Eine drastische Mietsteigerung sorgt derzeit unter den Bewohnern eines Spandauer Seniorenwohnhauses für Unruhe. Um 55 Euro hat sich beispielsweise die Miete für eine 43 Quadratmeter große Wohnung erhöht. Damit kostet sie jetzt stolze 397 Euro warm.
Juristisch ist die Erhöhung nicht zu beanstanden. Wegen der fehlenden Anschlussförderung im Sozialen Wohnungsbau wäre die Wohnungsbaugesellschaft GSW sogar berechtigt gewesen, die Miete um 2,27 Euro pro Quadratmeter zu erhöhen statt der verlangten 1,27 Euro. Für die 168 betroffenen Senioren, überwiegend mit einer kleinen Rente, ist das dennoch eine Katastrophe. Der Berliner Mieterverein kritisiert die Erhöhung als „unsensibel und sozial problematisch“. Das Wohnhaus Stichstraße 1 gehört zu den Seniorenwohnhäusern, die jahrzehntelang von den Bezirken bewirtschaftet und vor einigen Jahren an die städtischen Wohnungsbaugesellschaften zurückgeführt wurden. Begründung: Es gehöre nicht zu den Kernaufgaben der Bezirke, Wohnungen zu vermieten.
Für die Bewohner hat sich mit dem Wechsel einiges zum Nachteil verändert. Aktuelles Beispiel: das Seniorenwohnhaus in der Martin-Luther-Straße 25. Seit 1. Januar 2006 wird es von dem Wohnungsunternehmen Degewo verwaltet. Während mit dem Bezirk sehr mieterfreundliche Mietverträge geschlossen worden waren, die weder Kaution noch die Übernahme der Schönheitsreparaturen vorsahen, ist das bei der Degewo anders. Ein weiterer schmerzhafter Einschnitt war, dass die Stelle der Sozialarbeiterin gestrichen wurde. Sie hatte im Haus ein Büro und stand den alten Leuten mit Rat und Tat zur Seite. „Sie half uns beim Formulieren von Briefen, organisierte Flohmärkte und schlichtete bei Streitigkeiten“, berichtet ein Bewohner. Die meisten, die hier leben, sind schon sehr alt, einige leiden an Demenz. Was die Mieter aber am meisten ärgert, ist die kürzlich erfolgte Schließung des Gemeinschaftsraums im Erdgeschoss. Mit viel Eigeninitiative war er eingerichtet worden, jeder Mieter konnte ihn mit seinem Schlüssel nutzen. „Das war unser Treffpunkt, hier konnten wir Besuch empfangen, hier haben wir Spieleabende durchgeführt und uns gegenseitig unterstützt“, erzählt ein Bewohner.
Bei der Degewo versteht man die Aufregung nicht. „Der Raum wird derzeit renoviert und danach den Bewohnern wieder zur Verfügung stehen“, sagt die Sprecherin Erika Kröber. Die Selbstverwaltung durch die Mieter habe aber nicht funktioniert, es habe immer wieder Beschwerden gegeben. Daher wird der Raum künftig von der Pflegestation im Haus verwaltet, die Mieter können ihn aber jederzeit für Feste und ähnliches nutzen, betont Kröber. Während der Gemeinschaftsraum bisher über die Betriebskosten und als Anteil in der Miete von den Mietern bezahlt wurde, werden die Kosten künftig komplett von der Degewo übernommen. Im Übrigen, so die Sprecherin, habe das Haus mit dem Wechsel vom Bezirk seinen Status als Seniorenwohnhaus verloren.
Unsicheren Zeiten sieht auch das kommunale Seniorenwohnhaus Am Mehringplatz 5 entgegen. Einst vom Bezirk bewirtschaftet, der mit der „Neuen Heimat“ einen sogenannten Generalmietvertrag abgeschlossen hatte, wurde es 2005 an den NeueHeimat-Nachfolger WIR zurückgegeben. Bereits zwei Jahre später kündigte die WIR den Vertrag wegen der Streichung der Anschlussforderung. Der Bezirk musste das Objekt zurücknehmen und plant jetzt den Verkauf an einen privaten Investor.
Birgit Leiß
MieterMagazin 10/07
Soll an einen privaten Investor
verkauft werden: Seniorenwohnhaus
Am Mehringplatz 5
Foto: Christian Muhrbeck
03.05.2018