In den letzten Jahren hat der Bundesgerichtshof (BGH) eine ganze Reihe von Urteilen gesprochen, mit denen die Rechte von Mietern beschränkt beziehungsweise ihre Durchsetzung erschwert wurden. Vermieter nutzen diese höchstrichterliche Rechtsprechung mittlerweile gezielt aus. Die Grünen-Bundestagsfraktion will deswegen an vier Punkten das Mietrecht ändern.
Frank Maciejewski, Mietrechtsexperte des Berliner Mietervereins, hat eine Liste mit den 31 „mieterunfreundlichsten“ BGH-Entscheidungen der letzten zehn Jahre zusammengestellt.
Kündigungen wegen Hinderung einer wirtschaftlichen Verwertung wurden erleichtert. Mieter können auch faktisch nicht mehr mit dem Wirtschaftsstrafgesetz gegen Mietpreisüberhöhung vorgehen. Sie dürfen nicht die Mietzahlungen zurückbehalten, wenn der Vermieter insolvent wird und die Kaution nicht insolvenzsicher angelegt hat. Sogar die Eigenbedarfskündigung für den Schwager des Vermieters oder eine Kündigung für die Unterbringung eines Au-pair-Mädchens hat der BGH ermöglicht. Das ist nur ein Ausschnitt.
Kopfschütteln und Empörung löste ein Urteil des BGH aus, nach der die in Mietverträgen vereinbarte Wohnfläche um bis zu 10 Prozent über der tatsächlichen Wohngröße liegen darf, ohne dass ein Mieter die Möglichkeit hat, den dadurch höheren Mietzins zu reduzieren (Aktenzeichen VIII ZR 295/03). Nicht nur die Miete, sondern auch spätere Mieterhöhungen und die Betriebskosten dürfen an der falsch angegebenen Wohnfläche bemessen werden. Mieter müssen also ohne sachlichen Grund bis zu zehn Prozent mehr Miete zahlen. Dieses Urteil sprach sich als „Zehn-Prozent-Regel“ herum und wird von vielen Eigentümern als Freibrief für falsche Angaben aufgefasst. Immer häufiger schreiben Vermieter offensichtlich bewusst zu viele Quadratmeter in die Mietverträge.
Mit einem weiteren Urteil hat der BGH die Anforderungen an Mietminderungen stark heraufgesetzt, so dass Mieter, die ihre Mietzahlungen reduzieren, erhebliche Gefahr laufen, sich eine fristlose Kündigung wegen eines angeblichen Mietrückstandes einzuhandeln (VIII ZR 138/11). Auch ein nur leicht fahrlässiger Irrtum über die Ursache eines Mangels kann schnell zur Kündigung führen. Daher müssen Mieter besonders bei strittigen Mängeln wie Schimmel mit Mietminderungen äußerst vorsichtig sein.
Erheblich erleichtert hat der BGH die Kündigung von Mietern, die in Zahlungsverzug geraten sind. Eine wegen Mietsäumnis ausgesprochene ordentliche Kündigung können Mieter nicht durch die Zahlung des geschuldeten Betrages aus der Welt schaffen (VIII ZR 107/12).
Zudem erschwert ein BGH-Urteil den Mietern, die Betriebskostenabrechnungen zu überprüfen: Mieter können grundsätzlich nicht vom Vermieter die Übergabe von Fotokopien der Abrechnungsbelege verlangen (VIII ZR 78/05). Da die Darlegungslast für fehlerhafte Betriebskostenabrechnungen beim Mieter liegt, muss er sich zum Vermieter begeben und um Einsicht in die Belege bitten – ein unverhältnismäßig hoher Aufwand.
Grüner Gesetzesvorstoß
Um „das Mietrecht so zu gestalten, dass die Rechte von Mieterinnen und Mietern wieder gestärkt werden“, haben die Grünen einen Gesetzgebungsvorstoß gemacht. Die Wohnflächentoleranz soll auf maximal drei Prozent abgesenkt werden. Mietern solle bei fälschlich vorgenommenen Mietminderungen nur noch bei grober Fahrlässigkeit gekündigt werden können. Bei Zahlungsverzug wird den Mietern die Möglichkeit eingeräumt, ordentliche Kündigungen mit einer Nachzahlung abzuwenden. Und Mieter sollen grundsätzlich Anspruch auf Kopien der Belege zur Betriebskostenabrechnung haben. Der Antrag wurde vom Bundestag zur Beratung in die Ausschüsse überwiesen.
Jens Sethmann
MieterMagazin 7+8/13
Vermieterinteressen wiegen in der Waagschale der Gerechtigkeitsgöttin beim BGH oft schwerer als die der Mieter
Foto: Wikimedia
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Was macht der Bundesgerichtshof?
Der Bundesgerichtshof (BGH) ist ein Revisionsgericht, das heißt, hier werden in der Regel nur Fälle verhandelt, die bereits durch ein Berufungsverfahren gegangen sind und als grundsätzliche Rechtsfragen geklärt werden müssen. Die Entscheidungen des BGH sind wegweisend für die Rechtsprechung der Amts- und Landgerichte und bilden die maßgebliche Auslegung des Gesetzes. Für das Wohnraummietrecht ist der VIII. Zivilsenat des BGH zuständig.
Alle Entscheidungen werden im Internet
in einer Datenbank abgelegt:
www.bundesgerichtshof.de
unter „Entscheidungen“.
Auch der Berliner Mieterverein dokumentiert
die Entscheidungen unter
www.berliner-mieterverein.de/recht/.
js
29.03.2022