Strom kostet die deutschen Haushalte mehr als jemals zuvor. Ende März gab das Vergleichsportal Verivox bekannt, dass im Bundesdurchschnitt aktuell 29,42 Cent je Kilowattstunde (kWh) fällig sind. Auch im europäischen Vergleich liegt Deutschland damit ganz vorne, nur getoppt von den Dänen. Warum sind unsere Stromrechnungen so hoch – und wie lässt sich das ändern?
Zwei Drittel der deutschen Strom-Grundversorger – Energieversorgungsunternehmen wie die Stadtwerke, die in einem bestimmten Gebiet die meisten Haushaltskunden beliefern – haben laut Verivox in den ersten Monaten dieses Jahres bereits ihre Preise erhöht, und zwar um durchschnittlich rund fünf Prozent. Ein Haushalt mit drei Personen, der im Jahresschnitt 4000 kWh verbraucht, zahlt dadurch künftig 60 Euro jährlich mehr. 6,8 Millionen Haushalte sind von den Preiserhöhungen betroffen. Weitere Versorger haben Preissteigerungen für die nächsten Monate angekündigt.
Die Stromanbieter begründen den Anstieg mit gestiegenen Beschaffungskosten. 2018 sind die Preise an der Strombörse – der European Energy Exchange (EEX) in Leipzig – um 30 Prozent gegenüber dem Vorjahrespreis gestiegen. Im September erreichten sie den höchsten Stand seit sieben Jahren, unter anderem wegen gestiegener Kosten für Kohle und Gas. Seitdem sind die Großhandelspreise wieder leicht gefallen. Weiterhin teuer sind allerdings CO2-Zertifikate. Diese „Verschmutzungsrechte“ müssen die konventionellen Stromerzeuger für den Ausstoß von klimaschädlichem Kohlendioxid vorhalten. 2018 hatten sich die Preise für Emissionszertifikate im EU-Handel von rund 7 auf 20 Euro pro Tonne CO2 fast verdreifacht – möglicherweise als frühe Reaktion auf die Reform des Emissionshandels in diesem Jahr, bei dem der bisher vorherrschende Zertifikate-Überschuss stückweise abgebaut werden soll.
Allerdings: Die Stromerzeugung macht lediglich ein Fünftel des Strompreises aus. Der Löwenanteil entfällt auf Steuern und Abgaben. Strom- und Mehrwertsteuer, Konzessionsabgabe an die jeweilige Gemeinde und sonstige Umlagen summierten sich im vergangenen Jahr auf etwa 30 Prozent der Gesamtkosten. Hinzu kommt die EEG-Umlage, auf die 2010 23 Prozent des Strompreises entfiel.
Diese Umlage – kurz für „Erneuerbare-Energien-Gesetz-Umlage“ – wurde im Jahr 2000 zur Ausgestaltung des gleichnamigen Gesetzes eingeführt. Mit ihr wird der Ausbau der Erneuerbaren Energien finanziert. 2018 wurden bereits rund 40 Prozent der Energie in Deutschland aus Sonne, Wind, Wasser, Geothermie oder Biomasse gewonnen – Tendenz steigend. Wer eine Ökostromanlage betreibt, darf den daraus gewonnenen Strom in das Netz einspeisen und erhält dafür einen staatlich festgelegten Preis. Die Netzbetreiber verkaufen diesen Strom dann an der Strombörse – meist mit Verlust gegenüber dem, was sie zuvor an die Anlagenbetreiber gezahlt haben. Die Differenz dürfen sie sich aus dem EEG-Topf holen, der wiederum aus der EEG-Umlage gespeist wird, die jeder Verbraucher über die Stromrechnung mitbezahlt.
EEG-Umlage geht zurück
Zwar gilt die EEG-Umlage als einer der Preistreiber für Stromkosten in Deutschland. 2019 ist sie aber, wie auch bereits 2018, gegenüber dem Vorjahr geringfügig abgesunken und liegt nun bei 6,405 statt 6,792 Cent pro Kilowattstunde. Dafür gibt es seit diesem Jahr eine neue Umlage zur Finanzierung des Ausbaus des Offshore-Netzes in Nord- und Ostsee. Sie beträgt in diesem Jahr 0,416 ct/kWh. Die EEG-Umlage wird künftig voraussichtlich noch weiter sinken, weil alte und damit teure Ökostromanlagen im Laufe der nächsten Jahre aus der Förderung fallen werden.
Einen ebenfalls großen Anteil am Strompreis haben mit rund einem Viertel die Netzentgelte – Gebühren, die die Strom- und Gasanbieter den Netzbetreibern zahlen müssen, damit sie Strom oder Gas durch das Versorgungsnetz leiten dürfen. Diese Kosten legen die Energieversorger über den Strompreis auf die Privatkunden um.
Hier gibt es jedoch große regionale Unterschiede: So werden im ländlichen Ost- und Norddeutschland höhere Entgelte fällig. Dort sind verhältnismäßig viele Ökostromanlagen in Betrieb. Zum anderen gilt: Je mehr ein Unternehmen in die eigene Infrastruktur investieren muss, desto teurer wird es für den Endkunden. Besonders tief in die Tasche greifen müssen daher Bewohner dünn besiedelter Regionen. Deutlich günstiger kommen die Menschen in den Ballungsgebieten weg.
