Auch in der Berufungsverhandlung vor dem Landgericht Berlin behielt die Meinungsfreiheit die Oberhand. Die Mieter der Calvinstraße 21 dürfen weiterhin ihr Protesttransparent mit der Aufschrift „Wir lassen uns nicht luxussanieren!“ an ihrem Balkon angebracht lassen.
Schon vor dem Amtsgericht Mitte wurde die Klage des Eigentümers Terrial auf Entfernung des Transparents abgewiesen (MieterMagazin 4/2014, Seite 6: „Meinungsfreiheit obsiegt“). Die Mieter protestieren seit 2011 mit ihrem Transparent gegen das teure Modernisierungsvorhaben und die schikanösen Bauarbeiten, bei denen unter anderem der Aufzug ausgebaut und Fenster zugemauert wurden. Im Juni 2013 wurde vor dem Haus ein Baugerüst aufgestellt und dabei der betreffende Balkon mit einer fünflagigen Netzplane verhängt – offensichtlich nur, um das Transparent der Mieter zu verdecken. Der Eigentümer wurde vom Amtsgericht verurteilt, die überzähligen Netzlagen zu entfernen.
Trotz dieses eindeutigen Urteils legte Terrial beim Landgericht Berlin Berufung ein – und scheiterte damit erneut. Das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung sei hier höher zu bewerten als der grundgesetzliche Schutz des Eigentums. Das Landgericht konnte auch keine unerlaubte „Schmähkritik“ erkennen.
Die sechs Mietparteien der Calvinstraße 21 befinden sich zurzeit in einem Schwebezustand: Die ersten Modernisierungsankündigungen konnten sie zurückweisen. Über den Fortgang der Arbeiten lässt sie der Eigentümer aber im Unklaren. Nachdem die leeren Wohnungen entkernt wurden, gibt es seit einem halben Jahr keine Bauarbeiten mehr. Das Baugerüst steht ungenutzt herum. Das Gerüst bleibe stehen, bis die Baumaßnahme abgeschlossen ist, sagte die Anwältin des Eigentümers. Das könne lange dauern.
Jens Sethmann
MieterMagazin 7+8/14
Der Protest der Calvinstraßen-Mieter ist nun auch vom Landgericht abgesegnet
Foto: Nils Richter
01.01.2018