„My home is my castle“ – muss dieser Spruch bald heißen „My home is my office“? In den Niederlanden können Beschäftigte seit drei Jahren einen Anspruch auf Heimarbeit durchsetzen. Auch hierzulande verändert sich die Arbeitswelt. Bereits rund 12 Prozent der Arbeitnehmer arbeiten ganz oder teilweise zu Hause – 2012 waren es nur 8 Prozent. Die rund 22.000 Mitarbeiter des Softwareherstellers SAP zum Beispiel können zwischen der Arbeit im Büro, unterwegs oder im Home Office wählen. Die Bundesregierung arbeitet an einem Rechtsrahmen für mobiles Arbeiten.
Pünktlich zum Tag der Arbeit forderte Annelie Buntenbach, Arbeitsmarktexpertin des Deutschen Gewerkschaftsbundes, einen Rechtsanspruch für die Arbeit im häuslichen Büro. Schließlich haben sich CDU/CSU und SPD im Koalitionsvertrag (Kapitel „Gute digitale Arbeit 4.0“) verpflichtet: „Wir wollen mobile Arbeit fördern und erleichtern. Dazu werden wir einen rechtlichen Rahmen schaffen.“ Die technischen Möglichkeiten für das Arbeiten zu Hause sind vorhanden. Telefon- und Skype-Konferenzen, Smartphones, Laptops und Computer vernetzen Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Aber während manchen „Heimarbeitern“ Freiheit und Flexibilität am heimischen Arbeitsplatz wichtig sind, fehlt anderen der Austausch mit den Kollegen. Wieder andere sehen Heimarbeit als Kostentrick der Unternehmer und befürchten steigende Leistungsanforderungen und erweiterte Kontrollmöglichkeiten der Arbeitgeber. Bürogemeinschaften und Crowd Working könnten eine Alternative zur Heimarbeit sein, insbesondere für Freiberufler und Existenzgründer.
In Deutschland liegt der Anteil der Home Offices nach einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) weit unter dem EU-Durchschnitt. Der Aufholbedarf zeigt sich bereits in der Wortwahl: In der im Dezember 2016 in Kraft getretenen Novelle zur Arbeitsstättenverordnung ist noch immer von „Telearbeitsplätzen“ die Rede. Nach einer Umfrage erwartet fast die Hälfte der Unternehmen, dass der Anteil der Mitarbeiter, die von zu Hause arbeiten, zunehmen wird. Das DIW schätzt, dass er in den nächsten Jahren auf über 30 Prozent steigt. Trotzdem: Das Arbeiten im Home Office muss für Beschäftigte in jedem Fall freiwillig bleiben. Der DGB fordert, der neue gesetzliche Rahmen müsse „starke Leitplanken“ einziehen gegen Versuche der Arbeitgeber, die Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit aufzuweichen.
Auch im Home Office gelten die Arbeitsschutzbestimmungen und die Bildschirmarbeitsverordnung. Die Vorschriften zur Arbeitszeit gehen noch immer vom regulären Acht-Stunden-Tag aus. Zumindest theoretisch müssen mindestens elf Stunden Ruhezeit zwischen zwei Arbeitstagen liegen. Aber wer kann das im Home Office kontrollieren? Die Privatsphäre der Beschäftigten muss vor allem in den eigenen beziehungsweise gemieteten vier Wänden geschützt bleiben.
Weil das Arbeiten nicht zu den klassischen Funktionen einer Wohnung – Freizeitgestaltung, Wohnen, Kochen, Essen und Schlafen – gehört, stellt das Home Office völlig neue Anforderungen an Architekten, Wohnpsychologen, Designer, Wohneigentümer, Mieter und Vermieter. Designer entwickeln bereits spezielle Möbel für das Home Office – vom einfachen Klappstuhl bis zu Paravents und Minischreibtischen. Die Wohnungsknappheit zwingt zu innovativen Lösungen. Und von wegen „Raum ist in der kleinsten Hütte“: Soll das Arbeitszimmer von der Steuer abgesetzt werden, muss es bestimmte Bedingungen erfüllen.
Neue Anforderungen an die Wohnung
Der Vermieter muss vorher erst zustimmen, wenn Einbaumöbel oder Zwischenwände den Charakter der Wohnung nachhaltig verändern. Wenn ein Mieter einen Teil seiner Wohnung zur Heimarbeit nutzt, ist das in der Regel unproblematisch, wenn andere Mieter nicht gestört und die Wohnung nicht mehr als bei normalem Wohnen abgenutzt wird. „Geschäftliche Aktivitäten des Mieters in der Wohnung, die nach außen in Erscheinung treten, muss der Vermieter grundsätzlich nicht ohne entsprechende Vereinbarung dulden“ (BGH vom 14. Juli 2009 – VIII ZR 165/08). Solche Aktivitäten sind zum Beispiel Kundenverkehr in der Wohnung oder die Verwendung der Anschrift als Firmenadresse. Die Außenwirkung zählt – wenn die Arbeit im Home Office andere Mieter nicht stört, muss der Vermieter sie dulden.
Rainer Bratfisch
Buchtipp: Ideen für das Arbeiten zu Hause
Die Autorin, Mitgründerin und Chefredakteurin der Architektur- und Design-Zeitschrift „Monitor“, stellt 120 individuelle und auch unkonventionelle Einrichtungsideen für das Home Office vor – von Mehrzweckmöbeln für kleine Wohnungen bis zu größeren architektonischen Lösungen, um eine Grenze zwischen Berufs- und Privatleben zu ziehen. Den Arbeitsplatz kann man sich dabei wie eine „Insel“ vorstellen: Er ist entweder an einem festen, dauerhaften Ort oder kann verschoben oder einfach weggeklappt werden, wenn der Platz für andere Zwecke gebraucht wird. Das Buch liefert zahlreiche Beispiele – für fast jeden Geschmack und fast jedes Budget.
rb
21.08.2018