Überbelegt und heruntergekommen – aber gewinnbringend vermietet. Problemhäuser wie das in der Kameruner, Ecke Lüderitzstraße im Wedding gibt es einige in Berlin. Die zuständigen Bezirksämter aber scheinen machtlos gegen verantwortungslose Vermieter zu sein.
Unrenovierte Räume, Wasserschäden, Schimmel an den Wänden und desolate Küchen. Nach einem Kabelbrand war das ganze Haus wochenlang ohne Strom, dazu türmten sich Müllberge, und Ratten liefen über den Hof. Den Vermieter scheint das seit Jahren nicht zu kümmern. Im Haus in der Kameruner Straße 5, Ecke Lüderitzstraße 22, leben 40 vorwiegend bulgarische Familien mit ungefähr 50 Kindern. Eine Hausverwaltung, die bis zum April dieses Jahres im selben Haus ansässig war, hatte ihnen Mietverträge für jeweils eine Wohnung ausgestellt, obwohl jede Familie in der Regel nur ein Zimmer zur Verfügung hat. Die Mieten wurden in bar abkassiert. „Ein bekanntes Geschäftsmodell“, erklärt Georgi Ivanov vom Verein Amaro Foro e.V., der seit sieben Jahren schwerpunktmäßig rumänische und bulgarische Roma berät. „Und dass es funktioniert, ist eine Folge der Diskriminierung dieser Menschen am Wohnungsmarkt.“ Weil sie auf dem regulären Markt keine Chance haben, wird ihnen von skrupellosen Eigentümern für wenige Quadratmeter Fläche in heruntergekommenen Bleiben eine viel zu hohe Miete abgeknöpft. Die Ämter würden kaum etwas unternehmen, um solch schlimme Mietverhältnisse zu beseitigen und gegen die kriminellen Machenschaften vorzugehen, beklagt der Sozialarbeiter.
Stephan Winkelhöfer, Integrationsbeauftragter beim Bezirksamt Mitte, verweist auf das komplexe Verwaltungsverfahren, um bei „Problemhäusern“ wie dem in der Kameruner Straße wohnungsrechtlich eingreifen zu können. Es müsste alles genau untersucht und viele verschiedene Behörden eingebunden werden: neben der Wohnungs- und Bauaufsicht in der Regel auch das Gesundheitsamt und möglicherweise das Landeskriminalamt. Das erfordere viel Zeit. „Wenn der Vermieter dann seinen Anwalt einschaltet, kann er das Verfahren noch weiter verzögern.“
In der Kameruner Straße sind – nach viel medialer Aufmerksamkeit für das marode Objekt – erst einmal Notfallmaßnahmen durchgeführt worden: Müllentsorgung, Rattenbekämpfung, die Wiederherstellung der Stromversorgung. „Aber alle Versuche, das Haus verantwortungsvoll und kundig verwalten und sozial betreuen zu lassen, sind bisher am Vermieter gescheitert“, so Stephan Winkelhöfer. Der Eigentümer ist zu keinem der anberaumten Gesprächstermine erschienen und auch einer Begehung durch die Bauaufsicht fern geblieben. Stattdessen ist er durchs Haus gegangen und hat den Bewohnern pauschal erklärt, dass ihre Mietverträge ungültig seien. Begründung: Die Hausverwaltung sei von ihm nicht zum Abschluss von Mietverträgen ermächtigt worden. Jetzt leben die Mieter nicht nur unter desaströsen Umständen, sondern auch in der Angst vor Obdachlosigkeit.
Mieterverein fordert: Treuhänder einsetzen
Um Probleme wie in dem Weddinger Wohnhaus anzugehen, fordert der Berliner Mieterverein (BMV) eine Verbesserung des Wohnungsaufsichtsgesetzes. Wibke Werner, stellvertretende Geschäftsführerin des BMV: „Es muss möglich sein, einen Treuhänder einzusetzen, wenn dem Vermieter die Zügel aus der Hand gleiten oder wenn er sie bewusst schleifen und ein Haus verrotten lässt.“
Der Integrationsbeauftragte Stephan Winkelhöfer hält den Einsatz von Objektmanagern für sinnvoll: „Die könnten vor Ort alle Kräfte bündeln und mit verschiedenen Partnern zusammenarbeiten, um solche Zustände gezielt zu verändern.“
Seit Anfang Oktober werden mit Hilfe zweier sozialer Projekte wenigstens die Kinder im Haus besser betreut. Die Miet- und Wohnsituation in der Kameruner, Ecke Lüderitzstraße allerdings läuft weiter wie bisher. Das Jugendamt hat vor Kurzem entschieden, die Familien mit Kindern zeitweise erst einmal in einer Notunterkunft unterzubringen.
Rosemarie Mieder
Arbeitskreis Problemimmobilien
Das Berliner Wohnungsaufsichtsgesetz (WoAufG Bln) regelt den Umgang mit und die Beseitigung von Wohnungsmissständen. Die Verantwortung dafür liegt bei den Bezirksämtern. Um Verwahrlosungs- und Überbelegungsprobleme bei Wohnimmobilien in den Griff zu bekommen, hat nun die Oberste Bauaufsicht einen Arbeitskreis Problemimmobilien ins Leben gerufen. Mitarbeiter aus Bezirksämtern und Fachleute sollen sich dort gemeinsam beraten und nach Lösungen suchen. Eine Änderung des Wohnungsaufsichtsgesetzes soll – nach Auskunft der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen – noch in dieser Legislaturperiode auf den Weg gebracht werden.
rm
16.04.2018