Es ist ein klassischer Konflikt. Auf der einen Seite all diejenigen, die den Mauerpark für seine Karaoke-Veranstaltungen und das spezielle Berliner Lebensgefühl schätzen. Auf der anderen Seite die lärmgeplagten Anwohner, die Schutz vor der unfreiwilligen Dauerbeschallung fordern. Mittlerweile sind die Fronten verhärtet.
Es werde Jahr für Jahr schlimmer, man freue sich schon regelrecht auf verregnete Wochenenden, sagen Vertreter der Anwohnerinitiative, die sich nach dem letzten heißen und langen Sommer gegründet hat. Straßenmusiker mit riesigen Verstärkerboxen, Trommler mit viel Ausdauer, dazu Musik von den Flohmarktständen – die Situation sei mittlerweile unerträglich. Die Wohnhäuser stehen sehr dicht am Park, vor allem auf Weddinger Seite. „Wenn es irgendwie geht, verlassen wir unsere Wohnung sonntags“, sagt ein Paar, das ebenso wie die anderen aus der Initiative seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will. Seit sie mit Unterschriftensammlungen, Anzeigen und einer Petition gegen den Krach mobil machen, würden sie diffamiert und bedroht. „Man sagt uns, wir seien Spießer und sollen woanders hinziehen“, empört sich eine Anwohnerin.
Nach den massiven Beschwerden im vergangenen Sommer musste der Bezirk reagieren und hat einen Runden Tisch eingerichtet. Wichtigstes Ergebnis: Die Parkregeln sollen künftig energischer vermittelt werden. Zum ersten Termin wurde die Anwohnerinitiative nicht eingeladen. Man habe den Eindruck, diese Leute seien nicht gesprächsbereit, sagt Alexander Puell vom Verein Freunde des Mauerparks. Es handele sich zudem um eine kleine Minderheit: „Der Park ist nicht nur für die Anwohner da, es ist ein wichtiger Kulturstandort, der Zehntausende von Besuchern anzieht.“
Die Karaoke-Veranstaltung sei eine genehmigte, nicht störende Veranstaltung, die auf jeden Fall erhaltenswert sei, findet auch Pankows Bezirksbürgermeister Sören Benn (Linke).
Nachdem es eine Zeitlang so aussah, dass das legendäre Event wegen der Baustelle in diesem Jahr nicht stattfinden kann, wurde es nun doch für 26 Sonntage genehmigt.
In einer Grünanlage dürfen solche Veranstaltungen eigentlich nur ausnahmsweise genehmigt werden. Zudem sind Verstärker verboten. Man habe die Verstöße in den letzten Jahren geduldet, weil man die Kultur im Park erhalten will, räumt Pankows Stadtrat Daniel Krüger (parteilos, für AfD) ein. Aber er sagt auch, dass er die Anwohnerbeschwerden nachvollziehen könne. Hauptproblem seien die Straßenmusikanten aus aller Welt, die im Zuge der Karaoke-Darbietungen ihr Publikum suchen. Das ist zwar erlaubt, aber eben nur ohne Verstärker. Außerdem ist die Nachtruhe ab 22 Uhr einzuhalten. Der Park ist ein touristischer Hotspot, man habe da einen Handlungsspielraum.
Lärmmessungen, wie von der Anwohnerinitiative gefordert, gab es bislang nicht. Technisch sei das schwierig, behauptet Stadtrat Krüger. Man könne andere Geräuschquellen wie Fluglärm oder Baustellen nicht herausfiltern. Er setzt auf „sanfte Lösungen“. Parkläufer, wie sie der Senat jetzt ins Leben gerufen hat, sollen alle Parknutzer auf die Spielregeln hinweisen. Für eine Dauerpräsenz von Ordnungsamt oder Polizei seien die personellen Mittel aber nicht vorhanden. Einzelne Kontrollen im vergangenen Herbst, nachdem der Konflikt hochgekocht war, hätten aber tatsächlich für eine Weile mehr Ruhe gebracht.
Ist technischer Lärmschutz eine Lösung?
Alexander Puell kann sich einen „aktiven Lärmschutz“ vorstellen, etwa Konzertmuscheln oder Schallschutzwände. Darüber hinaus plädiert er für den Dialog: „Wir wollen gemeinsam mit allen Nutzergruppen an Lösungen arbeiten, um den Lärm auf ein erträgliches Maß zu reduzieren.“ Weniger Karaoke-Veranstaltungen und ein konsequentes Durchgreifen inklusive Bußgeldern und Beschlagnahmung von Musikinstrumenten fordern dagegen die Anwohner. „Wir verlangen, dass wir als Bürger vor solchem gesundheitsschädlichen Lärm geschützt werden.“ Alte oder kranke Menschen seien dem Lärmstress hilflos ausgeliefert und können nicht einfach ihre Wohnung verlassen. Die Initiative erwägt nun eine Klage.
Birgit Leiß
Lärm macht krank
Lärm löst körperliche Reaktionen aus: Stresshormone werden ausgeschüttet, der Blutdruck steigt und das Herz rast. Langfristig kann ein Herzinfarkt die Folge sein. Bei Menschen, die unter Schlafstörungen wegen Lärms leiden, steigt zudem das Risiko für Allergien, Herzkreislauferkrankungen, Bluthochdruck und Migräne erheblich. Obwohl das Lärmempfinden subjektiv ist, gelten diese gesundheitlichen Risiken auch für Menschen, die sich bewusst gar nicht gestört fühlen.
bl
01.05.2019