Seit der Einführung der „Gelben Tonne plus“ im Januar 2005 haben sich 50 Berliner Wohnungsunternehmen mit über 320.000 Wohneinheiten für dieses System entschieden. Noch in diesem Jahr sollen 720.000 Berliner in circa 400.000 Wohneinheiten die Tonne nutzen können. Der Betreiber, die Alba AG, sieht sie ebenso wie die zuständige Senatsverwaltung für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz und die angeschlossenen Wohnungsunternehmen als Erfolg. Finanziell rechnet sich die Tonne allerdings nur für Mieter großer Wohnanlagen.
Die Gelbe Tonne plus ist ein Projekt, das es außer in Berlin nur noch in Leipzig gibt: Neben Verpackungsmüll mit dem Grünen Punkt dürfen weitere trockene Wertstoffe über die Ton-ne entsorgt werden: Metalle wie Konservendosen, Kunststoffe ohne Grünen Punkt wie Schüsseln, Spielzeug oder Abdeckfolien, Holzmaterialien und auch unzerstörte Elektrokleingeräte wie Rasierapparate, Haartrockner oder Toaster.
Für die Alba AG rechnet sich das, denn diese zusätzlich erfassten Wertstoffe werden recycelt und sind bares Geld wert: In Berlin-Mahlsdorf, wo Alba nach eigener Aussage Deutschlands modernste Sortier- und Auf-bereitungsanlage für Abfälle aus der Gelben Tonne gebaut hat, werden 13 unterschiedliche Wertstoffe separiert. Die reinen Plastikreste werden zu Granulat verarbeitet, das dann für die Herstellung von Baueimern oder Parkbänken verwendet werden kann. Wertvoller sind die Metalle. Sie werden bei so hohen Temperaturen eingeschmolzen, dass man daraus so ziemlich alles von der Konservendose bis zur Autokarosserie produzieren kann. „Das Lebensmittelrecht schließt bei Plastikmüll eine Wiederverwertung im Lebensmittelbereich aus, da hier mit niedrigeren Temperaturen gearbeitet wird und möglicherweise nicht alle schädlichen Stoffe beseitigt werden“, erklärt ein Mitarbeiter der Sortieranlage. „Metalle können hingegen immer wieder und für alles recycelt werden.“
Weniger Müll in der grauen Tonne
Die Senatsverwaltung tritt für die Ausweitung der Gelben Tonne plus ein: „Diese Maßnahme steht im Einklang mit den Zielen des vom Senat beschlossenen Abfallwirtschaftskonzeptes. Zudem eröffnet diese erweiterte Wertstoffsammlung den Berliner Bürgern die Möglichkeit, ihre spezifischen Abfallentsorgungskosten durch diese verbesserte Wertstoffsammlung weiter zu reduzieren“, so Abfallexperte Thomas Schwilling. Wenn nämlich dadurch weniger Müll in den teureren Restmülltonnen landet, können Vermieter diese reduzieren.
„Bei uns wurden tatsächlich Betriebskosten dadurch eingespart, dass wir seit der Einführung der Gelben Tonne plus weniger Haushaltsmülltonnen im Hof stehen haben“, berichtet Gabriele Kasprowski vom Degewo-Betriebskostenbeirat in Marzahn. Zwischen fünf und zehn Prozent der ursprünglichen Restmüllkosten konnten im gesamten Wohnungsbestand der Degewo seit Einführung der Plus-Tonne eingespart werden, wie Unternehmenssprecherin Erika Kröber betont. Auch die „GSW Immobilien GmbH“ hat die Tonne mittlerweile flächendeckend eingeführt. „An mehr als 30 Prozent der Standorte konnte durch die Gelbe Tonne plus der Hausmüll reduziert werden. Bezogen auf diese Standorte belaufen sich die Einsparungen auf mehr als sieben Prozent der jährlichen Hausmüllkosten“, berichtet GSW-Sprecherin Anja Blaschke. Nicole Wilke, Prokuristin des Wohnungsunternehmens Allod, spricht von einer jährlichen Einsparung von 42.000 Euro durch die Restmüllreduzierung bei ihren derzeit 8190 angeschlossenen Wohneinheiten. „Das sind circa elf Prozent der ursprünglichen Restmüllkosten.“
Einer wissenschaftlichen Untersuchung ist zu entnehmen, dass pro teilnehmendem Einwohner aufs Jahr gerechnet sechs Kilogramm Wertstoffe in der Gelben Tonne plus statt im Restmüll landen. Die Firma Alba spricht deshalb von einer eindeutig positiven Öko-Bilanz.
