2017 entstand OraNostra aus einem nachbarschaftlichen Zusammenschluss von Wohnungsmieterinnen und -mietern, Gewerbetreibenden und Kunden in der Oranienstraße in Kreuzberg. Das MieterMagazin sprach mit drei Vertreterinnen der Initiative.
MieterMagazin: Wie habt Ihr Euch zusammengefunden?
Hylia: Wir wollten die Entmietung der Läden der Änderungsschneiderei und des Spätkaufs in der Oranienstraße 35 verhindern. Beide bestehen bereits seit 37 Jahren.
MieterMagazin: Was habt Ihr dagegen unternommen?
Connie: Wir haben zusammen mit Vertretern von Grünen, Linken und SPD versucht, mit dem neuen Eigentümer, der „Bauwerk Berlin GmbH“, neue Mietverträge auszuhandeln. Den Läden war fristgerecht gekündigt worden. Daraufhin hat die Änderungsschneiderei einen Anschlussmietvertrag erhalten – allerdings zu sehr ungünstigen Konditionen –, der Spätkauf leider nicht. Er hat eine Kündigungsklage verloren, ist aber aufgrund von zahlreichen Demonstrationen, Kundgebungen und Protesten – sogar in Hamburg vor dem Gebäude der Geschäftsführung des Vermieters – nach wie vor in den Gewerberäumen tätig.
Claudia: Als dann in der Oranienstraße ein ganzer Block mit sechs Häusern von der „Deutsche Invest III“ gekauft wurde und alle Gewerbemieter eine Kündigung erhielten, darunter auch ein Kinderladen, haben wir beschlossen, weiterhin aktiv zu bleiben. In Kooperation mit Medien und durch die Unterstützung von anderen Initiativen haben wir auch Teilerfolge erzielt. Der Kinderladen konnte zu angemessenen Konditionen bleiben, einige Läden haben nach zähen Verhandlungen neue Mietverträge erhalten – aber nicht alle sind zufriedenstellend.
Hylia: Wir haben daraufhin einen Standardmietvertrag für Gewerbetreibende formuliert und uns als Gruppe mit Hausverwaltungen getroffen, damit die Verlängerungen von Mietverträgen zu besseren Konditionen ermöglicht werden. Das war zum Teil sehr erfolgreich, und wir konnten Verträge mit einer Dauer zwischen 5 bis 10 Jahren erreichen und Miethöhen, die den sinkenden Umsätzen der Gewerbetreibenden Rechnung tragen.
MieterMagazin: Was bedeutet denn euer Name? OraNostra klingt ein wenig nach Mafia …
Claudia: Wir haben uns einen Namen gegeben, der sich sinngemäß an den Begriff „unsere Oranienstraße“ anlehnt. Damit wollten wir auch ein Zeichen gegen die zunehmend mafiösen Strukturen bei neuen Mietverträgen setzen. Diese sind nicht nur in Neukölln ausgeprägt, wo teilweise Gewerbemietverträge mit den Meistbietenden abgeschlossen werden.
MieterMagazin: Wie seid ihr in der Straße aufgenommen worden?
Hylia: Im Herbst 2017 haben wir eine Verdunkelungsaktion in der Oranienstraße durchgeführt, bei der in 98 Geschäften die Schaufenster von innen mit Papier zugeklebt wurden, damit Passanten auf die kritische Situation der Gewerbetreibenden aufmerksam werden. Auch die Presse hat darüber berichtet. Der Zusammenhalt der Gewerbetreibenden in der Oranienstraße und im Kiez wurde dadurch deutlich gestärkt.
Connie: Im letzten Jahr haben wir die Grundlagen für ein Gewerbemietrecht erarbeitet und dessen stufenweise Einführung mit politischen Parteien diskutiert. Aus mehreren Diskussionen im Abgeordnetenhaus, zusammen mit IHK und Handwerkskammer, entstand eine Bundesratsinitiative für Gewerbemietschutz, die sich aber bislang leider nur auf die Mietlaufzeit beschränkt. Diese ging mit großer Mehrheit durch den Bundesrat und ruht nun bei der Bundesregierung. Auch die EU-Parlamentarier haben wir kontaktiert, damit die in anderen europäischen Ländern bereits bestehenden Gesetze zum Gewerbemietschutz auch in Deutschland eingeführt werden.
MieterMagazin: Was habt Ihr als Nächstes vor?
Hylia: Mit anderen Initiativen aus Friedrichshain-Kreuzberg planen wir einen Sozialkongress, weil Sozialeinrichtungen als Gewerberaummieter von den ständig steigenden Mietpreisen besonders betroffen sind.
Da sich inzwischen sehr viele von Kündigung Betroffene auch aus angrenzenden Kiezen an uns wenden, haben wir eine kleine Gruppe gegründet, die rechtliche Beratung anbahnt, die Menschen unterstützt und zusammen mit anderen Initiativen, Nachbarn und Kunden neue Kiezinitiativen ins Leben ruft.
Interview: Elisabeth Voß
Vielfalt der Läden erhalten
Die Initiative OraNostra möchte, dass die kleinen Läden, Betriebe, Kultur- und Sozialeinrichtungen erhalten bleiben, die zur Vielfalt und Lebensqualität der Wohnbevölkerung beitragen. Darum setzt sie sich für Gewerbetreibende ein, deren Mietverträge nicht verlängert werden oder die aufgrund von Mietsteigerungen von Verdrängung bedroht sind.
ev
Kontakt: oranostra@gmx.de
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09.06.2021