80 Prozent des benötigten Stroms in Deutschland sollen bis 2030 aus erneuerbaren Energien bezogen werden, so sieht es das aktuelle Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) vor. Entsprechende Anlagen sind vorrangig zu genehmigen, denn es besteht ein öffentlich-sicherheitsrelevantes Interesse daran – verbunden mit dem Ziel, eine Unabhängigkeit von fossilen Brennstoffen und die Reduzierung der Treibhausemissionen zu erreichen. Ergänzend dazu ist am 1. Februar das „Wind-an-Land-Gesetz“ in Kraft getreten, dass die Errichtung von Windkraftanlagen vorschreibt. Auch in Berlin müssen bis 2027 auf 0,25 Prozent und bis 2032 auf 0,50 Prozent der landeseigenen Flächen Windkraftanlagen realisiert werden. Das entspricht der Fläche des früheren Flughafens Tegel.
Windkraftanlagen sind effektiv und haben schon heute deutschlandweit einen Anteil von einem knappen Viertel an der Stromerzeugung durch erneuerbare Energien. Photovoltaikanlagen und Geothermie machen hingegen nur einen Anteil von 10, 5 Prozent aus. Trotzdem sind für die Umsetzung von Windkraftanlagen immer noch viele Hürden zu nehmen, und die Realisierung auf den Dächern der Stadt stößt auf viel Gegenwind. Windkraftanlagen wandeln Bewegungsenergie in elektrische Energie um und nutzen dafür die physikalischen Erkenntnisse der Aerodynamik. Horizontal- und Vertikalachser stellen dabei die meist erforschten Anlagen dar.
Horizontalachser wurden nach 1980 enorm fortentwickelt. Sie bestehen aus drei aerodynamischen Rotorblättern, welche an einem Maschinengehäuse und einer Gondel oder Nabe montiert sind und meistens von einer Windrichtungsnachführung bei Sturm aus dem Wind gedreht werden. Durch die an der Flügelunterseite vorbeiströmende Luft entsteht dort ein Überdruck und an der Oberseite ein Unterdruck. Dieser sogenannte Bernoulli-Effekt sorgt dafür, dass die Rotorblätter durch den Wind in eine gleichmäßig beschleunigte Rotationsbewegung versetzt werden.
Vertikalachser wiederum sind wegen Stabilitätserfordernissen vergleichsweise klein und leicht. Die senkrechten Rotorblättern sind vertikal um die Achse des Maschinengehäuses zentriert. Aufgrund der geringeren Dimensionen sind sie gut für enge Stadträume oder Dachmontagen geeignet. Dennoch konnten sich Vertikalachser aufgrund des bis zu 30 Prozent geringeren Wirkungsgrades gegenüber Horizontalachsern nicht durchsetzen.
Die Höhe macht’s
Je höher und größer dimensioniert eine Windkraftanlage an einem windigen Standort ist, desto mehr Strom kann sie erzeugen. Mit jedem Meter Turmhöhe steigt der Ertrag um bis zu einem Prozent. Die Windgeschwindigkeiten in höheren Luftschichten können zudem nur von den großen Windkraftanlagen voll genutzt werden, und das ist eher am Stadtrand realisierbar.
Kleinwindanlagen bis 50 Meter Höhe unterliegen im Prinzip den gleichen Abhängigkeiten. Das folgende Beispiel einer Anlage auf dem Dach eines Einfamilienhauses zeigt aber, wo deren Schwäche liegt: Mit einem Rotordurchmesser von einem Meter und einer Rotorfläche von 0,8 Quadratmetern werden 96 kWh Strom pro Jahr erzeugt – umgerechnet sind das circa 33 Euro.
Sie sind aufgrund geringer Dimensionen zwar geeignet für die Dachmontage, aber letztlich im Ertrag nicht effektiv genug. Im Stadtzentrum rücken deshalb Kombinationsanlagen immer mehr ins Blickfeld, da sie – anders als eine reine Wind- oder Photovoltaikanlage – rund um die Uhr Energie erzeugen können. Genannt sei hier das „Windrail System“ als Pilotprojekt auf dem Dach eines Berliner Wohnhochhauses der Gewobag am Blasewitzer Ring. Dieses System kombinierte von 2016 bis 2019 ein windbetriebenes komplexes Luftströmungssystem, mit Photovoltaik-Paneelen. Der erhoffte Energieertrag von 18.000 kWh blieb allerdings aus, und die enorme Lärmbelastung samt Unwirtschaftlichkeit führten schließlich zum Rückbau der Anlage.
