Wie viele Personen leben in einem Haushalt? Arbeiten die Menschen überwiegend an einem festen Ort? Warum und wie lange stehen Wohnungen leer? Mit diesen Fragen beschäftigt sich der Zensus, der ab dem 15. Mai 2022 in Deutschland stattfindet. Rund zehn Prozent der Bevölkerung sind dann aufgefordert, Angaben zu ihrer persönlichen Situation zu machen.
Der Zensus 2022 ist eine Art Inventur des Staates und seiner Bevölkerung. Alle zehn Jahre sind die EU-Mitgliedsstaaten verpflichtet, diese Bestandsaufnahme zu machen. Im Mittelpunkt stehen Fragen zu Demografie, Bildung und Erwerbstätigkeit: Wer sind die Menschen in Deutschland, wie leben, wohnen und arbeiten sie?
Um nicht alle Bürger befragen zu müssen, greifen die Statistischen Ämter des Bundes und der Länder auf Daten aus den Melderegistern zurück. „Wir haben aus verschiedenen Quellen ein Anschriftenregister aufgebaut“, sagt Projektleiter Stefan Dittrich vom Statistischen Bundesamt. Persönlich befragt wird nur eine ausgewählte Stichprobe von Haushalten.
Der Vermieter muss informieren, aber keine Zustimmung einholen
Zusätzlich dazu gibt es die Gebäude- und Wohnungszählung. Hierfür müssen alle Wohnungseigentümer und Besitzer von Wohngebäuden Angaben zu den in ihren Wohnungen lebenden Personen machen – „wenn sie in der Lage sind, diese Auskünfte umstandslos zu geben“, sagt Dittrich. „Recherchieren gehen muss dafür keiner.“ Datenschutzrechtliche Bedenken räumt Dittrich aus: Die Namen der Bewohner würden auch den Energieversorgern mitgeteilt, und in vielen Mietverträgen sei zu diesen Auskunftspflichten bereits eine Klausel enthalten. Dittrich: „Der Vermieter hat eine Informationspflicht gegenüber den Mietern, dass er die Namen weitergibt, aber er benötigt nicht deren Zustimmung.“
Dass eine regelmäßige empirische Erfassung im Rahmen des Zensus zweckmäßig ist, diese Auffassung wird vom Deutschen Mieterbund (DMB) grundsätzlich geteilt. „Mit dem Zensus bekommen wir eine aktuelle verlässliche statistische Grundlage“, erklärt Jutta Hartmann, Sprecherin des DMB. Diese sei erforderlich, um die unterschiedlichen Wohnungsmärkte in Deutschland zu analysieren, und sie kann genutzt werden, um Lösungsvorschläge für Probleme in Großstädten und Ballungsgebieten zu erarbeiten.
„Die aktuelle Situation zeigt, wie wichtig diese Daten sind“, sagt Dittrich. Beispielsweise sei erwünscht, dass Energie eingespart werde. Aus diesem Grund umfasst die Gebäude- und Wohnungserhebung in diesem Jahr zusätzliche Fragen, etwa zur Höhe der Nettokaltmiete und dem Energieträger. „So können wir erstmals erfahren, wie viele Wohnungen deutschlandweit mit welchem Energieträger beheizt werden“, sagt Dittrich.
Das Statistische Bundesamt hofft auf eine hohe Kooperationsbereitschaft seitens der Bevölkerung. Die Behörde setzt deshalb vor allem auf Aufklärung – insbesondere über den Datenschutz. „Die Bürger können darauf vertrauen, dass die Daten in guten Händen sind“, sagt Dittrich. Online erfolgt die Übermittlung verschlüsselt, einige Daten werden lediglich für organisatorische Zwecke benötigt, wie etwa für den Briefversand. „Name und Anschrift werden frühestmöglich gelöscht, und die Daten werden vor Veröffentlichung anonymisiert“, sagt Dittrich. „Es besteht kein Grund zur Sorge, dass die Angaben zu anderen staatlichen Behörden gelangen.“
Eine Alternative zur Teilnahme gibt es für die zu befragenden Personen ohnehin nicht, denn die Mitwirkung am Zensus ist Pflicht. Wer die Auskunft verweigert, muss mit einem Zwangsgeld rechnen – beim letzten Zensus 2011 war das jedoch die Ausnahme.
Sandra Diekhoff
Wie läuft der Zensus ab?
Eigentlich sollte der Zensus schon 2021 stattfinden, doch er musste pandemiebedingt um ein Jahr verschoben werden. Er umfasst eine Bevölkerungszählung und eine Gebäude- und Wohnungszählung. Für die Personenerhebung wurde im vergangenen Herbst per Zufallsverfahren eine Stichprobe von Haushalten ausgewählt, die in einem kurzen Interview persönlich befragt werden. Diese Stichprobe umfasst ungefähr 10,2 Millionen Personen; sie erhalten ab dem 16. Mai 2022 eine schriftliche Ankündigung des Termins. Für Gemeinschaftsunterkünfte gilt: Alle Bewohner nehmen an der Befragung teil.
Bei der Gebäude- und Wohnungszählung sind alle Eigentümer von Wohnraum, sowohl Privatpersonen als auch kleine und große Wohnungsunternehmen, zur Teilnahme verpflichtet. Insgesamt handelt es sich dabei um rund 23 Millionen Teilnehmer. Sie erhalten im Mai 2022 Post mit den Zugangsdaten für einen Online-Fragebogen.
sd
29.04.2022