ein Kernpunkt: Der Ausbau von Schienenverbindungen in die Hauptstadt. Derzeit führen circa 2700 Kilometer Schienennetz und fast 330 Kilometer S-Bahn-Strecken durch das Umland zum Stadtrand. An 337 Haltestellen kann in den Regionalzug oder die S-Bahn eingestiegen werden.
Gemeinsam mit der neuen Berliner Koalition sollen auch alte Strecken ausgebaut beziehungsweise wieder in Betrieb genommen werden. Dazu gehören der Wiederaufbau der Potsdamer Stammbahn (von Potsdam über Kleinmachnow nach Berlin), die Anbindung der Kremmener Bahn (Prignitz Express) an die Hauptstadt, so dass man von Neuruppin bis ins Berliner Zentrum fahren könnte, und nicht zuletzt die Wiederinbetriebnahme der Stammstrecke der Heidekrautbahn, die die Schorfheide mit Berlin verbindet. Dazu soll ein Netz aus schnellen Zugverbindungen ins weitere Umland Lücken zwischen klassischer S-Bahn und Regionalbahn schließen.
Viele Pendler, aber auch Vermieter im Umland fordern darüber hinaus eine verbesserte Taktung. Die Nahverkehrsangebote am Wochenende und abends seien nicht ausreichend. Dazu kommt die Forderung nach einer deutlichen Senkung der Fahrpreise. Immerhin kostet ein VBB-Netzticket derzeit zwischen 1299,80 Euro (Berlin ABC + 1 Landkreis) und 1954,60 Euro (VBB-Gesamtnetz).
rm
27.04.2017