Fehlwürfe in der Plus-Tonne niedriger
Für kleinere Mehrfamilienhäuser rechnet sich die Gelbe Tonne plus allerdings nicht: Von den hier stehenden wenigen grauen Tonnen kann in der Regel keine abbestellt werden. Eine flächendeckende Einführung ist deshalb aktuell nicht geplant, obwohl Alba das prinzipiell für wünschenswert hält, wie Marketing-Leiter Peter Rollny bestätigt. „Dann müsste für kleinere Verwaltungen das Finanzierungsmodell angepasst werden, denn auch die Mieter kleinerer Häuser sollen nicht draufzahlen müssen.“
Reiner Wild vom Berliner Mieterverein (BMV) gibt einen weiteren Punkt zu bedenken: Wenn immer weniger Müll in der grauen Tonne lande, könnte die Berliner Stadtreinigung (BSR) die Gebühren für die Restmülltonne womöglich irgendwann erhöhen, da sich diese wirtschaftlich nicht mehr rechne. „Für Mieter darf die Mülltrennung nie mehr kosten als eingespart wird. Darauf werden wir ein kritisches Auge haben.“
Laut einer wissenschaftlichen Begleituntersuchung liegt die Fehlwurfquote, also der Anteil falsch getrennten Mülls, bei der Gelben Tonne plus um rund 30 Prozent unter der in den normalen Gelben Tonnen. Diese Erfahrung haben auch die angeschlossenen Wohnungsunternehmen gemacht. „Das vereinfachte Sammelsystem erleichtert die Mülltrennung und wir sehen darin sowohl einen ökonomischen wie auch einen ökologischen Nutzen“, berichtet Stadt- und-Land-Sprecherin Dagmar Neidigk. Die Fehlwürfe seien merklich zurückgegangen.
Befinden sich in den normalen Gelben Tonnen zu viele Fremdmaterialien, kann Alba die Tonne stehen lassen und den Eigentümer mittels Aufkleber auf die Vermüllung hinweisen. Der Müll muss dann über den Restmüll entsorgt werden. Verschiedentlich wird der Verdacht geäußert, Alba-Mitarbeiter würden auch aus falsch befüllten Standardtonnen Metalle und andere wertvolle Materialien herausfischen und dem Recycling zuführen. Alba selbst bestreitet das: „Bei Fehlbefüllung der Gelben Standardtonne mit nicht für diesen Behälter bestimmten Stoffen werden diese nicht vom Fahrer, der die Entsorgung durchführt, nachsortiert“, so Rollny.
Diskutiert wird immer wieder die Frage, ob man angesichts moderner Sortieranlagen nicht den Müll aus gelber und grauer Tonne zusammenwerfen und dann maschinell trennen kann. „Nein“, meint ein Mitarbeiter der Sortieranlage in Mahlsdorf: „Das Material aus der Gelben Tonne darf wegen der Infrarotsensoren nicht durch feuchten Restmüll verschmutzt sein.“ Für Michael Dahlhaus, Abfallexperte beim BUND Berlin, ist das allerdings nicht das maßgebliche Problem. „Die entscheidende Frage ist, wem der Müll dann gehören würde.“ Rest- und Biomüll gehören der öffentlichen Hand, für ihre Beseitigung sind öffentlich-rechtliche Entsorger zuständig. Der Müll aus den gelben Tonnen wird hingegen von privatrechtlichen Unternehmen entsorgt. Dahlhaus: „Wird dieser Müll zusammengeworfen, stellt sich die Frage, wer entsorgt und recycelt ihn und wer kassiert die Gebühren?“ Darauf hatte auch der Umweltausschuss des Bundestages bisher keine Antwort.
Kristina Simons
MieterMagazin 9/07
In die neue „Gelbe Tonne plus“ dürfen auch Wertstoffe ohne den Grünen Punkt
alle Fotos: Christian Muhrbeck
Die Gelbe Tonne für Leichtverpackungen
Auch moderne Müllsortieranlagen kommen mit feuchtem Restmüll nicht klar
Ungeklärt: Wer wäre zuständig, wenn der ganze Müll im gleichen Behälter entsorgt wird?
Mülltrennung zahlt der Verbraucher
5 Euro kostet die kleinste Gelbe Tonne plus mit 240 Litern Fassungsvermögen pro Abholung. Für die Leerung einer grauen Tonne in gleicher Größe werden im Monat 31,47 Euro fällig. Allerdings zahlen Verbraucher bereits über den Grünen Punkt Gebühren für die Entsorgung von Verpackungsmüll, weshalb die normale Gelbe Tonne auch entgeltfrei ist: Hersteller sind seit Einführung der Verpackungsverordnung 1991 dazu verpflichtet, Verpackungen zurückzunehmen. Das Symbol für diese Kreislaufwirtschaft ist der Grüne Punkt, für den die Hersteller eine Lizenzgebühr an die Duale System Deutschland GmbH (DSD) oder andere duale Systeme zahlen. Die wiederum bezahlen davon Entsorgungsunternehmen wie Alba. Die Kosten trägt letztlich der Verbraucher, denn die Lizenzentgelte werden auf die Warenpreise aufgeschlagen. Die Gelbe Tonne plus ist kostenpflichtig, da sie nicht über das DSD finanziert wird und zudem erst neue Sortieranlagen gebaut werden mussten.
ks
09.05.2017