Die Okerstraße im Norden von Neukölln ist immer wieder durch aggressive Jugendgangs und überbelegte Wohnungen, Müllberge in den Höfen und ähnliches in den Schlagzeilen. „Die Gegend um die Schillerpromenade ist kein normales Viertel“, so Kerstin Schmiedeknecht, seit elf Jahren Leiterin des Quartiersmanagements Schillerpromenade. Die Arbeitsgruppe „Task Force Okerstraße“ (TFO), ein überbehördliches Fachgremium im Bezirksamt Neukölln, soll Abhilfe schaffen.
In Rotterdam gibt es in Problemgebieten „Transfer Information Points“. Polizei, Schulen, Jugend- und Gesundheitsämter registrieren dort alle Auffälligkeiten der Bewohner – von versäumten Schulbesuchen bis zu Straftaten. Zeigen sich Betroffene bei einem Hausbesuch unzugänglich oder uneinsichtig, können Bußgelder verhängt, die Sozialhilfe gestrichen und sogar eine Umsiedlung in einen anderen Kiez angeordnet werden. Neuköllns Migrationsbeauftragter Arnold Mengelkoch versichert, dass es ein solches Vorgehen in Neukölln allerdings nicht geben wird, und auch Kerstin Schmiedeknecht vom Quartiersmanagement Schillerpromenade weist solche Überlegungen weit von sich.
Das Projekt „Task Force Okerstraße“ hat zwei Komponenten. Mit der Sozialarbeit vor Ort wurde ein freier Träger der Jugendhilfe beauftragt: das Büro „integra“ in der Okerstraße 44. Die sechs Streetworker und die „aufsuchende Familienhilfe“ haben inzwischen das Vertrauen vieler Bewohner erworben. Sie helfen bei Problemen mit dem Vermieter, bei Gängen zu den Ämtern und ähnlichem. Die zweite Komponente bildet die Arbeitsgruppe „Task Force Okerstraße“, die sich alle zwei Monate trifft. Zu ihr gehören dreizehn Mitarbeiter. Sie treten bei besonders schwierigen Einzelfällen auf den Plan. Zwar ist die Weitergabe von Sozialdaten, insbesondere durch das Jugendamt, nur in definierten Grenzen zulässig. Dennoch ist der Datenaustausch zwischen den Behörden ein Hauptkritikpunkt der „Gentrifizierungsgegner“, die sich in Initiativen wie „Tempelhof für alle“ und „Arbeitskreis Soziale Kämpfe“ sammeln. Ihre Befürchtung: Die Aktivitäten der Task Force würden primär der „Säuberung“ des Kiezes dienen, also der Verdrängung der Bewohner aus einem Gebiet, das – in unmittelbarer Nachbarschaft zum Tempelhofer Feld – zu einer Top-Lage geworden ist. Allerdings gibt es von dieser Seite bisher nur anonyme Angriffe und Blogs.
Hella Dunger-Löper, Staatssekretärin in der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, bewertet die Startphase des Projekts TFO als „überaus erfolgreich“. So wird gefährdeten Sinti- und Roma-Jungen ein mitternächtliches Boxtraining angeboten, um sie von der Straße zu holen. Immer mehr Kinder lassen sich im TFO-Büro von den mehrsprachigen Sozialarbeitern bei den Hausaufgaben helfen. Schwangere können sich ohne Sozialversicherungsausweis kostenlos untersuchen lassen. Vermieter wurden gezwungen, die Rattenplage in ihren Häusern zu bekämpfen.
Das Neuköllner Projekt läuft vorerst bis zum Jahr 2012. Gebraucht wird es wahrscheinlich wesentlich länger.
Rainer Bratfisch
MieterMagazin 9/10
Neue Wege geht die Sozialarbeit im Neuköllner Quartier Schillerpromenade
Foto: Sabine Münch
30.01.2017