2019 sind die Netzentgelte – nach einem leichten Abfall 2018 – im Bundesdurchschnitt um 1,4 Prozent wieder leicht angestiegen. Es ist allerdings davon auszugehen, dass der Anstieg in den kommenden Jahren deutlich Fahrt aufnimmt, was vor allem mit dem Ausbau der Stromtrassen zusammenhängt. Die Kohlekommission hat nun vorgeschlagen, dass der Bund ab 2023 die Netzentgelte bezuschussen soll, um Anbieter und Kunden zu entlasten.
Insgesamt addierten sich die Mehrkosten für Anbieter bei einer Abgabemenge von 4000 kWh auf rund 30 Euro. Dem Kunden abverlangt wurde aber durchschnittlich das Doppelte – ein satter Aufschlag. Das ist besonders vor dem Hintergrund, dass Anbieter in der Vergangenheit Preissenkungen häufig mit Verweis auf langfristige Lieferverträge nicht unmittelbar an ihre Kunden weitergegeben haben, schwer nachvollziehbar. Verbraucherschützer kritisieren deswegen auch, dass sich Erhöhungen immer deutlich schneller auf den Rechnungen der Haushalte bemerkbar machen als Preissenkungen.
Dass die Preise nicht direkt zum Beschaffungskosten-Höchststand im Herbst, sondern erst in den letzten Monaten erhöht wurden, darin sehen Experten eine „Masche“ der Stromanbieter. Denn im Januar, wenn die Neujahrsvorsätze noch frisch sind, wollen viele Kunden ihre Ausgaben reduzieren und sehen sich nach neuen Stromverträgen um. Es macht also aus Anbietersicht durchaus Sinn, das Ende dieser Phase abzuwarten.
Es gibt auch Preissenker
Verbraucherschützer raten dazu, konsequent den Anbieter zu wechseln, um den Wettbewerb in Schwung zu bringen. Denn die Verivox-Untersuchung hat auch ergeben: Rund zwei Dutzend Anbieter haben in diesem Jahr die Preise um ein bis zwei Prozent gesenkt.
Seit 1998 können Verbraucher in Deutschland selbst entscheiden, woher sie ihren Strom beziehen. Mehr als 1000 Anbieter konkurrieren hierzulande miteinander. Vergleichsportale wie Verivox oder Check24 bieten eine gute Übersicht. Da sich Strompreise mitunter schnell ändern können, ist es sinnvoll, auf kurze Vertragslaufzeiten und Kündigungsfristen zu setzen. Auch Preisgarantien für die Dauer der Vertragslaufzeit sind sinnvoll.
Noch einfacher machen es Dienstleister wie Switchup, Wechselpilot oder Esave, die regelmäßig Tarife vergleichen und immer den günstigsten Vertrag auswählen. Als Kunde muss man sich dann um nichts mehr kümmern. Die Wechseldienste finanzieren sich über die Provisionen, die bei 20 bis 30 Prozent der Ersparnis liegen können.
Und schließlich: Nicht nur an der Kosten-, auch an der Verbrauchsschraube kann man drehen – und dadurch Kosten sparen und die Umwelt schonen, selbst dann, wenn man immer darauf achtet, das Licht im Flur auszuschalten, und im Sparwaschgang wäscht: Es zeigt sich immer wieder, dass die allermeisten Haushalte noch Einsparpotenziale haben.
Katharina Buri
Strom sparen – Klima schützen
Der im April veröffentlichte „Stromspiegel“ zeigt: Private Haushalte verbrauchen in Deutschland zu viel Strom. Die 226.000 untersuchten Haushalte verschwenden demnach jährlich rund 9 Milliarden Euro und verantworten den unnötigen Ausstoß von 18 Millionen Tonnen Kohlendioxid. Das entspricht in etwa den jährlichen CO2-Emissionen des Braunkohlekraftwerks Weisweiler, das zu den fünf klimaschädlichsten Kraftwerken Europas zählt.
Jeder Haushalt könnte im Schnitt 230 Euro Stromkosten sparen und damit nicht nur den eigenen Geldbeutel schonen, sondern auch einen Beitrag zu Klimaschutz und Energiewende leisten, so der Tenor der Untersuchung. Ob Waschmaschine, Beleuchtung oder Unterhaltungstechnik: Wo genau gespart werden kann, hängt unter anderem von Haushaltsgröße und Wohnsituation ab. Ein Onlinerechner hilft, die eigenen Sparpotenziale zu erkennen.
Hinter dem „Stromspiegel“ steht ein Bündnis aus Verbraucherorganisationen, Forschungseinrichtungen, Energieagenturen und Wirtschaftsverbänden.
kb
www.stromspiegel.de/beratung/stromcheckWeitere Tipps zum Thema Stromtarife bietet die Stiftung Warentest unter
www.test.de/thema/stromtarife
So hat sie unter anderem im März Wechseldienste getestet (Ergebnisse kostenpflichtig).
19.06.2019