Ehepaar Hoffmann* kommt in die Beratung: Beide sind verärgert. Sie haben ein Problem mit ihrem Nachbarn, der unter ihnen wohnt. Der beklagt sich regelmäßig über ruhestörenden Lärm. Hoffmanns sind genervt – und sie sind sich keiner Schuld bewusst. Aus ihrer Sicht verhalten sie sich normal. Seit einem Jahr haben sie ein Kind, und das soll natürlich in der Wohnung spielen können …
Für die Konfliktberatung beim Berliner Mieterverein (BMV) ein typisches Beispiel. „Im ersten Gespräch versuchen wir, uns ein genaues Bild der Konfliktsituation zu machen“, sagt Marco Waelisch, einer der Mitarbeiter der Arbeitsgruppe Mediation, die für den BMV tätig ist. „Wir fragen nach der Vorgeschichte des Konflikts und nach den Wünschen der Ratsuchenden. Dann versuchen wir einzuschätzen, wie weit der Konflikt schon eskaliert ist. Anschließend erarbeiten wir gemeinsam ein mögliches Vorgehen.“
Im vorliegenden Fall waren alle Beteiligten an einem vermittelnden Gespräch interessiert. Dabei kam es zu einer schriftlichen Vereinbarung zwischen den Konfliktpartnern. In einem Punkt wurde ausgehandelt, dass das Ehepaar Hoffmann in den Raum über dem Schlafzimmer des darunter wohnenden Mieters einen Teppich legt. Weiterhin wurden Ruhezeiten verabredet, in denen die oben wohnenden Mieter besonders achtsam sein sollten. Der Mieter der unten gelegenen Wohnung erklärte sich im Gegenzug bereit, nicht mehr oben zu klingeln und sich zu beschweren.
Häufig jedoch kommt es in den Konfliktberatungen gar nicht zu einer direkten Konfliktvermittlung (Mediation). Vielmehr erwarten die Ratsuchenden Hilfestellung, wie sie selbst mit dem Nachbarn kooperativ umgehen können. „Maßgebend sind immer die individuellen Bedürfnisse und Interessen der am Konflikt Beteiligten“, so Marco Waelisch. In wieder anderen Fällen ist der Konflikt so weit fortgeschritten, dass eine Konfliktlösung schwierig wird. Waelisch: „Hier hilft manchmal der Weg über den Vermieter, der uns bei der Kontaktaufnahme zum zweiten Nachbarn unterstützt.“ Sinnvoll sei es in jedem Fall, Konflikte möglichst erst gar nicht eskalieren zu lassen und sich frühzeitig Rat zu holen: Je eher, desto besser.
mw
*Name von der Redaktion geändert
MieterMagazin 8/05
Konflikte kann man lösen oder entschärfen –
so allerdings nicht
Foto: Kerstin Zillmer
20.06.2023