Ich bin schon einige Zeit im Ruhestand, aber eines ist mir aus meinen Jahren im Jobcenter nur zu gut in Erinnerung geblieben: Wohnungsprobleme sind lähmend. Sie können nicht mit jemandem über einen Wiedereinstieg ins Erwerbsleben oder einen beruflichen Neustart nachdenken, der gerade Gefahr läuft, sein Zuhause zu verlieren. Wohnungsnot zählt heute zu den größten Vermittlungshemmnissen – und den schlimmsten sozialen Problemen.
Wenn ich mich in meiner Nachbarschaft umsehe, ist es nicht besser, sondern noch schlimmer geworden. Die um sich greifende Wohnungsprivatisierung, steigende Mieten und erst recht die steigenden Energiekosten, vor denen wir alle stehen, steuern viele Menschen in eine Sackgasse. Wer dann Mietschulden hat, dem droht bei großen privaten Vermietern nicht selten die schnelle Kündigung. Da hilft es auch nichts, dass das Sozialamt einspringt. Während kommunale Wohnungsbaugesellschaften an einer Tilgung der Schulden und einem ruhigen, geordneten Mietverhältnis interessiert sind, nutzt so mancher Private eine schwierige persönliche Situation, um die Wohnung leer zu bekommen – und sie gewinnbringender weiterzuvermieten.
Mit solch antisozialem Kalkül kann und will ich mich nicht abfinden. Deshalb engagiere ich mich beim Arbeitskreis Wohnen der Ver.di-Seniorinnen und -Senioren und seit 2019 als Bezirksgruppenleiterin des Berliner Mietervereins in Tempelhof-Schöneberg. Aber während es uns bei Ver.di im letzten Jahr zur Bundestagswahl endlich gelungen ist, das Thema Wohnen ins Programm der Gewerkschaft zu bringen, sind wir in unserer Bezirksgruppe ganz einfach viel zu wenige, um etwas zu erreichen. Gründe gibt es sicher viele: die Pandemie, fehlende Räume, ein ungünstiger Zeitpunkt für Zusammenkünfte. Hinnehmen will ich das aber nicht. Denn sowohl aus meiner beruflichen Tätigkeit als auch aus meinem Engagement bei Ver.di weiß ich: Ändern lassen sich die Dinge nur, wenn viele mittun und zusammenstehen.
Aufgeschrieben von Rosemarie Mieder
Zu den Bezirksgruppen des Berliner Mietervereins
30.08.2022