Die katastrophalen Zustände in einem Weddinger Eckhaus haben das Bezirksamt bereits mehrfach zum Handeln gezwungen. Nun steht die Frage: Können einem unfähigen und unverantwortlichen Vermieter die Zügel aus der Hand genommen werden? Das neue Zweckentfremdungsverbotgesetz ermöglicht die Zwangsverwaltung.
Die Fenster und Türen sind fest verschlossen und verriegelt – niemandem soll der Zutritt zum Haus Kameruner Straße 5, Ecke Lüderitzstraße 22 mehr möglich sein. Sein Eigentümer, der Arzt im Ruhestand Santosh A., lässt das fünfgeschossige Mietshaus, in dem vor allem Menschen aus Bulgarien und Rumänien wohnten, seit Jahren verkommen. Trotz mehrerer Aufforderungen, den Zustand zu ändern, türmten sich bei einer Begehung des Hauses durch das Wohnungsaufsichtsamt Müllberge und tummelten sich Ratten im Hof. Nach einem Kellerbrand gab es zeitweise keinen Strom und keine Heizung mehr, schließlich drehten auch die Wasserbetriebe den Hahn zu, weil der Verbrauch nicht nachzuvollziehen und die Bezahlung nicht gesichert war.
„Das Wohnhaus war in einem unhaltbaren Zustand“, erklärt Stephan Winkelhöfer, Integrationsbeauftragter beim Bezirksamt Mitte. „Wir haben den Eigentümer aufgefordert, zu räumen. Er hat – wie immer eigentlich – nicht reagiert, also haben wir das Haus Mitte April schließlich räumen müssen.“ Da hielten sich noch 56 Bewohner in den verwahrlosten Räumen auf. Nur die Hälfte von ihnen hatte einen Mietvertrag vorweisen können. Familien mit Kindern waren schon Wochen vorher aufgrund des sanitären Notstandes aus dem Haus herausgeholt und in Notunterkünften untergebracht worden.
Nun geht es um die Frage, wann und wie das Gründerzeithaus wieder für Wohnzwecke hergerichtet werden kann. Dazu muss jetzt nicht nur desinfiziert werden, es braucht einen Sanierungsplan und Kostenvoranschläge für die grundlegenden Baumaßnahmen, die in dem Haus stattfinden müssen. Aber noch immer ist Santosh A. Eigentümer – und der muss erst mal einbezogen werden.
„Wir haben uns mit einem Schreiben an ihn gewandt mit Terminvorschlägen für ein Gespräch, um gemeinsam zu beraten“, erklärt Ephraim Gothe, Bezirksstadtrat in Mitte. Und fügt hinzu: „Es wäre allerdings für mich wirklich überraschend, wenn er mit einem Konzept hierher käme.“ So denkt man im Bezirksamt Mitte über einen zweiten Weg nach, den das neue Zweckentfremdungsverbotgesetz möglich macht: Seit dem 1. Mai lässt es in bestimmten Fällen zu, dass einem unwilligen oder unfähigen Vermieter die Zügel aus der Hand genommen und seine Immobilie zwangsverwaltet wird.
„Juristisch würden wir mit der Zwangsverwaltung des Hauses im Wedding Neuland beschreiten – noch gibt es für solche Vorgehensweise keine Präzedenzfälle in Berlin“, erklärt Gothe. Er betont aber zugleich, dass Bezirk und Senat sich einig sind, die Möglichkeiten zu prüfen und den Weg zu versuchen, den das Gesetz ermöglicht.
Rosemarie Mieder
24.05.2018