Seit Einführung der Mietpreisbremse im Juni 2015 können die Vermieter bei einer Neuvermietung nicht mehr nehmen, was der Markt hergibt. Einige lassen sich nun allerlei Tricks einfallen, um das Gesetz zu umgehen. Allen voran die beiden großen Wohnungsunternehmen Deutsche Wohnen und Vonovia.
17 Euro nettokalt pro Quadratmeter für eine Wohnung in der Hobrechtstraße in Neukölln, 15 Euro für eine Wohnung in der wenig hippen Regattastraße in Köpenick – die Preise bei der Vonovia sind happig. Im Schnitt werden bei Wiedervermietung 14 bis 15,50 Euro verlangt. Das ergab eine Analyse des Berliner Mietervereins (BMV), die sich auf eine Auswertung von Angeboten im Internet stützt. „Es ist mit hoher Wahrscheinlichkeit zu vermuten, dass hier massiv gegen die Mietpreisbremse verstoßen wird“, sagt BMV-Geschäftsführer Reiner Wild.
Das Problem: Vonovia beruft sich – wie viele andere Vermieter auch – auf die Ausnahmeregelung, wonach die Mietpreisbremse nicht bei der erstmaligen Vermietung nach einer umfassenden Modernisierung greift. Nach der Rechtsprechung müssen in einem solchen Fall die Investitionen rund ein Drittel der vergleichbaren (fiktiven) Neubaukosten betragen. In Berlin wären das mindestens 800 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche. „Das Problem ist, dass nur die betroffenen Mieter vom Vermieter die Offenlegung der Kosten verlangen können“, erklärt Reiner Wild. Doch bei einem Fall in der Gontermannstraße, wo Neuvertragsmieten von über 16 Euro verlangt werden, sind dem BMV die tatsächlichen Modernisierungskosten bekannt, weil er die Sanierung für seine Mitglieder begleitet hat. „Da kommt man nie und nimmer auf solche Quadratmeterpreise“, sagt Wild. In den anderen Fällen kann man es nicht beweisen, es sei aber schlicht unwahrscheinlich, dass stets so umfassend modernisiert wurde.
Das Wohnungsunternehmen Vonovia bestreitet die Aussagekraft der BMV-Untersuchung und gibt eine durchschnittliche Neuvermietungsmiete von 9,20 Euro an. In die beiden neu zu vermietenden Wohnungen in der Gontermannstraße habe man jeweils circa 1000 Euro pro Quadratmeter investiert, inklusive seniorengerechtem Umbau nach KfW-Standard, so Sprecherin Nina Henckel.
Auch bei der Deutsche Wohnen vermutet der BMV eine systematische Umgehung der Mietpreisbremse. Die Analyse von 50 Mietangeboten ergab eine durchschnittliche Nettokaltmiete von 9,82 Euro pro Quadratmeter. Einem besonders dreisten Trick des umstrittenen Unternehmens hat das Landgericht eine deutliche Abfuhr erteilt. So sollte ein Mieter für eine 84 Quadratmeter große Wohnung in Friedrichshain zusätzlich zum „normalen“ Mietvertrag mit einer Nettokaltmiete von 573,29 Euro noch einen „Nachtrag zum Mietvertrag“ unterschreiben. Darin werden verschiedene Baumaßnahmen vereinbart, etwa die Verlegung von Mosaikparkett und Küchenbodenfliesen. Die Miete sollte dadurch einen Monat nach Einzug auf 716,93 Euro steigen. Vor Gericht argumentierte die Deutsche Wohnen-Tochter GSW, es handele sich bei dem Nachtrag um eine „freie Vereinbarung“ zwischen Mieter und Vermieter nach Abschluss des Mietvertrags. Die Richter ließen dies jedoch nicht gelten (LG Berlin vom 13. August 2018 – 66 S 45/18). Das Vorgehen könne nur als untauglicher Versuch einer Umgehung der Mietpreisbremse verstanden werden. Als zulässige Miete errechnete das Landgericht 507,62 Euro – also sogar noch weniger als im Basismietvertrag angegeben.
Der Trick mit dem Doppelvertrag
Ob die Deutsche Wohnen nach diesem eindeutigen Urteil nun auf den Trick mit dem Doppelvertrag verzichtet, bleibt abzuwarten. Eine Stellungnahme wollte man nicht abgeben. Seit der BMV die Initiative zur Enteignung der Deutsche Wohnen unterstützt, spricht das börsennotierte Unternehmen nicht mehr mit dem MieterMagazin.
„Wir glauben, dass die Deutsche Wohnen hier möglicherweise mit System vorgeht und eine Abzocker-Masche daraus machen will“, sagt Daniel Halmer, Rechtsanwalt und Gründer der Online-Plattform „wenigermiete.de“, die das Urteil erstritten hat.
Birgit Leiß
Bei Verstoß gibt’s Geld zurück
Der BMV empfiehlt allen neu eingezogenen Mietern, die zulässige Miethöhe checken zu lassen und bei Überschreitung sofort eine Rüge auszusprechen. Zwar kann man das auch tun, wenn man schon länger in der Wohnung lebt. Auch dann gilt: Der Vermieter muss die Miete entsprechend senken. Aber der Anspruch auf Rückzahlung der zuviel gezahlten Miete besteht erst ab dem Zeitpunkt der Rüge. Der BMV hilft bei der Errechnung der zulässigen Miete und bei der Durchsetzung der Ansprüche.
bl
Ein Musterschreiben und weitere Informationen finden Sie im BMV-Info 169 „Die Mietpreisbremse bei Wiedervermietung“:
www.berliner-mieterverein.de/recht/infoblaetter/info-169-die-mietpreisbremse-bei-wiedervermietung.htm
29.08.2019