Die „behutsame Stadterneuerung“ wird meist in einem Atemzug mit der Sanierung der Altbauquartiere in Kreuzberg genannt. Auch der Protest gegen eine fehllaufende Berliner Wohnungspolitik und gegen Grundstücksspekulanten bis hin zu den Hausbesetzungen der 80er Jahre wird gerne mit diesem Bezirk assoziiert. Doch die Fokussierung auf den Ort mit dem revolutionären Nimbus greift zu kurz. Der „behutsamen Stadterneuerung“ hat ihr Erfinder, der Architekt Hardt-Waltherr Hämer, ein erstes Versuchslabor im Block 118 in dem Charlottenburger Sanierungsgebiet Klausenerplatz verschafft.
Der Kampf gegen die Kahlschlagsanierung, die mühevolle Kleinarbeit von engagierten Bewohnern in einer politischen Stadtteilgruppe, die gegen einen bornierten Filz aus Politik und Immobiliengeschäft Front machten (und ihren Forderungen auch schon mal mit einem brennenden Bagger Nachdruck verliehen), nahm seinen Ausgang just in dem Kiez zwei Straßen vom Charlottenburger Schloss entfernt. Einer, der seit 1974 dabei war, als Student in der Nehringstraße wohnte und sich als Sanierungsbetroffener schnell den damaligen Aktivisten anschloss, war Gottfried Schenk. „Bald hing ein kämpferisches Transparent an meinem Balkon, gab es eine helfende Hand mehr beim Plakatieren und Flugblattverteilen“, schreibt er. Mit der Kamera war er nun die nächsten knapp zehn Jahre unterwegs, einesteils bemüht, die vom Abriss bedrohten Reste des alten Arbeiterkiezes und Zille-Wohnorts im Bild festzuhalten, andernteils den lebendigen Protest und dessen Aktivisten im Sanierungsgeschehen zu dokumentieren. Eine Auswahl des zusammengetragenen Materials liegt nun als Bildband und in einer kleinen Ausstellung vor. Quartier und Zeitgeist hat der Fotograf mit viel Gefühl für Atmosphären und Stimmungen eingefangen.
uh
Gottfried Schenk: Charlottenburgs rote Insel –
Vom Zille-Milieu zum Klausenerplatz-Kiez
Berlin 2016, 20 Euro
Ausstellung (bis 8. Januar 2017):
Museum Charlottenburg-Wilmersdorf in der Villa Oppenheim
Schlossstraße 55/Otto-Grünberg-Weg, 14059 Berlin
Dienstag bis Freitag 10 bis 17 Uhr, Samstag, Sonntag und Feiertage 11-17 Uhr
Eintritt frei
21.12.2016