Im Sozialen Wohnungsbau sind die Mieten zu teuer. Um einen Weg zu finden, wie die Sozialmieten in Berlin wieder sozial werden können, berief die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung eine Expertenrunde ein. Die Schlussfolgerungen, die der Senat daraus zieht, sind für die Vertreter der Mieterseite jedoch ernüchternd. Es wird weiter an den Symptomen herumgedoktert, statt ernsthaft eine grundsätzliche Lösung zu suchen.
Die Schieflage des Sozialen Wohnungsbaus ist eklatant. Im Schnitt sind die Mieten noch höher als die auf dem freien Wohnungsmarkt. Für die Hälfte der 137.000 Berliner Sozialwohnungen gilt keine Belegungsbindung mehr. Und der Gesamtbestand geht rapide zurück: Im Jahr 2023 werden es nur noch rund 95.000 Sozialwohnungen sein. Die Versorgung einkommensschwacher Mieter mit angemessenem Wohnraum kann der Soziale Wohnungsbau trotz milliardenschwerer öffentlicher Förderung schon lange nicht mehr sicherstellen.
Um einen Ausweg aus der paradoxen Lage zu finden, hat der damalige Stadtentwicklungssenator und heutige Regierende Bürgermeister Michael Müller im November letzten Jahres eine Expertenrunde einberufen, an der auch der Berliner Mieterverein sowie Mieterinitiativen und Sozialverbände teilgenommen haben.
Im Ergebnis möchte der Senat das bis 2017 geltende Mietenkonzept für die Großsiedlungen auf den gesamten Sozialwohnungsbestand ausdehnen und mit einer einkommensabhängigen Härtefallklausel verbinden. Danach wird der Förderabbau, der zu jährlichen Mietsteigerungen von 0,13 Euro pro Quadratmeter führt, ausgesetzt, sobald die Nettokaltmiete den Schwellenwert von 5,70 Euro erreicht hat. Außerdem will der Senat für Hartz-IV-Haushalte in Sozialwohnungen die Angemessenheitsgrenzen für die Wohnkosten um zehn Prozent anheben.
Mieternahe Teilnehmer der Kommission sind von dem Ergebnis enttäuscht und haben nach der letzten Sitzung Ende März einen alternativen Forderungskatalog aufgestellt. Unterzeichnet wurde das Papier von den Sozialmieterinitiativen „Kotti & Co“ und „mieterstadt.de“, dem Berliner Mieterverein und der Berliner Mietergemeinschaft, von der Landesarmutskonferenz, dem Sozialverband Deutschland sowie von den Abgeordneten Katrin Lompscher (Linke) und Oliver Höfinghoff (Piraten).
Senatsideen greifen zu kurz
Sie kritisieren, dass die vom Senat präsentierten Vorschläge zu kurz greifen und die grundsätzlichen Probleme des Sozialen Wohnungsbaus nicht lösen würden. Für die Mieter von 28.000 Sozialwohnungen ohne Anschlussförderung, die ständig mit exorbitanten Mieterhöhungen rechnen müssen, gibt es auch weiterhin keine Lösung. „Notwendig ist der Ausstieg aus der Logik des alten Fördersystems mit seinen automatischen Mietsteigerungen und der Subventionierung von Eigentümern ohne soziale und städtebauliche Effekte“, heißt es dazu in dem Positionspapier.
Die Gegenvorschläge: Zunächst soll als Brückenlösung die Mietbelastung der derzeitigen Mieter auf ein tragbares Niveau reduziert werden. Zudem sollen die Jobcenter und Sozialämter angehalten werden, Sozialmieter nicht mehr zu Kostensenkungen und Umzügen aufzufordern. Gleichzeitig müsste umgehend eine gesetzliche Neuausrichtung des Sozialen Wohnungsbaus in Angriff genommen werden. Ziel des Gesetzes sollte sein, die Miethöhen zu begrenzen und dazu auch die Eigentümer heranzuziehen. Ferner müssten die Sozialbindungen langfristig gesichert werden und die Sozialmieter den sonst üblichen Mieterschutz bekommen. Der Senat scheint aber eine gesetzliche Neuregelung zu scheuen. Deshalb müssen Berlins Sozialmieter befürchten, dass weiter am verkorksten System herumgebastelt wird.
Jens Sethmann
Das Volk begehrt bezahlbare Sozialmieten
Im April startete ein Volksbegehren für eine grundsätzliche Neuausrichtung der sozialen Wohnraumversorgung. Gefordert werden unter anderem die Einrichtung eines Wohnraumförderfonds, mit dem Mietpreissenkungen in den bestehenden Sozialwohnungen und der Bau von bezahlbaren neuen Wohnungen finanziert werden. Das Land Berlin soll zudem Sozialwohnungsbestände ankaufen und seine eigenen Wohnungsbaugesellschaften dazu verpflichten, im Sinne des Gemeinwohls zu wirtschaften. Der Berliner Mieterverein unterstützt das Volksbegehren. Bei Redaktionsschluss zeichnete sich schon deutlich ab, dass die für die erste Stufe des Volksbegehrens benötigten 20.000 Unterschriften bis Ende Mai zusammenkommen würden.
js
Berliner Mietenvolksbegehren im Internet: www.mietenvolksentscheidberlin.de
09.07.2019