Die Mieter der Eisenbahnstraße 20 in Kreuzberg könnten zu den Leidtragenden eines dubiosen Immobiliengeschäfts werden. Ihr Haus soll zwangsversteigert werden. Das Insolvenzrecht, so befürchten sie, könnte Mieterrechte aushebeln.
Das schlichte Mietshaus aus den 1960er Jahren war im Juli 2018 für 3,8 Millionen Euro an eine GmbH verkauft worden. Schon bald bemerkten die Mieter Veränderungen: Der Müll wurde nicht mehr abgeholt, und auch andere Versorger drohten mit Sperrungen, weil der Hauseigentümer die Rechnungen nicht bezahlt hatte. 2021 wurde schließlich ein Insolvenzverfahren eingeleitet. Nach Recherchen von Christoph Trautvetter vom Netzwerk Steuergerechtigkeit steckt hinter der GmbH ein Geflecht von rund 30 chinesischen Import-Export-Firmen und Vereinen. Eindeutige Belege für Geldwäsche gebe es bislang nicht.
Das Insolvenzrecht kennt zwei Besonderheiten, die den Mietern Sorge machen: Zum einen ein Sonderkündigungsrecht, welches Erwerber gelegentlich dazu nutzen, um postwendend und ohne weitere Angabe von Gründen zu kündigen. Das ist nicht zulässig, wie der Rechtsexperte des Berliner Mietervereins, Frank Maciejewski, erklärt: „Das Sonderkündigungsrecht beinhaltet lediglich, dass Kündigungsausschlüsse im Mietvertrag nicht mehr gelten, etwa der Ausschluss von Eigenbedarf.“ Zudem gibt es ein Schlupfloch für die Umwandlung in Eigentumswohnungen. Ein neuer Eigentümer könnte sich darauf berufen, dass eine Bewirtschaftung als Mietshaus wirtschaftlich unzumutbar wäre. Dem Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg ist nur ein einziger Fall bekannt, in dem ein entsprechendes Gutachten Erfolg hatte.
Eine Genossenschaft aus der Nachbarschaft ist interessiert, das Haus zu kaufen, aber bei einem Kaufpreis von 3,8 Millionen Euro sei eine vernünftige Bewirtschaftung nicht möglich. Der Insolvenzverwalter ist davon unbeeindruckt: Bei der derzeitigen Marktlage sei auch „eine Verwertung oberhalb des Kaufpreises von 2018 möglich“.
Birgit Leiß
29.06.2022