Anders als am Blasewitzer Ring lieferten Wind-Solar-Kombinationen auf dem Euref-Campus sechs Jahre lang mit sechs Anlagen auf Bestandsdächern äußerst positive Forschungsergebnisse. Die Anlagen wurden auf dem Schöneberger Gasometer und Dächern der Umgebung installiert und zusammen mit Photovoltaikanlagen in ein intelligentes Stromnetz (ein sogenanntes Smart Grid) eingebunden.
Auf dem Dach eines kürzlich errichteten 64 Meter hohen Gebäudes an der Frankfurter Allee 218 in Berlin Lichtenberg („Liese“) sind vier 20 Meter hohe Windkraftanlagen derzeit im Bau. Diese können aus einer Arbeitshöhe von insgesamt circa 86 Metern zukünftig 80 der 394 Wohnungen mit Windstrom versorgen. Die Effektivität dieser Kleinwindkraftanlage wird hier durch die Arbeitshöhe gesteigert.
Eine vielversprechende Mini-Windturbine
Klein, leicht und effektiv sollen Windkraftanlagen auf den Bestandsdächern der verdichteten Innenstadt sein. Eine neuartige kleine Windturbine kann eine hohe Effizienz bei geringen Windstärken aufweisen. Maßgeblich ist dabei die ausgetüftelte Nutzung des Bernoulli-Effekts. Der Erfinder – das amerikanischen Cleantech-Unternehmen „Aeromine Technologies“ – hat der Mini-Windturbine die Abmessungen 3 mal 3 Meter und eine Höhe von 3 bis 4 Metern gegeben. Damit wäre sie für einen flächendeckenden Einsatz auf den Berliner Altbaudächern besonders geeignet. Bei gleichen Kosten und weniger Platzbedarf produziert die Windturbine 50 Prozent mehr Strom als eine Solaranlage.
Das System allein – und allemal in Kombination mit einer Solaranlage – liefert bis zu 100 Prozent der benötigten Energie für ein Berliner Mehrfamilienhaus. Aufgrund der geringen Höhe von unter 10 Metern könnte diese technische Anlage zur Stromgewinnung genehmigungsfrei sein – vorausgesetzt, dass statische Sicherheitsnachweise vorliegen und dem Vorhaben keine planungsrechtlichen Festsetzungen entgegenstehen. In innerstädtischen Bereichen sind es neben Aspekten der Lärmbelästigung vor allem Probleme mit den bauplanungs- und ordnungsrechtlichen Vorgaben, die Gefährdung von Lebensräumen geschützter Tier- und Pflanzenarten und die Störung des Luftverkehrs, welche einer Errichtung von Windkraftanlagen entgegenstehen. Weitere Hürden sind bei der Energiespeicherung zu nehmen.
Fazit: Insgesamt zeigen Kleinwindanlagen in Kombinationen von Wind- und Sonnenenergie, dass solcherart Energiegewinnung auch in der Stadt wirtschaftlich sein kann. Bei geringerer Dimension werden neben geringeren Investitionskosten auch weniger Betriebskosten fällig. Reine Kleinwindanlagen auf Hausdächern erzeugen dagegen zu wenig Strom.
Elke Augustin
Smart Grids verhindern Energieverluste
Um die Stromversorgung trotz der naturgemäßen Schwankungen zum Beispiel bei Windstille zu gewährleisten, ist die Speicherung oder aber die Einspeisung des Stroms in sogenannte Smart Grids erforderlich. Das sind intelligente Stromnetze, die Erzeugung, Speicherung und Verbrauch steuern. Der Energieverlust durch Speicherung in Batterien, Superkondensatoren oder Speicheranlagen mit Salzkammern sowie Behältern mit Elekrolyten kann dadurch reduziert werden.
ea
27.04.2023