Die von abenteuerlichen Mieterhöhungen betroffenen Sozialmieter in der Kreuzberger Fanny-Hensel-Siedlung erhalten vom Senat keine weitere Unterstützung. Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) kann in Mietsteigerungen auf bis zu 13 Euro pro Quadratmeter nettokalt keine besondere Härte erkennen. Auch die Bewohner anderer Häuser des Sozialen Wohnungsbaus dürfen nach dem Wegfall der Anschlussförderung bei horrenden Mietsteigerungen vom Senat kaum mehr als eine Umzugskostenbeihilfe erwarten.
Ende Februar hatte das Abgeordnetenhaus den Senat in einem dringlichen Antrag aufgefordert, zu prüfen, ob den Mietern der Fanny-Hensel-Siedlung Mietzuschüsse und Umzugsbeihilfen über die bisher geltenden Fristen hinaus gewährt werden können. Senatorin Junge-Reyer ließ sich bis zum 18. Mai Zeit. Das Ergebnis ihrer Überprüfung kommt unter der beschönigenden Überschrift daher: „Senat unterstützt Mieter der Fanny-Hensel-Siedlung bei der Wohnungssuche“. Durch Verhandlungen mit dem Vermieter – so der Inhalt – habe der Senat erreicht, dass die Mieter eine 14 Tage längere Frist zur Wahrnehmung ihres Sonderkündigungsrechts erhalten haben und dass die zweimonatige Räumungsfrist um einen Monat verlängert wurde. Auf entsprechende Bitten haben städtische Wohnungsunternehmen den betroffenen Mietern 45 Ersatzwohnungen angeboten, die jedoch nicht angenommen wurden. Dass die angebotenen Wohnungen zu klein, zu weit weg und vor allem für die Sozialmieter zu teuer waren, erwähnt der Senatsbericht nicht.
Den Mietern das Bleiben in ihren Wohnungen zu ermöglichen, kommt für die Landesregierung indessen nicht in Frage: „Über die 2003 beschlossenen Maßnahmen hinaus stehen dem Senat keine weiteren Mittel zur Verfügung, die betroffenen Mieter in der Siedlung zu unterstützen“, erklärt der Senat. „Ausnahmetatbestände oder besondere Härten, die eine dauerhafte Herabsubventionierung der Mieten rechtfertigen würden, sind nicht vorhanden.“ Dies würde auch den Gleichbehandlungsgrundsatz gegenüber den Mietern anderer betroffener Wohnanlagen verletzen.
In der Bemerkung „Den Mietern der Siedlung in der Schöneberger Straße war das Auslaufen der Anschlussförderung seit 2005 bekannt“ klingt zudem durch, dass die Mieter nach Meinung des Senats schon seit fünf Jahren hätten wissen müssen, welche Mietsteigerungen auf sie zukommen, und sich schon längst um eine andere Wohnung hätten kümmern können.
Immerhin nahm Ende Mai zum ersten Mal ein Vertreter der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung am Runden Tisch teil, der vom Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg schon im Februar einberufen worden ist, um die Probleme in der Fanny-Hensel-Siedlung zu klären. Ingeborg Junge-Reyer erklärte anschließend jedoch: „Der Runde Tisch im Fanny-Hensel-Kiez hilft den Mieterinnen und Mietern überhaupt nicht. Ich will nicht länger realitätsfern Probleme diskutieren, sondern konkrete Hilfe anbieten.“ Deshalb habe sie eine unabhängige Mieterberatung beauftragt, die bei der Suche nach geeigneten Ersatzwohnungen helfen soll.
Das Konzept lässt auf sich warten
Die Fanny-Hensel-Siedlung ist allerdings längst kein Einzelfall. Der Senat hatte für Juni ein Mietenkonzept für den gesamten Sozialen Wohnungsbau angekündigt, das bei Redaktionsschluss jedoch noch ausstand. Vorgelegt wurde am 1. Juni aber ein Bericht, nach dem die Mieterhöhungen als Folge des Ausstiegs aus der Anschlussförderung im Jahr 2009 „weiterhin geringer als erwartet“ ausgefallen seien. „Die Senatorin verhöhnt erneut von Obdachlosigkeit bedrohte Sozialmieter“, kommentiert Sebastian Jung, Sprecher der Initiative „sozialmieter.de“.
Jens Sethmann
MieterMagazin 7+8/10
Fanny-Hensel-Siedlung in Kreuzberg:
Die Bewohner fühlen sich von Senatorin Junge-Reyer verhöhnt
Foto: Sabine Münch
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Damokles-Schwert über 28.000 Wohnungen
Vom Wegfall der Anschlussförderung sind bis zu 28.000 Berliner Sozialwohnungen der Baujahre nach 1987 betroffen. Nach dem Ende der Förderung dürfen die Eigentümer die Miete sofort auf die sogenannte Kostenmiete anheben, die meist zwischen 12 und 18 Euro pro Quadratmeter nettokalt beträgt. Für mehr als 16.000 Sozialwohnungen wurde die Anschlussförderung bisher verweigert. Hier sind jetzt exorbitante Mietsteigerungen möglich. Auf die Mieter der übrigen 11.000 Sozialwohnungen kommt dasselbe Problem in den nächsten drei Jahren zu (das MieterMagazin berichtete in seiner Ausgabe 6/10, Seite 16: „Im freien Fall“). Im Herbst 2009 begannen einige Vermieter, diese Mieterhöhungsmöglichkeiten gezielt auszunutzen, um die Sozialmieter loszuwerden. Obwohl deutlich war, dass die bestehenden Härtefallregelungen den Mietern nichts nützen und schnelles Handeln nötig ist, hat der Senat immer noch kein Konzept vorgelegt, wie den Mietern das Bleiben in ihren Wohnungen ermöglicht werden kann.
js
23.12.2017